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In ihrem Regiedebüt „As They Made Us“ erzählt Mayim Bialik die Geschichte einer Familie, die sich allmählich durch Rückblenden in ihrer Komplexität entfaltet.

As They Made Us - Ein Leben lang (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Viele kleine Puzzleteilchen

Gleich zweimal hat die 1975 geborene Mayim Bialik als Schauspielerin die Popkultur maßgeblich geprägt. Von 1990 bis 1995 verkörperte sie die jugendliche Titelheldin in der Sitcom „Blossom“ – und wurde mit ihrem Style und ihren Dance-Moves zum Inbegriff eines Nineties-Kids. Im TV-Dauerbrenner „The Big Bang Theory“ gehörte sie wiederum als Dr. Amy Farrah Fowler in den 2010er Jahren in mehr als 200 Episoden zur beliebten nerdigen Kerngruppe.

Nach einem Kurzfilm im Jahre 2019 gibt Bialik nun mit der Tragikomödie As They Made Us ihr Langfilmdebüt als Regisseurin. Das Drehbuch, das sie zusammen mit ihrem Lebenspartner Jonathan Cohen geschrieben hat, schildert eine Familiengeschichte auf mehreren Zeitebenen. So sehen wir zum einen, wie die Mittdreißigerin Abigail (Dianna Agron), die ihren Alltag mit ihren zwei Söhnen und ihrem Ex-Mann Peter (Charlie Weber) zu bewältigen versucht, sich nebenher um ihre Eltern Barbara (Candice Bergen) und Eugene (Dustin Hoffman) kümmern muss, während ihr älterer Bruder Nathan (Simon Helberg) seit zwei Dekaden jeglichen familiären Kontakt verweigert. Und zum anderen gewinnen wir in kurzen Rückblenden ein Bild von der Kindheit und Jugend von Abigail und Nathan im Elternhaus in New Jersey.

Zuweilen kann eine zersplitterte Erzählstruktur in Romanen, Theaterstücken und Filmen durchaus prätentiös anmuten. Hier gelingt es dem Skript jedoch, gerade in dieser Form die Komplexität und den Wandel zwischenmenschlicher Beziehungen treffend zu erfassen. Betrachten wir etwa ausschließlich die Gegenwart, wirkt Barbara im Umgang mit ihrer Tochter und mit ihrem kranken Ehemann ziemlich rücksichtslos. Durch die Flashbacks entsteht allerdings ein weitaus differenzierterer Eindruck.

Jede Sequenz, die in die Vergangenheit schaut, liefert ein winziges Puzzleteil, durch das die aktuelle Situation ein bisschen nachvollziehbarer wird. Menschen sind nicht nur gut oder schlecht, nett oder unfreundlich, altruistisch oder egoistisch; sie sind eine Summe all ihrer Erfahrungen. Dies wird in As They Made Us überzeugend vermittelt. „Du weißt ja nicht mal die Hälfte von dem, was passiert ist“, meint Barbara an einer Stelle zu Abigail. Ein Satz, in dem viel Wahrheit steckt – in Bezug auf die Beurteilung jeder Person, selbst aus dem nahen (Familien-)Umfeld.

Auch inszenatorisch schafft es Bialik, die unterschiedlichen Ebenen durch geschickte Übergänge und Match Cuts stimmig zu verbinden. Der Film funktioniert als Ganzes, lebt aber zugleich von diversen kleinen Augenblicken, etwa wenn das enge Vater-Tochter-Verhältnis zwischen Eugene und Abigail eingefangen wird. „Alles versagt irgendwie“, stellt Eugene über seinen gesundheitlichen Zustand fest. Wie sich Abigail bemüht, langsam zu begreifen, dass ihr Vater bald sterben wird, bringt Dianna Agron in ihrer Rolle empathisch zum Ausdruck.

As They Made Us ist ein Werk, das Wert darauf legt, seinem Ensemble Raum zu geben. Die New-Hollywood-Größen Candice Bergen und Dustin Hoffman liefern beide sehr einnehmende Leistungen. Bergen stattet ihre Figur mit etlichen Ecken und Kanten aus; Hoffman spielt als Kontrast dazu angenehm zurückhaltend, zeigt indes ebenfalls seine enorme Bandbreite, wenn er als jüngere Version von Eugene äußerst streng und stur in Erscheinung tritt. Ein beeindruckender Moment ist das Wiedersehen von Vater und Sohn nach Jahren der Funkstille. Auch hier macht der Film deutlich, dass Beziehungen kompliziert sind. Alte Wunden verheilen schwer – und doch kann immer wieder versucht werden, an das, was einst Nähe erzeugte, anzuknüpfen.

As They Made Us - Ein Leben lang (2022)

Abigail (Dianna Agron), eine geschiedene, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, gibt ihr Bestes, um ihre Eltern Eugene (Dustin Hoffman) und Barbara (Candice Bergen) zu unterstützen. Ihr Vater Eugene leidet unter einer degenerativen Krankheit, die er und seine Frau Barbara nicht akzeptieren wollen, während ihr Bruder Nathan (Simon Helberg) sich seit Jahrzehnten von der Familie entfremdet hat. Als sich herausstellt, dass Eugene nur noch wenige Wochen zu leben hat, versucht Abigail alles, um ihre komplizierte Familie wieder in Ordnung zu bringen, bevor es zu spät ist. 

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