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Liebe, Widerstand und die Sehnsucht nach Freiheit: In den Wirren der britischen Kolonialzeit befreit sich eine junge indisch-sansibarische Frau aus den Fesseln ihrer trostlosen Ehe und verliebt sich in einen kommunistischen Freiheitskämpfer.

Die Liebe in ungleichen Zeiten (2021)

Eine Filmkritik von Nathanael Brohammer

Entschleunigte Liebe

Wenn auf den Straßen Sansibars der 50er nachts die Laternen ausgeknipst werden, schwingt die weiße Bourgeoise in den Salons das Tanzbein und wird von den schwarzen Einheimischen besungen und bedient. Ein schwer erträglicher Anblick für Denge (Gudrun Columbus Mwanyika), einen jungen sansibarischen Freiheitskämpfer, der aus dem Untergrund heraus sowjetische Pamphlete verteilt und den britischen Kolonialherren durch die Sprengung solcher feierlichen Abende ein regelrechter Dorn im Auge ist.

Was nach einer abenteuerlichen Prämisse klingt, entwickelt sich jedoch schon relativ bald zu einer poetisch entschleunigten Liebesgeschichte. Denn der Widerständler trifft in dem Haus, das er zu seinem vorübergehenden Versteck vor seinen Häschern erkoren hat, auf die bildschöne Yasmin (Ikhlas Gafur Vora) – eine indisch-sansibarische Frau, die aus ihrer trostlosen Zwangsehe geflüchtet ist und dort vorübergehend Unterschlupf gefunden hat. Sie ist schlagartig fasziniert von dem eher wortkargen Denge, der seine kommunistischen Überzeugungen von einem Aufenthalt in Europa in seine Heimat importiert.

„Er ist ein Nichts. Er ist arbeitslos. Er ist nicht viel wert“, versucht ihr noch eine enge Freundin und Helferin einzutrichtern. Zu spät. Nur der berüchtigte erste Blickkontakt ist nötig und es ist um beide geschehen. Die Tragik dieser zur Unerfülltheit verdammten großen Liebe ist in malerische Bildkompositionen getaucht, die in ihrer matten Farbpalette von Gelb über Orange bis zu sanftem Rot sofort an große Vorbilder wie Wong Kar-Wai denken lassen. Regisseur Amil Shivji entlockt den Szenen, in denen die Protagonisten sich einander annähern und Worte sagen, ohne wirklich miteinander zu sprechen, mit viel atmosphärischen Feingefühl eine große suggestive Kraft, ohne jemals in Rührseligkeit abzugleiten.

Insbesondere dieser visuellen Kunstfertigkeit ist es auch zu verdanken, dass man gegenüber dem zuweilen sprunghaften Plot mit Wohlwollen ein Auge zudrückt. Amil Shivji arbeitet mit Vor- und Rückblenden sowie erzählerischen Lücken. Und nicht immer ist dabei ersichtlich, ob es sich um bewusste Auslassungen handelt oder ob die holzschnittartige Figurenzeichnung von Denge und Yasmin das Produkt beziehungsweise Opfer eines holprigen Drehbuchs (das auf dem preisgekrönten Swahili-Roman von Adam Shafi basiert) und des Schnitts sind.

So wirkt etwa Yasmins Entwicklung von einer geflüchteten Ehefrau zur resoluten Kämpferin, die ihren Geliebten schließlich aus den Fängen der Unterdrückenden befreit, etwas überhetzt. Die große Liebe und augenblickliche Intimität zwischen beiden ist durch wenige (wenn auch ausgesprochen malerische) Sequenzen mehr behauptet als wirklich erzählt. Und der kolonialistische Konflikt mit den britischen Besatzern und ihren einheimischen Helfern, die daraus resultierenden internen Kämpfe sowie die Kulisse der heterogenen Kultur Sansibars bleiben ähnlich andeutungsreich und ungreifbar.

Es handelt sich um den ersten Historienfilm dieser Art aus Tansania überhaupt. Er durfte auch gleich ins Oscarrennen 2023 für sein Produktionsland. Ausgestattet mit diesem Wissen gibt man sich diesem zwar leicht verträumten, aber durchaus ambitionierten Werk, das auf zärtliche Weise eine kettensprengende Liebesgeschichte auf die Leinwand zaubert, gerne hin.

Die Liebe in ungleichen Zeiten (2021)

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Shafi Adam Shafi erzählt der Film vor dem Hintergrund der letzten Jahre der Unabhängigkeitsbemühungen des ehemaligen britischen Protektorats Sansibar. Ein junger Unabhängigkeitskämpfer verliebt sich in eine junge Frau aus der Oberschicht, die sich daraufhin ebenfalls dem Befreiungskampf anschließt.

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