Log Line

Die ganz großen Gefühle, betrachtet durch den Instagram-Filter: Scott Speer lässt Bella Thorne und Patrick Schwarzenegger eine tragische Love Story durchleiden. Vermag er uns damit auch zu berühren?

Midnight Sun - Alles für Dich (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

(Almost) #Insta-Perfect

Es gibt Filmschaffende, die sich offenbar darin gefallen, das Leben als eine Abfolge von Instagram-tauglichen Bildern zu zeigen. Scott Speer – der Regisseur diverser Musikvideos sowie des Tanzfilms „Step Up – Miami Heat“ (2012) – scheint zu dieser Regie-Gattung zu gehören.

Denn auch sein neues Werk Midnight Sun – Alles für dich setzt auf Oberflächenreize: auf schöne Menschen, die (ebenso wie ihre Umgebung) selbst in Momenten des Schmerzes, im Angesicht von Krankheit, Tod und Trauer noch richtig super aussehen. Man kann in dieser Inszenierungsweise ein trotziges Aufbegehren gegen die Hässlichkeit der Welt sehen – oder auch eine bereitwillige Erfüllung des durchaus legitimen Publikumswunsches, der Wirklichkeit für circa 90 Minuten einfach mal entfliehen zu dürfen.

Gleichwohl sollten Filme dieser Art bei aller Ästhetisierung und bei allem offerierten Eskapismus eines leisten: Sie sollten die handelnden Figuren sowie die Schauplätze, an denen diese sich bewegen, nicht wie Objekte aus der Retorte erscheinen lassen, zu denen es kaum Berührungspunkte für die Zuschauer_innen gibt. Arthur Hillers Melodram Love Story (1970) ist dank kitschfreier Darstellung des Beziehungsalltags zwischen dicken Lehrbüchern und Erdnussbutterbroten ein Positivbeispiel; die etlichen Nicholas-Sparks-Adaptionen mit ihren austauschbaren Held_innen, Kalenderweisheiten und pittoresken Naturaufnahmen sind hingegen ganz eindeutige Negativbeispiele.

Midnight Sun liegt letztlich irgendwo dazwischen, ist den glatten Sparks-Verfilmungen aber doch etwas näher als dem angenehm kantigen, fast 50 Jahre alten Schmachtfetzen. Auch fehlt dem Werk die Selbstironie von neueren Jugenddramen wie Das Schicksal ist ein mieser Verräter (2014), die sich in ihren Dialogen dezidiert von sentimentalen Geschichten mit hübschen Leuten im Zentrum abgrenzen (obwohl sie selbst im Endeffekt natürlich genau das liefern).

Speers Werk ist ein Remake des japanischen Films Taiyô no uta (2006) und wird das westliche Publikum wohl vor allem an Stella Meghies Young-Adult-Romanadaption Du neben mir (2017) erinnern. Deren Protagonistin konnte das Haus auch nicht verlassen, woran das Aufkeimen einer jungen Liebe zu scheitern drohte. In Midnight Sun ist die auf einem genetischen Defekt beruhende, unheilbare Hautkrankheit Xeroderma pigmentosum (kurz XP), unter der die 17-jährige Katie (Bella Thorne) leidet, der Grund für ein beinahe isoliertes Dasein: Ihre extreme Empfindlichkeit gegen Sonnenlicht verhindert, dass Katie tagsüber nach draußen gehen darf. Im Leben von Katie gibt es deshalb eigentlich nur deren fürsorglichen Vater Jack (Rob Riggle), der sie von zu Hause aus unterrichtet, sowie die freigeistige beste Freundin Morgan (Quinn Shephard); Katies Mutter starb – wie so viele Filmelternteile – vor Jahren durch einen Verkehrsunfall.

Seit langer Zeit beobachtet Katie von ihrem abgedunkelten Fenster aus einen Jungen, der regelmäßig mit seinem Skateboard an ihrem Haus vorbeifährt – und plötzlich, am Tag des Highschool-Abschlusses, steht Charlie (Patrick Schwarzenegger) vor Katie, als diese am späten Abend am örtlichen Bahnhof auf der Gitarre spielt und einen ihrer selbst geschriebenen Songs singt. Es ist der Beginn einer großen Teenagerliebe – doch Katie verschweigt Charlie ihre Krankheit, aus Angst, er könne sie für einen „Freak“ halten.

Skript und Regie verlassen sich im Laufe der Handlung allzu oft auf Standardsituationen, die weder gebrochen noch irgendwie originell variiert werden: Der erste Kuss am nächtlichen Hafen, ein städtischer Ausflug mit Live-Konzert, gemeinsames Schwimmen im Ozean mit anschließendem Kuscheln am Lagerfeuer – das ist leider alles um eine Spur zu bieder, um reizvoll zu sein. Dass sich Katie und Charlie gegenseitig dazu bringen, ihren Träumen nachzugehen und dafür etwas zu wagen, ist sehr charmant, wird aber ebenfalls zu schablonenhaft erzählt und bebildert. Schade ist zudem, dass sich das Werk nur äußerst oberflächlich mit XP befasst; die Krankheit hat hier lediglich eine dramaturgische Funktion zu erfüllen – für die Lebensumstände von Betroffenen und Angehörigen interessiert sich der Film kaum.

Punkten kann Midnight Sun allerdings damit, dass die Dialoge – insbesondere in der Kennlernphase des Paares – zuweilen ziemlich witzig sind; auch der Beginn des ersten richtigen Dates der beiden auf einer Nerd-Party mit Eis und Chili con Carne ist amüsant. Das zentrale Duo Bella Thorne und Patrick Schwarzenegger (Sohn von Maria Shriver und Arnold) verfügt über die nötige Leinwand-Chemie; gleichwohl hätte es dem Film womöglich gutgetan, wenn die Hauptfiguren optisch etwas weniger dem Barbie-und-Ken-Schema entsprochen hätten.

Was Katie und Charlie sowie Thorne und Schwarzenegger an Kanten vermissen lassen, wird teilweise durch das Nebenpersonal wettgemacht. Rob Riggle – üblicherweise in der Abteilung „brachiale Komik“ (etwa in 21 Jump Street) unterwegs – spielt den von Sorge erfüllten Vater ähnlich bodenständig und sympathisch, wie man es von Billy Burke aus der Twilight-Reihe kennt: Während dieser bei allem Geschmachte und allem Geglitzere dem Geschehen etwas Geerdetes verlieh, sorgt auch Riggle mit seiner Interpretation für eine ordentliche Portion Echtheit. Katies Freundin Morgan ist im (über-)betonten Punk-Girl-Look zwar als Klischee angelegt, wird dank der Darstellerin Quinn Shephard jedoch ebenso zu einem wirksamen Gegengift gegen die seichten Gefilde, in die sich Midnight Sun immer wieder flüchtet.

Midnight Sun - Alles für Dich (2018)

Katie leidet seit ihrer Geburt an einer seltenen Krankheit, die es ihr verbietet zwischen Sonnenaufgang und -untergang das Haus zu verlassen. So hat sie große Teile ihrer Kindheit drinnen verbracht. Als die 17-Jährige eines Sommers auf Charlie trifft und sich verliebt, entscheidet sie sich, ihr Leben endlich in die eigene Hand zu nehmen und sich ganz der Romanze hinzugeben. Der Titel erinnert nicht ohne Grund an den japanischen Film „Midnight Sun“ (Taiyô no uta). Scoot Speers Verfilmung ist ein Remake des Originals.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen