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Nene und Ava sind Schwestern. Sie sind sich nah. Zu nah womöglich. Zu symbiotisch. Oder macht diese Nähe doch ihr Leben aus? Katinka Narjes erforscht ihre Beziehung.

Nixen (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Zwei Schwestern

Musik erklingt. Eine Frau steht auf einem Teppich. Ihr Fuß kreist auf dem Teppich, er folgt einer Choreographie, so scheint es. Dann hört sie etwas – und stellt sich mit gesenktem Blick neben die Eingangstür eines Hauses. Ein Mann kommt. Er lacht. Sie blickt hoch. Ava (Odine Johnson) springt ihrem Freund Alex (Roland Bonjour) auf den Rücken. Dann hören sie wieder ein Geräusch. Das Kind Sabrina (Emelie Harbrecht) kommt angelaufen, es ist Avas Nichte, die Tochter ihrer Schwester Nene (Lucy Wirth). Sie will im Pool des Paares für ihr Seepferdchen üben, Alex ist genervt, er wusste nicht, dass die Schwester vorbeikommt. Also schiebt er eine Verabredung vor und geht wieder. Fast als wisse er, dass es bei den Schwestern keinen Platz für ihn gibt.

Die Kamera bleibt in dem Haus bei den Schwestern. Erst schwimmen sie, dann spielen sie Verstecken. Immer wieder umkreist die Kamera die drei Spielenden, sie nähert sich ihnen leicht, durchmisst dieses Haus, ohne dass sich eine Orientierung einstellen würde. Vielmehr versinkt sie in diesem Spiel, wird zur Beteiligten in diesem Beziehungsgeflecht, das vom Verstecken und Finden geprägt ist. Dann findet Sabrina in einer Rattankiste eine Kassette. Sie legt sie ein und das Lied vom Anfang erklingt. Es sind Nene und Ava als Kinder, die auf diesem Band zu hören sind. Ava will sich eigentlich nicht erinnern, Nene findet es nicht so schlimm, setzt sich durch, schließlich zeigen die Schwestern sogar, welchen Bewegungen sie damals vollführt haben.

Wenn Nene und Ava dort auf dem Boden sitzen, um Sabrina den Tanz zu zeigen, sieht man sie von hinten. Ihre körperlichen Größenunterschiede sind kaum noch vorhanden, vielmehr wird die Nähe deutlich, die diese Schwestern verbindet. Vielleicht sind sie sich zu nah. Zu eng verbunden. Zu symbiotisch. Schon der Filmtitel deutet es an: Nixen sind Wassergeister, manchmal warnen sie vor Gefahren, manchmal aber bringen sie auch Gefahr und Tod. Ihnen fehlt die Mütterlichkeit der Wasserfrauen, die Erlösung der Meerjungfrauen, vielmehr wird ihnen etwas Zerstörendes, Verschlingendes nachgesagt.

Immer wieder deutet sich auch in Nixen an, dass es womöglich in der Vergangenheit der Protagonistinnen etwas gegeben hat, aber es folgt hier keine Enthüllung. Vielmehr erzählt der Film von der Beziehung zwischen zwei Schwestern und von Machtverhältnissen in einer Beziehung. Dabei glaubt sich Ava stets untergeordnet, das deutet schon das erste Bild an, wenn sie ihren Freund mit einem demütigen Blick erwartet. Jedoch ist sie es, um die sich Nene stets sorgt. Es ist sofort klar, dass Nene die ältere ist, diejenigen, die sich kümmert – weil ältere Geschwister dies tun, das ist die Rolle, die ihnen zukommt. Ava braucht dieses Umsorgen und sehnt sich doch nach Freiheit. Immer wieder will sie sich Freiräume verschaffen und kann doch nicht ohne ihre Schwester. Sie arbeiten sogar zusammen in einem Café, treffen sich für den Hinweg an einer Straßenecke. Manchmal schließt eine von ihnen die Augen, während sie dort auf die andere wartet, fast wie Zwillinge, die überzeugt sind, eine Art telepathische Verbindung zueinander zu haben.

In der Konzentration auf die Beziehung liegt neben den Hauptdarstellerinnen eine Stärke des Films. Er zeigt, dass sich bedingungslose Liebe und Eifersucht nicht ausschließen, dass sich Identität nicht nur über Abgrenzungen, sondern auch über Gemeinsamkeiten definiert, doch dass der Kampf um eine eigene Identität in einer engen Beziehung schwer sein kann. Hinzu kommt die Musik: Eigens für den Film komponiert, drängt sie sich niemals in den Vordergrund. Sie akzentuiert und vertieft, sie betont aber auch das Spielerische und Inszenierte dieses Films.

Für Nene und Ava besteht das Leben vor allem aus sich selbst – und sie sehen nicht darüber hinaus. Auch der Film blickt nicht auf die Welt um diese Schwestern herum, sondern bleibt stets bei ihnen – im Haus von Ava, in dem Café, an der Straßenecke. Nur am Ende bewegt er sich an einen neuen Ort, kurz scheint ein Moment der Ablösung gekommen. Doch dies ist wohl nur eine Finte, ein Erhaschen einer Möglichkeit.

Nixen (2018)

Zwei Schwestern in der Schwebe. In der Jugend gab es für Nene und Ava vor allem das gemeinsame Singen. Jetzt gibt es ein Kind, einen Job im Café, den Partner, die noch immer kritische Mutter. Dann aber arrangiert die eine heimlich einen Auftritt für die beiden. Die andere zerschmeißt aus einem Gefühl heraus ihr Leben. Plötzlich scheint es möglich und nötig, die Blase des schönen Nichts-Wagens zu verlassen. 

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