Love & Mercy (2014)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Achterbahnfahrt eines Genies

Fällt der Name „The Beach Boys“, dürften viele zuerst an Sommer, Sonne, Meer und Surfer-Klänge denken. Mit dem Titel „Surfin‘ USA“ wurde die amerikanische Popgruppe 1961 berühmt und feierte in den folgenden Jahren zahlreiche Charterfolge, wobei ihre Musik Teenagersehnsüchte bediente und ein sorgenfreies Leben beschwor. Dass es nicht bei dieser etwas naiven Haltung blieb, ist vor allem Brian Wilson zu verdanken, dem kreativen Kopf der Truppe, der Mitte der 1960er Jahre auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit gegen den Widerstand einiger Kollegen beschloss, die Band neu auszurichten. Lohn seiner Anstrengungen war das überaus einflussreiche Album „Pet Sounds“, das deutlich reflektierter ausfiel als die früheren Surfer-Platten. Eben diese Übergangsphase wird in Love & Mercy mit einem Abschnitt aus Wilsons Leben kombiniert, in dem der Sänger und Songwriter jegliche Selbstbestimmung verloren hat. Das Ergebnis ist eine Charakterstudie, die sicherlich nicht frei von Schwächen ist, in vielen Momenten allerdings eine enorme Sogwirkung entfaltet.

Die bahnbrechende Surfer-Etappe der Beach Boys wird gleich im Anfangsteil des Films abgehandelt. Erst danach bekommt der Zuschauer die Gelegenheit, Brian Wilson (Paul Dano) näher kennenzulernen. Wie sich sehr schnell zeigt, handelt es sich bei ihm um einen jungen Mann, der vor Einfällen und Tatendrang nur so sprüht, gleichzeitig aber auch unter Versagensängsten leidet. Das Tourneeleben drückt schwer auf seine Nerven, weshalb er eine Auszeit vom Frontgeschehen nimmt und im Studio neue Dinge ausprobieren will. Bei einigen Bandmitgliedern stoßen Wilsons Experimente jedoch auf wenig Gegenliebe, sodass es rasch zu handfesten Diskussionen kommt. Als belastend erweist sich auch das herablassende Verhalten seines Vaters, der Brians Visionen fortlaufend kleinredet. Parallel zu den Konflikten nimmt der Drogenkonsum des jungen Mannes gravierende Ausmaße an.

Unterbrochen werden diese Entwicklungen von Ausflügen in die 1980er Jahre, wo wir einem vollkommen kaputten Wilson (nun: John Cusack) begegnen, der in die Fänge des windigen Therapeuten Dr. Eugene Landy (Paul Giamatti) geraten ist. Der vordergründig wohlmeinende Vormund versorgt den vermeintlichen Schizophrenie-Patienten regelmäßig mit starken Medikamenten und lässt jeden seiner Schritte genauestens überwachen. Erst recht, als der frühere Starmusiker auf die attraktive Autoverkäuferin Melinda Ledbetter (Elizabeth Banks) trifft und sich eine zarte Liebesbeziehung zwischen den beiden anbahnt.

Verglichen mit vielen anderen Biografien, die in Hollywood entstanden, präsentiert sich Love & Mercy durchaus unkonventionell. Statt einer einfachen Chronologie herrscht eine verschachtelte, ineinandergreifende Erzählweise vor, die uns die Person Brian Wilson auf erfrischende Weise nahebringt. Etwas schwächer ist sicherlich der zweite Strang, bei dem der arg gebeutelte Sänger mit der Unterstützung Melindas langsam ins Leben zurückfindet. John Cusack spielt den angeschlagenen Mann überzeugend. Und auch Paul Giamatti hat als freundlich-diabolischer Vormund einige furiose Auftritte. Insgesamt wirkt dieser Abschnitt aber etwas kalkuliert, da Landy beispielsweise komplett einseitig als durchtriebener Antagonist gezeichnet wird.

Geradezu mitreißend sind die Sequenzen aus den 1960er Jahren, die den Protagonisten bei der Arbeit im Tonstudio zeigen. Wilsons unglaubliche Kreativität, seine Experimentierfreude und seine fordernde Leidenschaft werden immer wieder unverstellt in Szene gesetzt und durch die eindringliche Darbietung Paul Danos gekrönt, der sich als talentierter Sänger erweist. Stets auf der Höhe ist der Schauspieler auch dann, wenn Regisseur Bill Pohlad (unter anderem Produzent von 12 Years a Slave) die tiefsitzende Verunsicherung des Bandleaders in den Blick nimmt und sein langsames Abgleiten in Wahn und Paranoia nachzeichnet. Hervorstechend sind dabei nicht zuletzt die wiederkehrenden Tonverfremdungen, die den seelischen Dammbruch bereits früh ankündigen. Abgerundet werden die Passagen aus den 1960er Jahren durch das liebevoll hergerichtete Szenenbild und eine überzeugende Kostümwahl.

Bedauern kann man sicherlich, dass der Film einen Bogen um die ganz großen Abgründe – etwa heftige Drogenabstürze – macht und vielen Nebenfiguren nur wenig Handlungsraum zugesteht, wie ein Blick auf Brians Bandkollegen beweist. Schließlich bleiben sie bis auf seinen Cousin Mike Love (Jake Abel), den wortführenden Kritiker, relativ konturlos. Wer bereit ist, über diese Mängel hinwegzusehen, darf sich dennoch auf eine ungewöhnliche, stellenweise packende Musikerbiografie freuen, die die Hits der „Beach Boys“ aufgreift, ohne sie plakativ auszuschlachten.
 

Love & Mercy (2014)

Fällt der Name „The Beach Boys“, dürften viele zuerst an Sommer, Sonne, Meer und Surfer-Klänge denken. Mit dem Titel „Surfin‘ USA“ wurde die amerikanische Popgruppe 1961 berühmt und feierte in den folgenden Jahren zahlreiche Charterfolge, wobei ihre Musik Teenagersehnsüchte bediente und ein sorgenfreies Leben beschwor. Dass es nicht bei dieser etwas naiven Haltung blieb, ist vor allem Brian Wilson zu verdanken, dem kreativen Kopf der Truppe, der Mitte der 1960er Jahre auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit gegen den Widerstand einiger Kollegen beschloss, die Band neu auszurichten.

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