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„Suitable Flesh“ ist frech, blutig, nostalgisch und albern. Als Lovecraft-Adaption dürfte der Film nicht allen gefallen, ist aber definitiv eine Spaßgranate.

Suitable Flesh (2023)

Eine Filmkritik von Rahel Schmitz

Lovecraft neu interpretiert

Adaptionen von H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten haben in der Filmwelt Konjunktur. Seit Roger Corman 1963 mit „Die Folterkammer des Hexenjägers“ erstmals ein Werk des amerikanischen Schriftstellers verfilmte, wuchs die Zahl der Umsetzungen im Film- und Serienformat stetig. Insbesondere seit „Die Farbe aus dem All“ (2019) wächst das Interesse an solchen Adaptionen erneut. Nun legt ein altbekanntes Dreamteam des Lovecraft-Films mit „Suitable Flesh“ eine Umsetzung von „Das Ding auf der Schwelle“ vor.

Als der junge, verstörte Asa (Judah Lewis) eines Tages in der Praxis der Psychiaterin Dr. Elizabeth Derby (Heather Graham) auftaucht, steht für sie schnell fest, ihren geheimen Traumpatienten gefunden zu haben. Asa behauptet, sein Vater Ephraim wolle von seinem Körper Besitz ergreifen – für Derby ein eindeutiger Fall einer dissoziativen Identitätsstörung. Sie lässt sich auch nicht davon abschrecken, als Asa einen plötzlichen Krampfanfall erleidet und sich von einem Moment auf den anderen völlig anders gibt. Aus dem schüchternen, verstörten Jüngling wird plötzlich ein aalglatter, herausfordernder Schürzenjäger. Von dessen Charme und Attraktivität lässt sich Derby fernab jeder Professionalität in den Bann ziehen. Dabei verliert sie die Kontrolle über sich und ihren Körper – in jederlei Hinsicht.

Wer Filme wie Herbert West – Reanimator und From Beyond gesehen hat, wird in den Credits von Suitable Flesh zahlreiche Namen wiedererkennen. Der Film ist dem 2020 verstorbenen Stuart Gordon gewidmet, führt Barbara Crampton als Produzentin und Brian Yuzna als Executive Producer auf, während das Drehbuch von Dennis Paoli stammt. Crampton arbeitet bei diesem Film nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera und schlüpft in die Rolle von Dr. Daniella Upton, Derbys naher Freundin. Somit hat sich für Suitable Flesh das Dreamteam zusammengefunden, das auch die beiden vorher erwähnten berühmt-berüchtigten Lovecraft-Verfilmungen realisierte.

Tatsächlich kann dieser Film, bei dem Joe Lynch Regie führte, nicht verheimlichen, dass er der geistige Nachfolger der Stuart-Filme ist. Zwar wurde Suitable Flesh mit moderner Filmtechnologie produziert, ästhetisch orientiert er sich jedoch eindeutig am Flair der 80er-Jahre. Insbesondere die Gore-, Sex- und Slapstick-Momente fügen sich in die Tradition der B-Movies dieser Ära ein. Suitable Flesh will offensichtlich eins sein: eine campige Lovecraft-Verfilmung.

Trotz aller Glorie birgt der Film auch einige Schwächen. Seinen beiden Hauptdarstellerinnen Heather Graham und Barbara Crampton hätte das Drehbuch mehr zutrauen dürfen; beide Schauspielerinnen brillieren in ihren teils verstörenden und verrückten Rollen, müssen aber stellenweise aufgrund des Skripts mit angezogener Handbremse agieren. Auch wirkt die Handlung an einigen Stellen chaotisch und zu überdreht. Da der Film sich jedoch an keiner Stelle wirklich ernst nimmt, lässt sich das leicht ignorieren.

Als literarische Vorlage des Films diente Lovecrafts Kurzgeschichte Das Ding auf der Schwelle (1937). Sie gilt als eins der schwächeren Werke des Schriftstellers und ist mit ihrem Körpertausch-Sujet zugleich recht skurril. Zwar erlaubt sich Suitable Flesh viele Freiheiten in der filmischen Umsetzung, ist aber genau deswegen eine adäquate Adaption. Die Story spielt in der Gegenwart, und das Geschlecht der meisten Charaktere wird umgekehrt. So wird aus dem männlichen Edward Derby die weibliche Psychiaterin Elizabeth; aus der Hexe Asenath wird der attraktive Asa. Dadurch sind die Hauptfiguren des Films allesamt weiblich – völlig undenkbar in einer Lovecraft-Geschichte und umso erfrischender im Film. Auch gelingt es dem Film durch diesen Handgriff, den Flair eines 90er-Jahre-Erotikthrillers wie Basic Instinct zu entfalten. Auch das hat mit Lovecraft auf den ersten Blick wenig zu tun – doch die sexuellen Nuancen, die im Film in den Vordergrund gerückt werden, schwingen in vielen seiner Geschichten subtil mit.

Suitable Flesh mag kein Meisterwerk sein, aber es ist eine unterhaltsame Spaßgranate mit viel Nostalgie, die sowohl ihrer literarischen Vorlage gerecht wird als auch diese auf interessante Weise modernisiert.

Suitable Flesh (2023)

Eine Psychiaterin ist besessen von einem ihrer jungen Patienten mit multipler Persönlichkeit.

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