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Eigentlich steht im Zentrum von „I Feel Pretty“ eine wundervolle Botschaft: Du bist schön, so wie Du bist. Doch reicht eine gute Absicht für einen guten Film?

I Feel Pretty (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Spiegelblicke

Wenn wir uns nur selbst lieben und akzeptieren, wird alles gut. Dann strahlen wir Selbstbewusstsein aus, öffnen verschlossen geglaubte Türen und sogar der heiße, angehimmelte, reiche Prominente findet uns reizvoll. Diese positiven Überlegungen stehen im Zentrum von „I feel pretty“, dem neuen Film mit Amy Schumer, in dem sie sich an einer Komödie über eine unsichere Frau versucht.

Sie spielt Renee Bennett. Renee sieht durchschnittlich aus, betreut die Webseite der edlen Kosmetikmarke Lily LeClair, hat tolle, zuverlässige und bestärkende Freundinnen (Aidy Bryant, Busy Philipps), aber ihr fehlt es an Romantik und Selbstbewusstsein. Ständig vergleicht sie sich mit den anderen, schöneren, schlankeren Frauen, die sie auf der Straße sieht – und schneidet stets schlecht dabei ab. In ihren Augen. Aber dann erleidet sie beim SoulCycle-Training einen Unfall und wacht in dem Glauben auf, sie sei die schönste Frau der Welt. Fortan hält sie ihr mangelndes Selbstbewusstsein nicht mehr davon ab, ihre Träume zu verfolgen: Unbeirrt bewirbt sie sich um den Rezeptionistinnenjob in der Zentrale von Lili LeClair, damit sie bei den Schönen verweilen kann, ermuntert den schüchternen Ethan (Rory Scovel), ihre Nummer zu nehmen und hält sich weder beim Bikini-Contest noch bei Blind-Date-Versuchen ihrer Freundinnen zurück. Allerdings sieht Renee gar nicht anders aus, sie glaubt es nur – und es ist ihr neu gefundenes Selbstvertrauen, das ihre alle Türen öffnet. 

Die klügste Entscheidung in dem Regiedebüt des mit RomComs erfahrenen Autorengespanns Abby Kohn und Marc Silverstein (How to be single, Ungeküsst, Für immer Liebe) ist es, dem Publikum nicht zu zeigen, was Renee im Spiegel zu sehen glaubt. Vielmehr schaut sie sich an und erklärt, dass sie wunderschön sei, der Film aber vermeidet es zu definieren, was unter „Schönheit“ zu verstehen ist. Jedoch erweisen sie sich  in einer anderen Hinsicht als nahezu blind: In jeder anderen Szene dieses Films wird Renee als Besonderheit inszeniert, als jemand, der nicht in diese Welt gehört. Weder zu einem Bikini-Contest, der weniger peinlich gerät als zu befürchten ist, noch in die Welt von Lily LeClair. Alle anderen, sehr schlanken, sehr gestylten Frauen schauen sie auch an, als gehöre sie nicht dorthin. Es ist nicht so, als nähmen sie nicht wahr, dass Renee anders ist und anders aussieht. Es ist einfach so, dass es Renee nicht stört. Sicherlich ist ihr Selbstvertrauen anziehend, aber das reicht für keinen der Blicke, mit denen sie betrachtet wird, aus, um nicht beurteilt zu werden. Es ändert sich also nichts, man muss sich bloß ein dickes Fell zulegen? 

Hinzu kommt, dass bereits der Entschluss, Renee als Rezeptionistin einzustellen und ihr darauf aufbauender Erfolg auf der Absicht des Unternehmens beruht, eine Frau zu präsentieren, die gewöhnlich ist, durchschnittlich. Schließlich will der Konzern eine Drogerielinie auf dem Markt positionieren. Und hier geht die Absicht des Films zum zweiten Mal nicht auf: Selbstvertrauen ist also nur auf den zweiten oder dritten Blick anziehend, vor allem aber bewahrt es nicht davor, schlecht behandelt zu werden. Denn Renee wird weiterhin schlecht behandelt – sie nimmt diese Urteile nur nicht mehr an. Aber weil sie glaubt, dass sie schön ist und diese damit nicht mehr verdient hat. 

Der humane Kern wird hier schon beschädigt, zumal Renee von Anfang an demütigende Missgeschicke nicht erspart bleiben. Vielleicht sollen sie Lacher erzeugen, letztlich aber geben sie den Charakter immer wieder der Lächerlichkeit preis. Außerdem verändert sich auch Renees Charakter, sie wird gemein und herablassend, fühlt sich zu gut für ihre Freundinnen. Sicherlich ist das eine der Lektionen, die Renee zu lernen hat – aber nicht jede Frau, die dem Schönheitsideal entspricht, ist automatisch oberflächlich und arrogant. Und ganz abgesehen davon ist allein die Vorstellung, Amy Schumer verkörpere den Durchschnitt, sehr in Hollywoodmaßstäben gedacht. 

Das bedeutet nicht, dass der Film nicht seine Momente hat: Michelle Williams als disneyhafte Model-Geschäftsführerin von Lily LeClare ist großartig – und es ist wohltuend, sie endlich mal in einer komischen Rolle zu sehen. I Feel Pretty spart außerdem unnötige Neid- und Intrigengeschichten auf dem Karriereweg aus – und hat nicht zuletzt mit Ethan eine interessante männliche Figur geschaffen, die mit den Erwartungen, die an Maskulinität und männliches Verhalten gestellt werden, zu kämpfen hat. 

Aber letztlich fühlt sich die „Liebe Dich selbst“-Botschaft zunehmend hohl und falsch an. Vielleicht wäre hier eine Nummer kleiner besser gewesen: Es ist nämlich auch okay, sich zu verändern. Oder sich einfach nur in Ordnung zu finden. Denn bei aller Aufforderung, seinen Körper selbst zu lieben, wird ihm dann doch immer noch verdammt viel Aufmerksamkeit geschenkt. 

I Feel Pretty (2018)

Renee Bennett weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt, nur durchschnittlich in einer Welt der genetisch Gesegneten zu sein. Nachdem sie von einem Heimtrainer gefallen ist und sich dabei den Kopf gestoßen hat, denkt sie nun, sie sei absolut umwerfend, nur das sie für alle anderen immer noch genauso aussieht. Mit ihrem neugefundenen Selbstbewusstsein klettert Renee plötzlich die Karriereleiter hoch und bekommt endlich Respekt. Doch wird das von Dauer sein?

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