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In „Sultanas Traum“ kombiniert Isabel Herguera die Geschichte einer jungen Künstlerin aus Spanien mit dem Lebenswerk einer bengalischen Pionierin.

Sultanas Traum (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Ein erträumter Schutzraum

Ein Ort, an dem die Frauen das Sagen haben und alle wichtigen Entscheidungen treffen, während die Männer im Hintergrund bleiben. Das lässt eventuell an den aktuellen Mega-Blockbuster „Barbie“ von Greta Gerwig denken. Doch bereits in der 1905 (!) verfassten Science- und Social-Fiction-Story  Sultanas Traum von Rokeya Sakhawat Hussain (aka Begum Rokeya) wurde eine solche Welt geschaffen. Die 1880 geborene und 1932 verstorbene bengalische Aktivistin und Schriftstellerin war eine der ersten Frauen, die einen Beitrag zu diesem Genre veröffentlichen konnten. Kurz darauf gründete die Autorin ein Mädchengymnasium, das bis heute in Kalkutta existiert.

In ihrem animierten Langfilmdebüt Sultanas Traum greift die Regisseurin Isabel Herguera, die auch als Professorin für Animation an der Kunsthochschule für Medien in Köln tätig ist, das Leben und die vor beinahe 120 Jahren geschriebene Novelle von Begum Rokeya auf und verbindet beides mit einer Coming-of-Age-Erzählung um eine spanische junge Frau. Das Drehbuch, das sie zusammen mit Gianmarco Serra entwickelte, ist von persönlichen Erfahrungen inspiriert.

Im Mittelpunkt steht Inés, eine Animationskünstlerin und Filmemacherin, die sich in Indien aufhält. Zu Beginn sehen wir, wie die Protagonistin den dortigen Alltag kennenlernt. In einem Taxi wird sie im Verkehrschaos durch die verregneten Straßen gefahren; später stöbert sie in einer Buchhandlung nach feministischer Literatur und wird so auf eine Ausgabe von Sultanas Traum aufmerksam.

Herguera und ihr kreatives Team lassen das Universum des Buchs daraufhin zum Leben erwachen und uns gemeinsam mit Inés darin eintauchen. Uns werden die Entstehung und die Regeln von Ladyland erklärt – einer utopischen Welt, in der sich die Männer nach einem verheerenden Krieg nur noch in der häuslichen Sphäre bewegen dürfen, und in der sich die Frauen um Politik und Wissenschaft kümmern.

Im Laufe der inneren und äußeren Reise, die Inés unternimmt, kommen diverse Animationsstile zum Einsatz. Der narrative Rahmen um Inés wird uns in handgezeichneter 2D-Animation in Aquarelloptik präsentiert. Die Ladyland-Episode kommt wiederum im indischen Stil von Mehndi-Tattoos daher, während Begum Rokeyas Biografie in der Art und Weise des Schattentheaters in Szene gesetzt ist.

Die spanisch-deutsche Co-Produktion steckt voller Details. Wenn Inés mit ihrer Mutter in Donostia-San Sebastián eine Ausstellung besucht oder ihren Vater, der ebenfalls als Filmemacher tätig ist und bei einer gemeinsamen Autofahrt von Michelangelo Antonioni schwärmt, an ein Filmset in einem Studio begleitet, wo gerade ein aufwendiges Monumentalwerk entsteht, wird die Liebe zur Kunst im familiären Umfeld der Heldin vermittelt. Auch für Inés’ ausführliche Recherchen, wenn sie sich mit Begum Rokeya höchstpersönlich unterhält oder sich in der Bibliothek einer philosophischen Fakultät mit Fachliteratur befasst, und für Inés’ (Fern-)Beziehung zu dem unbekümmerten Amar findet Herguera schöne Bilder.

Die Kernaussage von Sultanas Traum führt indes immer wieder zurück zu dem Safe Space, den Begum Rokeya vor langer Zeit imaginierte – und dessen Notwendigkeit auch heute noch besteht. Es gebe keinen Ort auf der Welt, an dem Frauen sicher seien, meint Inés im Gespräch mit Begum Rokeya. Der Film macht deutlich, dass sich die geschilderten Probleme nicht auf ein Land oder einen Kontinent beschränken, sondern universell sind.

Gesehen beim Internationalen Filmfestival von San Sebastián.

Sultanas Traum (2023)

Inés ist eine spanische Künstlerin, die in Indien lebt und in einer Buchhandlung auf „Sultanas Traum“ stößt, einer feministischen Science-Fiction-Novelle von 1905. Die Novelle erzählt von dem utopischen Ort Ladyland, wo Frauen das Land regieren während Männer ungebildet zu Hause bleiben und sich um die Hausarbeit kümmern. Dieses visionäre Werk fesselt Inés sofort und sie beginnt ihre weite Reise auf der Suche nach einem Ort, an dem Frauen in Frieden leben können.

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