Der letzte König von Schottland - In den Fängen der Macht

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Innenansichten einer Diktatur

Zugegeben – der Titel des neuen Films von Kevin Macdonald lässt im ersten Moment an edle Ritter und tapfere Herzen denken und evoziert Bilder mittelalterlichen Ursprungs. Doch wie so oft sollte man auf den Titel nicht allzu viel geben – zwar geht es in Der letzte König von Schottland — In den Fängen der Macht / The Last King of Scotland durchaus um Historisches, doch die Handlung spielt in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts und ist nicht in den Highlands, sondern in Uganda angesiedelt.
Kaum ist der junge schottische Arzt Nicholas Garrigan (James McAvoy) zum Beginn der siebziger Jahre mit seinem Studium fertig, zieht es den jungen Mann hinaus in die große, weite Welt – ein Aufbruch, den Garrigan auch deswegen unternimmt, um dem Einfluss seines dominanten Vaters zu entfliehen. In Uganda angekommen nimmt sein Leben eine schicksalhafte Wendung, die ihm zunächst wie ein Glückstreffer erscheint: Es ist einem Zufall zu verdanken, dass Garrigan gerade zur Stelle ist, als der Diktator des Landes Idi Amin (Forest Whitaker) in der Nähe einen Autounfall mit seinem Maserati hat. Als Garrigan dem Herrscher die Wunden verarztet, bietet ihm dieser aus Dankbarkeit und Sympathie – der Staatsführer erweist sich nämlich als profunder Kenner der schottischen Historie – eine Anstellung als Leibarzt an. Geschmeichelt und geehrt nimmt Garrigan die Herausforderung an und gehört von nun an zum inneren Zirkel der Macht. Worauf diese allerdings fußt – Terror und Unterdrückung eines bis dahin ungeahnten Ausmaßes – das ignoriert der junge Arzt allerdings und genießt lieber die Annehmlichkeiten eines Lebens im Windschatten der Macht. Doch auf Dauer lassen sich Amins Grausamkeiten und seine Methoden des skrupellosen Machterhalts auch für die Menschen in seinem Umfeld nicht ignorieren, zumal der Diktator zunehmend paranoid wird und sich mehr und mehr auch gegen seine Vertrauten wendet. Für Garrigan, den einstigen Liebling Amins, beginnt der Überlebenskampf…

Kevin MacDonalds Innenansichten einer der grausamsten Diktaturen Afrikas basieren auf einem Roman von Giles Foden, in dem der fiktive Charakter eines jungen Arztes aus Schottland stellvertretend für den Leser Augenzeuge der Zwangsherrschaft des „Schlächters von Afrika“ wird. Ein erzählerischer Kunstgriff, der den Leser ebenso wie den Zuschauer im Kino gleichsam zu einem Komplizen des Despoten macht. Neben allem anderen wird der Film aber vor allem durch Forest Whitaker zu einem Ereignis, seine wahrhaft monströse Darstellung des gefürchteten Diktators gerät zu einer der bemerkenswertesten schauspielerischen Leistungen der letzten Zeit – der Oscar als bester Hauptdarsteller ist der Lohn für diese wundervolle Performance. So viel Brillanz hat allerdings auch ihren Preis, denn Whitaker rückt in den Mittelpunkt des Interesses, während James McAvoy in einigen Szenen gegen den Titanen doch recht „blass“ aussieht. Gut möglich, dass dies die Machtverhältnisse jener Zeit widerspiegelt, in der der „Schlächter von Uganda“, der sich tatsächlich für den mächtigsten Mann der Welt hielt, alles neben sich in den Schatten stellte – sowohl was seine Verschwendungssucht als auch seinen Größenwahn und seine Grausamkeit anbelangte. Und so ist es kein Wunder, wenn Der letzte König von Schottland — In den Fängen der Macht / The Last King of Scotland aller Größe zum Trotz einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt – als Porträt einer der grausamsten Diktaturen Afrikas ist der Film wirklich gelungen, als Lebensgeschichte des jungen Arztes Nicholas Garrigan hingegen bleibt der Film bruchstückhaft – gerade so, als beziehe dieser die Wichtigkeit seiner Existenz allein aus der Tatsache, der Mann an Idi Amins Seite gewesen zu sein. Doch vielleicht liegt dies ja in der Absicht des Filmemachers. Und zugleich ist genau das auch kennzeichnend für die merkwürdige Faszination, die Idi Amin bis heute ausübt – seine Fähigkeit, Menschen zu funktionalisieren und zu instrumentalisieren. Im Schatten der Macht droht man eben leicht zu verschwinden – eine Erfahrung, die offensichtlich auch Nicholas Garrigan machen musste. Selten waren Verführbarkeit und Bedrohung durch die Nähe zur Macht realistischer im Kino zu sehen als in diesem Film.

Der letzte König von Schottland - In den Fängen der Macht

Zugegeben – der Titel des neuen Films von Kevin Macdonald lässt im ersten Moment an edle Ritter und tapfere Herzen denken und evoziert Bilder mittelalterlichen Ursprungs.
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Meinungen

Gast · 24.09.2007

Gelungener Film, der "an die Nieren geht" und wohl auch einige aktuelle Machthaber und deren heimliche Unterstützer am Beispiel Idi Amins beschreibt. James McAvoy darf gar nicht brillieren, weil das die angeprangerten Machtverhältnisse auf den Kopf stellen würde.

Malone · 23.04.2007

Ich mag Forest Withaker nicht und kann mir kaum vorstellen, dass er in der Rolle gut ist. Aber mal schaun, auf DVD aber bloß.

· 19.03.2007

Echt super toll! Bin beeindruckt.
Finde ich sogar besser als Blood Diamond.
Super gespielt, interessante Thematik und sehr spannend!

Volle Punktzahl!

· 15.03.2007

Atemberaubend! Großartig gespielt! Ein wahnsinnsfilm!