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Nach „Shoplifters“ präsentiert der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda ein neues Drama, in dem das Thema Familie im Mittelpunkt steht. Dieses Mal verlagert er aber seine Geschichte nach Südkorea. 

Broker - Familie gesucht (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Nette Menschen unter sich

Auch im neuen Drama des japanischen Regisseurs Hirokazu Koreeda, das er in Südkorea mit südkoreanischen Darstellern gedreht hat, geht es um sein Lieblingsthema der Wahlfamilie. Wieder bevölkern seinen Film Figuren, deren Freundlichkeit und Menschlichkeit in Kontrast zu ihren Handlungen stehen. Es ist nicht einmal so, dass Koreeda ihr, meist kriminelles, Verhalten billigen oder verteidigen würde. Irgendwie fühlt es sich aber trotzdem wie eine Provokation an, wenn man diesen äußerst netten und zugleich so fragwürdigen Menschen begegnet. 

Das war bereits in Shoplifters so, in dem eine ganze Familie von Ladendieben und Betrügern einem unweigerlich ans Herz wachsen musste. In Broker geht es um etwas weit weniger Harmloses. Eine junge Frau (Lee Ji-eun alias IU) gibt in ihrer Verzweiflung ihr Neugeborenes bei der Babyklappe einer örtlichen Kirche ab. In Empfang nimmt es der vermeintliche Priester (Song Kang-ho), der sich aber als Schneider und Besitzer einer Kleiderreinigung herausstellt. Gemeinsam mit seinem Partner Dong-soo (Gang Dong-won) fängt dieser das Kind ab, um es einem adoptierwilligen Paar, das den offiziellen Weg nicht gehen kann, zu verkaufen. 

Bevor sie zu ihren Kunden losfahren können, tritt die Kindsmutter wieder auf den Plan. Sie zeigt sich bereit, das Kind zu verkaufen, doch sie will die potentiellen Eltern mit aussuchen und auch am Erlös beteiligt werden. Da So-young die ersten Interessenten für unwürdig hält, geht es mit der Suche weiter. In der Zwischenzeit wächst die ungewöhnliche Gruppe unverhofft zusammen. Ihnen auf den Fersen sind zwei Polizistinnen, die sie überführen wollen. 

Was sich wie eine Räubergeschichte anhört, ist vielmehr ein berührendes Gesellschaftsdrama, in dem Koreeda in erster Linie äußere Umstände für die desolate Lage seiner Protagonisten verantwortlich macht. Mit besseren sozialen und politischen Grundbedingungen würden sie ein „normales“ Leben führen. Das, glaubt man zumindest, ist eine Botschaft des Films. Koreeda ist weniger ein politischer Aktivist als ein Humanist. Er ist vom grundsätzlich Guten im Menschen überzeugt. 

Sein zweites und damit zusammenhängendes Thema ist, dass es nicht immer die Verbindung über die Blutlinie braucht, um sich als Familie fühlen und verhalten zu können. Verantwortung übernehmen kann man auch ohne gesetzliche Verpflichtung. Dass dies in manchen Fällen weit ernsthafter geschehen kann als bei biologischen Eltern, wissen die meisten. Nicht immer lässt es die Gesellschaft mit ihren Regeln aber auch zu. Koreeda sagt nicht, man bräuchte diese nicht, weist aber darauf hin, dass sie nicht von zu konservativen moralischen Vorstellungen diktiert werden sollten.

In Broker sind zum einen die Paare, die sich ein Kind wünschen, aber keines adoptieren können. Entweder weil sie homosexuell sind, oder sie entsprechen den Altersangaben nicht oder sonstigen bürokratischen Anforderungen. Die Hürden, die man Paaren weltweit bei Adoptionen stellt, sind teilweise unverhältnismäßig. Das ist einer der Gründe, wieso einige im Ausland adoptieren oder sich Leihmütter beschaffen. Hier gälte es, einige Aspekte des Prozedere zu überdenken. Broker erinnert zu Recht daran. 

Die junge Mutter sieht sich mit der Situation konfrontiert, dass sie, würde sie das Kind behalten, ihm mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein Leben mit Entbehrungen bieten könnte. Sie hat den Kindsvater, einen verheirateten Mann, der sie ausnutzte, niedergeschlagen und muss dafür ins Gefängnis, das steht fest, der Film spekuliert nicht darauf, dass sie sich nicht ihrer Verantwortung stellen muss. Und das ist Koreeda offenbar wichtig, dass er immer wieder festhält, die Figuren ihrer per Gesetz definierten Strafe nicht entkommen zu lassen. 

Seinem elegischen Inszenierungsstil treu bleibend, vermeidet Koreeda allzu sensationalistische Wendungen. Stellenweise kommt es allerdings zu doch recht rührseligen und mit reichlich Pathos aufgeladenen Szenen, wozu besonders auch die humorvollen und unbeschwerten Momente zwischen den Figuren zählen. Motivisch ist der Film an sich nicht wenig dicht, doch bricht man die Handlung auf ihre Grundaspekte herunter, wirkt sie insgesamt etwas flach. Ähnlich verhält es sich mit der Charakterzeichnung. 

Das Schauspielerensemble, zu dem unter anderem der südkoreanische Star Song Kang-ho gehört (der beispielsweise in Parasite von Bong Jong-hoo als Familienvater eine weit anspruchsvollere und farbigere Rolle hatte), bemüht sich, um das Erzeugen einer gewissen Spannung, doch mangelt es an genügend Reibungspunkten zwischen den Figuren. Das Miteinander ist schon fast zu idyllisch. 

Vermutlich liegt aber auch die Stärke des Films genau darin, dass er kontroverse Gefühle auslöst. Das Versöhnliche, Liebevolle widerstrebt einem einfach angesichts der erzählten Geschichte. Es sitzt wohl viel zu tief, denn man erwartet, dass die Bösen einfach böse sein müssen – oder zumindest ein wenig unsympathisch. 

Broker - Familie gesucht (2022)

„Broker“ von Hirokazu Koreedaa handelt von einer besonderen Reise von Menschen, zwischen denen durch eine ´Baby-Box´ Beziehungen entstehen. Gemeint sind Kisten, die draußen stehengelassen werden, damit Menschen dort anonym ihre ungewollten Babys abgeben können.

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