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Ira Sachs’ „Frankie“ erzählt von einer berühmten Schauspielerin, die sich mit ihrer Familie nach Portugal in einen Urlaub zurückgezogen hat. Doch es ist kein üblicher Urlaub, sondern ein Abschied, denn Frankie wird bald sterben. Wie aber verbringt man unter solchen Umständen Zeit miteinander?

Frankie (2019)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Schöner sterben in Portugal

Familienurlaub ist ja meist schon eine delikate Sache, denn in der Entspannung und Exotik des Urlaubsorts kommt es meist dazu, dass die vom Alltag verschluckten Dinge sich ihren Weg bahnen und sichtbar werden. Als sei es nicht schon schwierig genug, versammelt die berühmte Schauspielerin Frankie (gespielt von der berühmten Schauspielerin Isabelle Huppert) in Ira Sachs’ neuem Film ihre komplette Patchwork-Familie aus zwei Ehemännern, diversen Kindern, einem Enkel und ein paar Freunden in Portugal.

Sintra heißt der magische Urlaubsort, der pittoresk und allzu schön die Familienbande umgibt, die sich hier für eine ganz besondere Auszeit getroffen hat. Frankie hat Krebs, es ist eher ein Abschied, als ein fröhliches Beisammensein. Wer Ira Sachs’ Filme kennt, der weiß, dass die vor allem eins bedeuteen: reden. Sachs’ Filme sind bekannt für ihre theaterhaften Momentaufnahmen. Es sind Vignetten, in denen sich Menschen begegnen und reden und zusammen die Komplexität von Leben und Lieben und Leiden und Lust erforschen. In „Frankie“ ist dabei Frankies Mann Jimmy (Brendan Gleeson), der versucht, sich im Anblick des Todes seiner großen Liebe zusammenzureißen, Frankies Sohn Paul (Jérémie Renier), der sich nach Mutterliebe sehnt, aber doch stets nur in Grande-Dame-Manier die Schauspielerin Frankie bekommt. Jimmys Tochter Sylvia (Vinette Robinson) wiederum will sich gerade von ihrem Mann trennen und weiß nicht so recht wie. Und Frankies Freundin Irene (Marisa Tomei), die gerade vom Star-Wars-Set aus Spanien angereist ist, muss sich mit ihrem Freund Greg (Greg Kinnear) herumschlagen, der endlich mit ihr zusammenziehen will.

All diese Figuren verbringen nun einen Tag in Sintra, der vor allem aus vielen Spaziergängen und Momentaufnahmen besteht, in denen sie sich, wie für Sachs üblich, in verschiedenen Konstellationen treffen und Gespräche über das Leben führen. Dabei kommt es zu kleinen und großen Krisen, Verstrickungen und Herzschmerz. Jeder versucht auf seine Weise, mit dem baldigen Tod Frankies klar zu kommen. Nur eins ist verboten: weinen. Das verbietet sich die resolute Matriarchin.

Hatten sich in Sachs’ vorherigen Ensemble-Arbeiten wie Little Men und Liebe geht seltsame Wege oft tiefgreifende und warmherzige Filme entsponnen, so verfehlt Frankie dieses Ziel von Anfang an. Zum einen ist da eine Diskrepanz aus Kultur und Klasse, die schnell und sehr unangenehm auffällt. Frankie und die meisten ihrer Angehörigen sind reich. So reich, dass das 40.000 Euro Armband, das ihr Sohn im Hass einmal in den Wald wirft, nur so halbgar und ganz kurz gesucht wird, bevor man abwinkt und weiter spazieren geht. Wie unverschämt viel Geld und Ignoranz von Privileg bei dieser Familie mit im Spiel ist, wäre vielleicht nicht so sehr aufgefallen, hätte der Film abermals in New York City gespielt. Doch wir sind in Portugal. Einem Land, das lange Zeit und noch immer durch eine Krise geht, die weit entfernt ist von der vornehmen Lebensart von Frankie und Co. Auch wenn diese nun im Sterben liegt — sie stirbt First Class mit Kleidern, Schuhen und allein Schmuck, mit dem sich die durchschnittliche portugiesischer Kleinfamilie wohl locker 5 Jahre über Wasser halten könnte. Überhaupt hinterlässt die Art, wie diese Menschen durch das Dorf schreiten und dessen Schauplätze einzig und allein für ihr Psychodrama nutzen, alsbald wirklich ekelerregend. Und fade ist es obendrein. Denn hier mag sich keine Tiefe entwickeln. Die Vignetten, die Menschen, die Gespräche – sie kommen und gehen, sie sind und bleiben nichts weiter als langwieriges und langweiliges Gerede, das sich selbst sehr wichtig nimmt. Doch hört man einmal genau hin, fällt auf: es wird zwar viel gesprochen, aber letztendlich nichts gesagt. Am Ende des Films weiß man genauso viel wie am Anfang von den Menschen, die da durch die goldene portugiesische Sonne schreiten und seufzen, wie schwierig das Leben doch sei. Auch von der Verzweiflung des eigenen Sterbens ist keine Spur. Huppert schreitet stets starrhüftig durch die Landschaft und zeigt eine Figur, die Kontrolle behalten will über die Situation, ihr Leben und ihre Gefühle.

Doch sie verschafft ihrer Figur keinerlei Nuance, obwohl sie noch am meisten Platz in der Inszenierung wenigstens für ein bisschen Entwicklung bekommt. Doch die Chance vertut sie, während das Drehbuch allen anderen Figuren von Anfang an gar keine einräumt.

So bleibt am Ende von Frankie nur ein gähnendes Achselzucken. Und vielleicht die Erinnerung, an ein wunderschönes Portugal.

Frankie (2019)

Drei Generationen einer Familie machen eine Erfahrung, die ihr Leben verändert, als sie einen Tagesausflug in die malerische Stadt Sintra in Portugal machen. 

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