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Popkulturelles Idol und Richterin am obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten – Julie Cohen und Betsy West widmen sich dem Leben und Wirken der gefühlt letzten Bastion der Frauenrechte: Ruth Bader Ginsburg.

RBG - Ein Leben für die Gerechtigkeit (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Ausdauer bringt Fortschritt

Die Aufregung war groß, als im November 2018 bekannt wurde, dass sich Justice Ruth Bader Ginsburg drei Rippen gebrochen hatte. Bei Twitter gab es neben Genesungswünschen sofort Angebote, dass man drei von seinen Rippen spenden würde, falls es nötig sei. Denn nicht erst seit der Kavanaugh-Anhörung ist Supreme Court Ruth Bader Ginsburg in den Meinungen vieler die letzte Bastion vor der Aushöhlung der Gleichstellung insbesondere der Geschlechter. Die 1933 geborene Juristin muss durchhalten, bis wieder ein demokratischer Präsident gewählt werde – ihren Willen dazu hat sie bereits bekundet.

Eine einfache Grafik in dem Dokumentarfilm RBG verdeutlicht ihre Bedeutung und macht die gesellschaftliche und politische Entwicklung in den USA sinnfällig: Als Ruth Bader Ginsburg 1993 an den Obersten Gerichtshof berufen wurde, galt sie als moderat und auf einem Bild aller RichterInnen wurde sie in die Mitte gesetzt. Doch durch die Nachbesetzungen vakanter Posten u.a. durch George W. Bush rückte sie stetig weiter nach links. Mittlerweile ist sie meist in der Minderheit bei den Urteilen und veröffentlichte zahlreiche dissents, die der Mindermeinung Ausdruck verleihen. Sie sind es, die zu einem großen Teil dazu beigetragen haben, dass ihr Name noch bekannter wurde.

Ruth Bader Ginsburg ist mittlerweile weit mehr als eine Richterin: Sie ist eine Ikone der Gleichberechtigung, sie ein Popstar, Notorious RBG nannte sie ein Buchtitel. Am Anfang des Films RBG von Julie Cohen und Betsy West erklingen all die Beschreibungen, die sie im Verlauf ihrer Karriere hören musste. Sie sei eine „disgrace“, „devil“, „demon“ und eine Bedrohung für die USA, ist aus konservativen Mündern zu hören – damit ist ein Film über eine außergewöhnliche Frau eingeläutet, in dem klar herausgearbeitet wird, dass für Ruth Bader Ginsburg Fortschritt über Urteile zu erlangen war. Sie hat nicht lautstark protestiert, sie hat keine Revolution angezettelt, sondern sich mühsam und jahrelang von Urteil zu Urteil gearbeitet. 

Geboren am 15. März 1933 in Brooklyn beschreiben sie Kindheitsfreundinnen als ruhige Person, die stets gut zuhörte. Ihre Eltern legten Wert auf schulische Leistungen und Ruth ging nach der High School auf die Cornell University. Hier lernte sie ihren Mann Martin Ginsburg kennen – und wurde schließlich eine von neun Frauen, die in Harvard Rechtswissenschaften studierte. Außerdem kümmerte sie sich um ihre Tochter, pflegte ihren Mann, der an Hodenkrebs erkrankte und genas. Als er nach seinem Abschluss nach New York ging, um dort als Steueranwalt zu arbeiten, wechselte sie an die Columbia University, machte einen hervorragenden Abschluss – und fand keine Stelle. Die großen Rechtsfirmen, so wird ein Freund in dem Film zitiert, stellten schlichtweg keine Frauen ein. 

Leider wird im Film nicht herausgearbeitet, wie Ruth Bader Ginsburg damit umging und welchen Einfluss diese Erfahrung auf sie hatte. Stattdessen springt der Film ins Jahr 1971, als sie – mittlerweile Professorin an der Columbia – für das Women’s Rights Project der American Civil Liberties Union zu arbeiten begann. Es ist ihre eigene Anhörung vor dem Justizausschuss vor ihrer Berufung an den Supreme Court, den RBG als Rahmen wählt, um an wichtige Entscheidungen des und Verhandlungen vor dem Supreme Court zu erinnern. Damit wird zweierlei deutlich: die Ruhe und Prägnanz, mit der Ruth Bader Ginsburg teilweise als kontrovers angesehene Verfahren und Urteile kommentiert, und wie weit der Weg ist, den die Gleichstellung schon zurückgelegt hat. 

Der Film umreißt das Leben und die Karriere von Ruth Bader Ginsburg, dabei gelingt ihm mit einer konventionellen Mischung aus Talking Heads, Ausschnitten aus privatem und öffentlichen Archivmaterial sowie Fotos eine einnehmende Hommage. Es ist völlig klar, dass die Sympathien der Filmemacherinnen der Porträtierten gehören und sie ihre Überzeugungen nicht nur teilen, sondern auch davon ausgehen, dass es dem Publikum ebenso geht. Dadurch bleiben manche Leerstellen, die erste Frau am Supreme Court, Sandra Day O’Connor, wird beispielsweise kaum beachtet. 

In jeder Behandlung von Ginsburgs Leben ist zudem die Frage interessant, wie mit der Rolle ihres Ehemanns umgegangen wird. Von Anfang an war er überzeugt, dass Frauen und Männer gleichgestellt sind. Und nicht nur das: Er war ein extrovertierter, charmanter Mann, der gerne Witze machte und Menschen unterhielt. Damit war er die perfekte Ergänzung zu seiner eher stillen, sehr fleißigen Frau. Er gab seinen Job auf, damit sie in Washington ans Berufungsgericht gehen konnte, er tat, was von Ehefrauen erfolgreicher Männer erwartet wird. Es gelingt den Filmemacherinnen, sowohl seine Bedeutung für die Karriere von Ruth Bader Ginsburg zu markieren als auch erkennen zu lassen, dass sein Verhalten nur außergewöhnlich war, weil er ein Mann war. 

RBG liefert einen guten Überblick über das Leben der Richterin und Meilensteine in der Frauenbewegung der USA. Dazu stellt sich am Ende das Gefühl ein, dass dieses Leben noch Stoff für viele Filme bietet und es noch zahlreiche Seiten und Urteile gibt, die es zu erforschen gilt. Außerdem sorgt die Haltung der Filmemacherinnen auch dafür, dass man inmitten einer Phase der Gesellschaft, in der Rechte, die für selbstverständlich gehalten wurden, unter Beschuss geraten sind, erinnert wird, wie hart sie erkämpft wurden. Und dass dieser Kampf noch lange nicht zu Ende ist. 

RBG - Ein Leben für die Gerechtigkeit (2018)

Ruth Bader Ginsburg war über viele Jahrzehnte hinweg Richterin am obersten Gericht der USA, dem Supreme Court — und schaffte es zugleich, dank ihrer Willensstärke auch ein Bestandteil der Popkultur der USA zu werden. In ihrem Film „RBG“ zeichnen Julie Cohen und Betsy West das Leben und die Karriere der streitbaren Juristin nach. Der Film feierte seine Premiere im Januar 2018 beim renommierten Filmfestival in Sundance.

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