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In „Monolith“ von Julius Schultheiß folgen wir einem Mann durch Berlin – und erahnen erst langsam, was hier eigentlich vor sich geht.

Monolith (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

24 Stunden

Es beginnt in geselliger Runde. Eine Gruppe von Personen bereitet gemeinsam Essen zu und sitzt gemütlich zusammen am Tisch. Die überlappenden Dialoge lassen an die Filme von Robert Altman denken, in denen es ebenfalls meist weniger um das geht, was genau gesagt wird – sondern vielmehr darum, wie durch die Wortwechsel in ihrer Menge und in ihrer nicht immer zielgerichteten Art eine authentische Anmutung entsteht. Die Leute in dieser Clique reden über das, worüber tendenziell hippe Menschen in Berlin nun mal so reden.

Samir (Thomas Halle) ist Teil dieser Clique. Er ist der Protagonist von Monolith, dem neuen Werk des 1985 in Marburg geborenen Regisseurs Julius Schultheiß nach dessen Debüt Lotte, das 2016 beim achtung berlin Filmfestival den Hauptpreis gewann – wie nun auch in diesem Jahr der Nachfolger. Beide Filme liefern ein betont schroffes Porträt der deutschen Hauptstadt und zeigen ungeschöntes urbanes Leben. Dennoch unterscheiden sich die beiden Geschichten in einem Punkt ganz entschieden voneinander – nämlich in der Gestaltung der zentralen Figur.

Während die von Karin Hanczewski verkörperte Titelheldin in Lotte mit all ihren Ecken und Kanten im Rahmen einer tiefen Charakterstudie beleuchtet wurde, bleibt Samir in Monolith bewusst eigenschaftslos. Ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Es gibt, wie Schultheiß selbst es in einem Statement ausdrückt, „eine lang anhaltende Ungewissheit über die Vergangenheit, Wünsche und Ziele des Protagonisten“. Nach jenem abendlichen Treffen unter Freund:innen beginnt Samirs Nachtschicht – und erst allmählich begreifen wir, was Samir überhaupt tut und weshalb er diese seltsame Verlorenheit und Bedrücktheit ausstrahlt.

Über einen Zeitraum von 24 Stunden folgen wir ihm. Es sei wichtig, „zwischen denen und Ihnen“ sauber zu trennen, heißt es an einer Stelle. „Spielen Sie Ihre Rolle – und spielen Sie sie gut!“, wird Samir geraten. Und immer wieder stellen Leute, denen er begegnet, fest: „Du siehst müde aus!“ Offenbar hat Samir eine Ex-Frau, die sich nicht unbedingt freut, wenn er plötzlich auftaucht. Und er hat ein Kind mit ihr, das er wohl nicht (mehr) oft sieht. Außerdem ist da, wie es scheint, eine Geliebte, die irgendwann anfängt, Fragen zu stellen.

Der Plot bleibt bruchstückhaft. Samirs Kumpel Basil meldet sich nicht mehr, nachdem er am Abend aufgebrochen ist. Samir folgt einer Frau durch den U-Bahnhof, bis es zu einer heftigen Auseinandersetzung kommt. „Na, du Gespenst!“, wird er von einem Mann begrüßt, den er herbeiruft, als es Probleme gibt. Wenn Samir in einer Szene eine verschlüsselte Nachricht in einem alten, zerfledderten Buch aus einem öffentlichen Bücherschrank entziffert, kommt unweigerlich das US-Paranoia-Kino der 1970er Jahre in den Sinn.

Schultheiß inszeniert das Geschehen in größtenteils rauen Bildern mit subtiler Spannung. Überwiegend ist die audiovisuelle Umsetzung nah an der Realität; gelegentlich kommen jedoch auch Zeitlupen, die mit dramatischer Musik unterlegt sind, zum Einsatz, um das Ganze zu verfremden.

Ein Verlust in seinem persönlichen Umfeld habe ihn dazu bewogen, diesen ruhigen und existentialistischen Film zu machen, meint der Regisseur. Er nimmt uns in Monolith mit in eine sehr einsame Parallelwelt mitten im pulsierenden Berlin. Die Gruppe, die wir am Anfang erleben, scheint für Samir zu den wenigen Bezugspunkten zu einem Alltag, zu einem Dasein außerhalb der Dunkelheit zu gehören. Wir sehen einen Menschen, der sich binnen 24 Stunden mehr und mehr zu verlieren droht.

Monolith (2023)

Der Film handelt von Samir, der sich, von Müdigkeit gezeichnet, durchs nächtliche Berlin bewegt. 24 Stunden werden wir ihm folgen. Um eine drohende Gefahr abzuwenden, muss Samir in seinem näheren Umfeld nach Beweisen suchen. Dabei trifft er Personen, die ihm mehr und mehr seine schwindende Existenz vor Augen führen. Als Samir erkennt, dass er allein nicht weiterkommt, taucht der mysteriöse Henry auf und bietet ihm eine Lösung, die nicht ohne Opfer auskommt.

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