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Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Supreme Court, genießt im liberalen Teil der US-Gesellschaft großes Ansehen. Schon lange vor ihrer Ernennung kämpfte sie in bahnbrechenden Prozessen der 1970er Jahre gegen die rechtliche Diskriminierung von Frauen. Das Biopic erzählt vom Anfang ihrer Karriere.

Die Berufung - Ihr Kampf für Gerechtigkeit (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ein Präzedenzfall für die Frauenrechte

Vor einem Vierteljahrhundert wurde die Richterin Ruth Bader Ginsburg an den Obersten Gerichtshof der USA berufen. Anders als der deutsche Filmtitel vermuten lässt, geht es in diesem Biopic aber gar nicht um diese Berufung an den Supreme Court, an dem sie auch mit Mitte 80 noch arbeitet, sondern um ihre juristischen Anfänge. Zu Beginn der 1970er Jahre bringt sie als Anwältin einen auf den ersten Blick recht unscheinbaren Fall vor ein Berufungsgericht, in dem einem Mann der Steuerabzug von Pflegekosten verwehrt wird. Mit dieser Verhandlung schafft sie einen Präzedenzfall, um der sukzessiven Abschaffung gesetzlicher Geschlechterdiskriminierung den Weg zu ebnen. Sie findet ihre persönliche Berufung als Frauenrechtlerin, die darum kämpft, dass der Gleichheitsgrundsatz der Verfassung im praktischen Leben Fuß fassen kann.

Der Film der Regisseurin Mimi Leder (Deep Impact) beginnt im Jahr 1956. Auf manche der hoffnungsfrohen Erstsemester der juristischen Fakultät Harvard wirkt die klein gewachsene Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones), als hätte sie sich verlaufen. Nur neun Frauen sind in diesem Jahrgang, aber Ruths strahlender Blick verrät, dass sie sich genau am richtigen Ort für ihre Talente und Interessen begreift. Ruth hat eine kleine Tochter und ihr Mann Marty (Armie Hammer) studiert im zweiten Jahr Jura. Dann erkrankt er an Krebs. Sie besucht auch seine Kurse, tippt seine Arbeiten, damit er weiter studieren kann, wird selbst die Beste ihres Jahrgangs.

Wer den 2018 erschienenen Dokumentarfilm RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit gesehen hat, wird feststellen, wie viel Wert auch dieser Spielfilm auf Realitätsnähe legt. Felicity Jones weist eine physische Ähnlichkeit mit Ginsburg auf, sie hält den Kopf ganz leicht gebeugt, sie strahlt etwas von der biederen, braven Angepasstheit der 1950er Jahre aus. Schon allein, dass der Film den Mut hat, diese junge Frau so unglamourös zu zeigen, beweist, wie viel ihm daran liegt, dem Wesen und Selbstverständnis der realen Person gerecht zu werden. Ruth hat keine charismatische Persönlichkeit, aber sie brennt für die juristische Materie, in die sie sich genauer und fleißiger als die meisten Studenten vertieft.

Ruths Weg als Frauenrechtlerin ist in den bewegten 1970er Jahren dann nicht der wütende, radikale Protest der Straße, sondern das mühsame, kleinteilige Prozessieren vor Gericht. Es gibt im Jahr 1970 nicht weniger als 178 amerikanische Gesetze, die zwischen Geschlechtern unterscheiden und dabei in der Regel die Frauen diskriminieren. Als Ruth den Junggesellen Charles Moritz (Chris Mulkey) mit seiner Klage vor dem Berufungsgericht vertritt, weil er einen steuerlichen Abzug der Kosten für eine Pflegerin seiner alten Mutter fordert, der nur Frauen oder Witwern zusteht, weiß sie, dass es hier um nichts Geringeres als einen Richtungswechsel in der Rechtsprechung geht. Ruths frühere Professoren vertreten vor dem Berufungsgericht die Regierung und wollen verhindern, dass eine Lawine von Gesetzesänderungen losgetreten wird und in der Folge Frauen beispielsweise Zugang zu zahlreichen Berufen bekommen. Ihre Argumentationslinie lautet, die gesetzliche Ungleichbehandlung der Geschlechter entspräche der natürlichen Ordnung und diene dem Schutz der Familie.

