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In Kim Jee-woons „Cobweb” spielt Song Kang-ho einen gescheiterten Regisseur im Südkorea der 70er Jahre, der sein Meisterwerk vollenden möchte. Der Film ist eine Hommage an die klassischen südkoreanischen Genrefilme und gleichzeitig ein satirischer Blick auf die Filmbranche.

Cobweb (2023)

Eine Filmkritik von Stephan Fasold

Im Netz der drei Kims

Kim Jee-woon zählt zu den großen Regisseuren des südkoreanischen Kinos und ist international vor allem durch seine Werke „A Tale of Two Sisters“, „A Bittersweet Life“ und „I Saw the Devil“ bekannt geworden. In seiner Satire „Cobweb“ widmet er sich den Ursprüngen des südkoreanischen Genrekinos in den 70er Jahren und besinnt sich auf seine eigenen Wurzeln. Der Film ist bereits die fünfte Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Song Kang-ho („Broker“, „Parasite“).

In Cobweb möchte der ambitionierte aber bisher erfolglose Regisseur Kim Ki-yeol (Song Kang-ho) das Ende seines eigentlich längst abgedrehten Films, der ebenfalls Cobweb heißt, nachdrehen lassen. Kim ist der festen Überzeugung, dass sein Film durch die neuen Szenen ein Meisterwerk werden würde. Allerdings ist Frau Baek (Jang Young-nam), die Produzentin des Films, nicht vom Nachdreh überzeugt und verbietet Kim das Vorhaben. Einzig die ehrgeizige Assistentin Mi-do (Jeon Yeo-been) glaubt an die Vision des Regisseurs und versammelt kurzerhand auf eigene Initiative die gesamte Filmcrew, um erneut mit den Dreharbeiten zu beginnen. Als die Nachdrehs den Zeitplan überschreiten und die Zensurbehörde auf die Aktivität im Filmstudio aufmerksam wird, entscheidet sich Mi-do zu einem drastischen Schritt: Sie verbarrikadiert die Türen und kappt die Telefonleitungen. Als dann auch noch Hauptdarstellerin Yu-rim (Krystal Jung) die Arbeit niederlegt, spitzt sich die Lage aber weiter zu und Regisseur Kim droht zu scheitern. 

Cobweb ist ein vielschichtiger Film über das Filmemachen, in dem die verschiedenen Erzählebenen geschickt ineinandergreifen. Nicht nur die doppelte Verwendung des Titels, sondern auch die Figur des Kim Ki-yeol, die dem Regisseur Kim Ki-young nachempfunden ist, lässt darauf schließen, dass hier ein weitläufiges Netz aus Querverweisen gespannt wird. So spielen gleich drei Regisseure mit dem Namen Kim für die Beschäftigung mit Cobweb eine Rolle. Kim Jee-woon verlagert die Handlung seines Films in den Beginn der 70er Jahre, also in eine Zeit, in der sich die südkoreanische Filmbranche im Umbruch befand. Auf die zahlreichen sozialkritischen Produktionen der 60er Jahre erfolgte aufgrund der Verschärfung der Zensur ab den 70er Jahren ein Paradigmenwechsel innerhalb der südkoreanischen Filmindustrie. Ehemals gefeierte Regisseure wie Shin Sang-ok konnten aufgrund der thematischen Vorgaben nicht mehr an ihre Erfolge anknüpfen und neue Genres wie der Hostessenfilm, Liebesfilme und andere Genrestoffe wurden populär und prägen die koreanische Filmwelt bis heute. 

Im Film hält der Regisseur Kim Ki-yeol trotz der widrigen Umstände an seiner Vision fest. Die Figur ist angelehnt an den südkoreanischen Regisseur Kim Ki-young, dessen experimentelle Werke aus den 60er und 70er Jahren in den 90ern wiederentdeckt wurden und eine späte Anerkennung erfuhren. Die Handlung von Cobweb, dem gleichnamigen Film im Film, ist angelehnt an Ki-youngs Meisterwerk The Housemaid (1960) und The Devils Stairway (1964) von Lee Man-hee (der sogar namentlich erwähnt wird). Die größte Würdigung erfährt der Regisseur Shin Sang-ok, den Jee-woon in seinem Film als Mentor der Hauptfigur Kim Ki-yeol auftreten lässt. Eine zentrale Frage für die Figur des Regisseurs ist, ob er sich mit seinem Film aus dem Schatten seines Meisters wird lösen können.

Cobweb verdeutlicht, wie staatliche Bestimmungen und Kanonisierung die Filmkultur eines Landes beeinflussen können. Kim Jee-woon wirft die Frage auf, ob und wie sich Filmschaffende aus diesen Strukturen lösen können, um ein Kino zu schaffen, welches sich nicht in der ewigen Wiederholung von narrativen Mustern verliert. Eine der lustigsten Sequenzen des Films zeigt eine Szene aus dem geplanten Meisterwerk, in dem sich ein dramatischer Twist an den nächsten reiht. Das überhöhte Drama im Kreise der Familie, die um jeden Preis geschützt werden muss, ist bis heute eines der gängigsten Elemente im südkoreanischen Kino.

Es gibt überambitionierte Method-Actor, Machtkämpfe unter Schauspieler*innen, eine geheime Schwangerschaft, politische Verstrickungen und die im Hintergrund agierende Filmkritik. Durch dieses vielseitige Figurenensemble und gutes Comedy-Timing ist Kim Jee-woon eine verspielte Meta-Betrachtung der südkoreanischen Filmbranche gelungen. Den Zuschauer*innen wird jedoch aufgrund des komplexen Verhältnisses zwischen Rahmenhandlung und den untergeordneten Erzählebenen einiges an Aufmerksamkeit abverlangt. Geschickterweise sind die Szenen vom Film im Film in Cobweb alle in schwarzweiß gehalten, da sie sonst kaum von der intradiegetischen Handlung zu unterscheiden wären.

Cobweb ist für Kim Jee-woon eine Rückbesinnung auf den schwarzen Humor seiner ersten Filme. Nach einigen schwächeren Produktionen kann der Regisseur endlich wieder an die Qualität seiner großen Erfolge anknüpfen. Es lohnt sich, im Netz der drei Kims gefangen zu werden.

Cobweb (2023)

Im Mittelpunkt von „Cobweb“ steht ein Filmregisseur, für den das Ende seines Films zur Obsession wird.

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