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Ein 12-jähriges Mädchen kümmert sich um eine kleine Spinne, die unaufhaltsam wächst und ein New Yorker Wohnhaus terrorisiert. Kiah Roache-Turners B-Movie-Grusler hat Charme, auch wenn er Horrorkenner*innen sicher nicht vom Hocker reißen wird.

Sting (2024)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Vom Himmel hoch, da komm' ich her

Nimmt man Filmemacher Kiah Roache-Turner beim Wort, ist er mit seiner neuen Regiearbeit weitgehend gescheitert. „Sting“ solle dem Publikum Albträume bereiten, sagte er bei den Fantasy Film Fest Nights in einer Videobotschaft vor Beginn des Spinnengruslers. Wirklich verstörende Qualitäten besitzt sein Horrorstreifen indes nicht. Es sei denn, man gehört zu der Gruppe Menschen, die panische Angst vor den achtbeinigen Krabbeltieren haben. Was nach einer weiteren hastig heruntergekurbelten Genreenttäuschung klingt, ist am Ende aber doch unterhaltsamer, als man meinen könnte. Warum? Weil Roache-Turners Leidenschaft für das B-Movie-Grauen regelmäßig deutlich wird und er seine Protagonist*innen nicht als reines Kanonenfutter sieht.

Mitten in einer klirrend kalten Winternacht kracht ein mysteriöses Himmelsobjekt in ein New Yorker Wohnhaus. Aus einem Ei entschlüpft eine kleine Alien-Spinne, die schon bald in der Obhut der 12-jährigen Charlotte (Alyla Browne) landet. Liebevoll kümmert sich das Mädchen um die Kreatur, die sie, angelehnt an ein Schwert aus dem Fantasy-Roman Der kleine Hobbit, Sting tauft. Unterdessen sind ihre Mutter Heather (Penelope Mitchell) und ihr Stiefvater Ethan (Ryan Corr) ganz auf Charlottes frischgeborenen Bruder und ihre beruflichen Herausforderungen fokussiert. Dass Sting ein rasantes Wachstum an den Tag legt, fasziniert Charlotte zunächst. Irgendwann begreift sie allerdings, dass die Spinne im Haus ihr blutiges Unwesen treibt.

Horrorfilme, in denen Tiere jeglicher Couleur brutal über die Stränge schlagen, kippen heutzutage oft ins Lächerliche und Trashige. Sharknado, dessen Fortsetzungen und diverse Nachahmungen haben daraus einen regelrechten Überbietungswettbewerb gemacht. Kiah Roache-Turner weiß um die absurde Prämisse seines Drehbuchs und nähert sich seinem Stoff daher von Anfang an mit einem Augenzwinkern, das jedoch weniger kalkuliert, sondern liebevoll wirkt. Die schräge Komik der sich zuspitzenden Situation stellt er immer wieder heraus, setzt dabei einige nette Pointen, verfällt mitunter aber auch in platte Witzeleien. Die Demenzerkrankung von Charlottes deutschstämmiger Oma Helga (Noni Hazlehurst) als Running Gag zu benutzen, ist beispielsweise mehr als fragwürdig.

Gut tut der Regisseur daran, Sting fast ausschließlich auf das zentrale Wohnhaus zu beschränken. Ein Wohnhaus, das wie ein typisches Horrorfilmsetting aussieht. Lichtschalter scheint es hier nur wenige zu geben. Aus vielen Ritzen tropft es. Und insgesamt macht das siffige Gebäude, das Ethan als Teilzeitverwalter instand halten soll, keinen besonders gemütlichen Eindruck. Über die Lüftungsschächte erkunden wir gemeinsam mit der spinnenartig darin herumkrabbelnden Charlotte bereits kurz nach dem Start den Handlungsort und erhaschen erste Blicke auf die zum Teil skurrilen Bewohner*innen. Was dabei auffällt: Im Haus leben mehrere Menschen, deren Wurzeln außerhalb der USA liegen. Ein Umstand, der für die Geschichte dann aber keine große Bedeutung hat.

Während die Nebenfiguren knapp umrissen sind und über Funktionsrollen nicht hinauskommen, gibt sich Roache-Turner bei den im Mittelpunkt stehenden Charakteren Mühe. Besonderes Augenmerk legt der Film auf die noch knirschende Beziehung zwischen Charlotte und ihrem Stiefvater, der sich in seinem Zweitjob als Comiczeichner die Nächte um die Ohren schlägt. Hellseherische Fähigkeiten braucht es wahrlich nicht, um zu erahnen, worauf Sting hinausläuft. Ab und an entspringen aus der angespannten Familiensituation allerdings bewegende, für ein Horror-B-Movie eher ungewohnte Szenen. Mitverantwortlich dafür sind auch die solide aufspielenden Darsteller*innen, allen voran Alyla Browne als vernachlässigte, etwas nerdige Comicliebhaberin.

Handwerklich gibt es wenig zu beanstanden. Routiniert schwebt die von Brad Shield verantwortete Kamera manchmal wie ein Geist durch das Haus und blickt zuweilen aus einem niedrigen Winkel, quasi der Spinnenperspektive, auf das Geschehen. Die von der renommierten neuseeländischen Weta-Schmiede (unter anderem beteiligt an Peter Jacksons Der Herr der Ringe-Trilogie) besorgten Spezialeffekte können sich trotz begrenzter finanzieller Mittel sehen lassen, auch wenn das blutrünstige Krabbeltier selbst keinen großen Wiedererkennungswert hat. Genrefans dürfen sich über einige Horrorfilmverweise, unter anderem auf Predator und Alien, freuen, werden aber zumeist mit vertrauten Gruseltaktiken konfrontiert. Anhaltendes Unbehagen empfindet wohl nur, wer schon beim Gedanken an eine Spinne das kalte Grausen kriegt.

Sting (2024)

Nachdem in einer stürmischen Nacht ein mysteriöses Ei durch das Fenster eines heruntergekommenen New Yorker Wohnhauses kracht, entdeckt die 12-jährige, von Comicbüchern besessene Charlotte (Alyla Browne) eine merkwürdige kleine Spinne. Von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater Ethan (Ryan Corr) fühlt sich der rebellische Teenager alleingelassen – und findet in dem Achtbeiner, den sie liebevoll Sting tauft, einen neuen Freund. Doch je mehr Charlottes Faszination für Sting wächst, desto größer wird auch das Krabbeltier. Und sein Durst nach frischem Blut wird unersättlich …

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