Das Drehbuch des Spielfilms hat Ruth Ginsburgs Neffe Daniel Stiepleman verfasst. In vielen vorbereitenden Gesprächen hat ihm seine Tante eingeschärft, dass sie Wert auf korrekte Darstellung der juristischen Inhalte legt. Der Prozess vor dem Berufungsgericht steht im Mittelpunkt des spannenden Films. Die Rede, mit der Ruth die drei männlichen Richter überzeugen will, gerät zum Höhepunkt in Form eines flammenden Plädoyers, den gesellschaftlichen Wandel nicht durch veraltete Gesetze zu behindern. So wird der Film zum überzeugenden Gerichtsdrama und ist zugleich doch so viel mehr. Er zeigt nämlich, wie ein allgemeiner Bewusstseinswandel ganz praktisch initiiert wird, von einzelnen Personen, die sich gerade mit einem sehr widerstrebenden, sehr konträren Umfeld herumschlagen.

Natürlich sind Parallelen zur Gegenwart erkennbar, etwa wenn Ruth ihre jugendliche Tochter Jane (Cailee Spaeny) dafür bewundert, wie selbstbewusst sie die sexistische Anmache zweier Straßenarbeiter kontert. Ruth bekommt immer zu hören, die Zeit sei noch nicht reif für die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter, aber sie erkennt, dass jemand den ersten Schritt wagen muss. Sie holt für den Fall Moritz die Bürgerrechtsorganisation ACLU ins Boot, aber deren Rechtsvorstand Mel Wulf (Justin Theroux) traut ihr nicht zu, den Fall zu gewinnen. Er fordert schließlich, dass Ruth und ihr Mann, ein angesehener Steueranwalt, sich die Redezeit vor Gericht teilen. Marty arbeitet bereits an dem Fall mit. Er besitzt Erfahrung im Umgang mit Gerichten und kommt menschlich gut an. Dennoch wird nicht er es sein, der das Gericht zum Umdenken bewegt.

Mit leichter Hand skizziert und dennoch treffsicher schildert der Film auch die Szenen dieser fortschrittlichen Ehe. Einmal, als junges Paar, besuchen Ruth und Marty eine Party und ein paar Männer gratulieren ihr als der Frau dieses Staranwalts. Sie sagt ihm nachher, wie sehr sie das ärgert, schließlich hat sie keine geringere Qualifikation. Marty weiß das, er hält sich selbst überhaupt nicht für besser, und er teilt sich mit Ruth die Arbeit im Haushalt und mit den Kindern. Am Anfang hat man ein wenig Bedenken, ob der locker entspannte und stets sehr gutaussehende Armie Hammer dieser Rolle gewachsen ist, aber er macht das ganz großartig. Als er mit Ruth das Berufungsgericht betritt, trägt er cool eine Sonnenbrille und spricht ihr Mut zu, ohne herablassend zu wirken.

Auch in den häuslichen Alltagsszenen wird häufig diskutiert, über den Beruf, die Gesellschaft. Diese Eheleute müssen sich, nur weil sie Filmcharaktere sind, nicht ständig in den Armen liegen und ihrer Liebe versichern. Auch dadurch wirkt der Film erfrischend. Insgesamt empfiehlt er sich als spannende, sehr gut erzählte und aufschlussreiche Geschichtsstunde über eine Pionierleistung für die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter in Amerika.

Die Berufung - Ihr Kampf für Gerechtigkeit (2018)

Der Film erzählt die Geschichte von Ruth Bader Ginsburg, die sich als junge Juristin für die  Gleichstellung der Geschlechter einsetzte und viele Hindernisse überwinden musste, um am Supreme Court tätig zu werden. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Marty brachte sie einen bahnbrechenden Fall vor Gericht, der vieles verändern sollte.

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