Luna (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Verheißungsvoller Auftakt mit erheblichen Schnitzern

Der Anfang ist vielversprechend, allein schon visuell: Die 17-jährige Luna (Lisa Vicari) ist mit ihren Freundinnen ausgegangen, sie feiern, reden über Jungs, ein ganz normaler Teenager-Abend eben, bei dem die Kamera ihnen folgt. Aber Luna muss am nächsten Tag früh aufstehen und mit ihrer Familie in den Urlaub fahren. Also sitzt sie gegen vier Uhr in der Früh im Auto und fährt mit ihrer Mutter (Bibiana Beglau), ihrem Vater (Benjamin Sadler) und ihrer Schwester Lena zu ihrem Haus in den Bergen.

Mit eindrücklichen Kameraeinstellungen wird diese Bergidylle eingefasst – aber dann zerbricht Lunas Realität innerhalb weniger Minuten: Männer tauchen auf, bedrohen die Familie und reden russisch mit dem Vater. Die Situation eskaliert, es fallen Schüsse, Lunas Eltern und Schwester sterben, sie kann fliehen und sich zu einer Polizeistation retten. Verstört und durchnässt sitzt sie dort, während die Russen auf der Suche nach ihr sind. Eine Kripo-Frau taucht auf, will mit Luna nach München fahren, aber es kommt zu einer weiteren Wendung – und schließlich ist Luna mit Hamid (Carlo Ljubek) auf der Flucht vor dem russischen Geheimdienst, für den ihr Vater gearbeitet hat, bevor er für den BND zum Doppelagenten wurde.

Polit- und Spionagethriller haben in Deutschland ein Glaubwürdigkeitsproblem, solange sie nicht eindeutig im Zweiten Weltkrieg oder Kalten Krieg angesiedelt sind, daran konnten bislang auch der NSU- oder andere Skandale nichts ändern. Tatsächlich wäre es mal an der Zeit, eine Geschichte darüber zu erzählen, wie aktiv Geheimdienste auch hierzulande sind – und hier macht Luna von Khaled Kaissar zumindest einen zaghaften Anfang: Immerhin war ihr Vater Spion für den russischen Geheimdienst, mit Tarnidentität und allem, was dazu gehört. Aber dann wurde er vom BND enttarnt und um seine Familie zu schützen, hat er eingewilligt, gegen die Russen zu arbeiten. Also ist es im Grunde genommen doch wieder eine klassische Konstellation, in der der russische Geheimdienst als Bösewicht erscheint und der BND als träge Behörde, der mit Misstrauen zu begegnen ist. Aber gut, auch aus dieser Ausgangssituation hätte etwas werden können. Aber leider entscheidet sich das Drehbuch von Ulrike Schölles, Ali Zojaji und Alexander Costea für eine Mischung aus Drama und Thriller, die ab einer präzise zu benennenden Szene nicht mehr funktioniert: Luna sitzt im Auto der Polizistin, sie vertraut sich ihr an, aber sie entpuppt sich ebenfalls als Spionin und will Luna mit einer gelben Tüte ersticken. Da taucht Hamid (Carlo Ljubek) auf, Lunas Retter und Helfer. Statt einer Polizistin hat das 17-jährige Mädchen fortan einen Mann an ihrer Seite, der ebenfalls für den russischen Geheimdienst arbeitet, aber mit ihrem Vater eine enge Beziehung hatte und ihr deshalb hilft. Die Chance also, der ganzen Geschichte einen feministischen Dreh zu geben, ist vertan. Ebenso wie die Chance, tatsächlich von einem Kampf gegen die Welt der Geheimdienste zu erzählen. Eine Polizistin hätte die Ausbildung und Möglichkeiten gehabt, mit Luna gegen den russischen Geheimdienst, gegen Mitarbeiter in allen Bereichen, gegen einen Maulwurf im BND vorzugehen. Und sie hätte womöglich auch die Kontakte gehabt, die den finalen Twist wenigstens im Ansatz glaubwürdig gemacht hätten. Stattdessen aber reihen sich nun größere und kleinere Unstimmigkeiten aneinander: Die Strecke, für die Lunas Vater extra früh losfahren wollte, legen die russischen Agenten in sehr kurzer Zeit zurück. Luna nimmt in der Wohnung ihres Helfers Hamid ein Bad und sitzt dann doch mit trockenem Haar auf dem Sofa. Hamid möchte sie mit falschem Pass nach Moskau zu ihrer Großmutter schicken – warum sie dort sicherer vor dem russischen Geheimdienst sein soll, bleibt hier zum ersten und nicht letzten Mal fraglich.

Es ist schade, dass Luna den starken Anfang verspielt – und sich dann in einer bisweilen hanebüchenen Handlung sowie der Unentschiedenheit verliert, ob der Film nun Thriller oder Drama, ob Hamid großer Bruder und Beschützer oder potentielles love interest sein soll. Zudem wird immer wieder das Tempo verschleppt, weil Gespräche über familiäre Hintergründe mehr Gefühl in die Handlung bringen sollen – und augenscheinlich eine 17-Jährige die Hauptfigur ist, die noch nie in ihrem Leben einen Spionagethriller gelesen oder gesehen hat. Gegen all diese Schwächen können auch die guten Darsteller nichts ausrichten, allen voran Carlo Ljubek, der herrlich verknittert und müde wirkt. Deshalb bleibt am Ende nur ein Hoffnungsschimmer: Luna ist das Langfilmdebüt von Khaled Kaissar – und vielleicht gelingt es ihm bei seinem zweiten Spielfilm, den guten Anfang ganz durchzuhalten.
 

Luna (2017)

Der Anfang ist vielversprechend, allein schon visuell: Die 17-jährige Luna (Lisa Vicari) ist mit ihren Freundinnen ausgegangen, sie feiern, reden über Jungs, ein ganz normaler Teenager-Abend eben, bei dem die Kamera ihnen folgt. Aber Luna muss am nächsten Tag früh aufstehen und mit ihrer Familie in den Urlaub fahren. Also sitzt sie gegen vier Uhr in der Früh im Auto und fährt mit ihrer Mutter (Bibiana Beglau), ihrem Vater (Benjamin Sadler) und ihrer Schwester Lena zu ihrem Haus in den Bergen.

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