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Ein familiäres Trauma und rachsüchtige Waldgeister klopfen an die Tür, als ein ungleiches Geschwistertrio den Nachlass seiner Eltern regeln will. Was mit mangelnder Kommunikation und Lügen sehr atmosphärisch beginnt, nimmt irgendwann die Abzweigung zum konfus-knalligen Horrortreiben.

The Knocking (2022)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Ruf des Waldes

Wir kennen das. Immer wieder verschlägt es Horrorfilmfiguren ins Nirgendwo, in die hinterste Pampa. Dorthin, wo Hilfe fern ist und dunkle Schatten leichtes Spiel haben. Auch „The Knocking“, das Spielfilmregiedebüt des Werbespezialisten Joonas Pajunen und des Schriftstellers Max Seeck, nutzt das Hinterland als Schauplatz einer Spukgeschichte. Tief im Wald liegt das Elternhaus der Geschwister Matilda (Saana Koivisto), Maria (Inka Kallén) und Mikko (Pekka Strang), das zu allem Überfluss nur mit einer Fähre erreichbar ist. Viel weiter weg von der finnischen Zivilisation kann es eigentlich nicht mehr gehen – dieser Eindruck setzt sich schon nach wenigen Minuten fest.

Warum die drei ihr altes Heim aufsuchen? Das Erbe ruft! 15 Jahre nachdem ihr Vater (Niko Saarela) in einer sturmumtosten Nacht ermordet wurde, ihre Mutter (Olga Temonen) spurlos verschwand und die Polizei Nesthäkchen Matilda völlig verängstigt in einem Käfig vorfand, steht der Verkauf des familiären Anwesens an, zu dem auch eine riesige Waldfläche gehört. Vom Start weg liegt etwas Ungemütliches über den fast farblosen Bildern. Offenkundig haben sich Matilda, Maria und Mikko schon länger nicht mehr gesehen. Der Austausch stockt, fällt schwer, wirkt gezwungen. Und wie sich sehr früh andeutet, nehmen es die Geschwister mit der Wahrheit nicht allzu genau.

Eine Vogelperspektive und ein unheimliches Grollen auf der Tonspur künden bei der Anfahrt zum Zielort von drohendem Unheil. Zunächst geht das Regiegespann aber erfreulicherweise nicht in die Vollen, sondern konzentriert sich auf die dysfunktionalen Beziehungen, das Misstrauen, die sorgsam gehüteten Geheimnisse der sichtbar widerwillig angereisten Hauptfiguren. Vieles liegt im Argen. Kein Wunder, haben doch die schrecklichen Ereignisse aus der Vergangenheit tiefe Spuren hinterlassen. Dass es schon vor der blutigen Nacht keineswegs gut um den Familienalltag bestellt war, illustrieren Flashbacks, in denen der kühle, herrische Vater ein Klima des Unbehagens verbreitet. Zwischen ihm und seiner Frau, die eine Ader für die Mystik des Waldes hat, besteht unübersehbar keine Bindung mehr.

Wohldosiert mischen Joonas Pajunen und Max Seeck in das Ringen mit dem Trauma, in die Auseinandersetzungen einige klassische übernatürliche Elemente, spielen mit der Furcht vor Dunkelheit und Einsamkeit. Fernab von anderen Menschen verstricken sich die Geschwister unaufhaltsam, werden zu Opfern einer im Wald lauernden Macht. Spannend ist die Idee, Mikko auf dem Gebiet der Dendrologie forschen zu lassen. Obwohl er sich von Berufs wegen mit Bäumen und Gehölz auskennt, wie ein Detektiv aus ihrer Maserung Rückschlüssen zieht, begegnet gerade er der Natur rund um das Elternhaus erstaunlich rücksichtslos. Unter dem Strich hätte man seine Profession noch mehr in die Handlung einbetten, ihr eine größere Bedeutung geben können. Ein wenig bleibt sie nämlich in der Luft hängen.

In seiner Wirkung lässt das Schauerstück ausgerechnet dann nach, wenn es am meisten Gänsehaut verbreiten sollte. Der letzte Akt bemüht sich, künstliches rotes Licht einsetzend, um eine surreale Atmosphäre, wird dabei aber plumper, aufdringlicher und lässt Gegenwart und Vergangenheit auf chaotische Weise ineinanderfließen. Weckten der Schmerz, die Ängste und die persönlichen Probleme der Protagonist*innen vorher echtes Interesse, verliert man nun ein wenig den Bezug – und wird daher vom düsteren Schlusspunkt auch nicht so sehr durchgeschüttelt, wie es Pajunen und Seeck lieb sein dürfte. Was außerdem etwas verlorengeht, ist der ökologische Gedanke, der hinter der Erzählung durchscheint. Als Alternative zum oft plärrenden Genretreiben aus Hollywood ist The Knocking sicherlich einen Blick wert. Irgendwo tief in den finnischen Wäldern versteckt sich allerdings ein noch besserer Film, den man aus diesem Stoff hätte zimmern können.

The Knocking (2022)

Nach 15 Jahren kehren die ungleichen Geschwister Maria, Mikko und Matilda in ihr Elternhaus inmitten der finnischen Wälder zurück. Ihre dunkle Vorgeschichte hat das Trio stark voneinander entfremdet und tiefe Wunden hinterlassen: In einer folgenschweren Nacht wurde der Vater der Drei brutal ermordet und Matilda, das jüngste Kind, in einem kleinen Käfig eingesperrt aufgefunden. Die Mutter gilt seit jenem Vorfall als vermisst. Doch anstatt gemeinsam mit der Vergangenheit abschließen zu können, wird aus dem Ausflug der Geschwister bald zum Horrortrip. Als die Dunkelheit hereinbricht, beginnen sich die Ereignisse aus Kindheitstagen zu wiederholen, und niemand ist mehr sicher.

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