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Nach den Muppets und Paddington-Bär bekommen nun auch Pu der Bär und seine Freunde einen weiteren Film, in dem es eine große Entdeckung gibt: die Komikqualitäten eines Esels.

Christopher Robin (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Mein Kumpel, der Bär

Ein erwachsener Mann, der auf einer Parkbank sitzt und von einem sprechenden Plüschbären angesprochen wird, ist eigentlich ein Ausdruck einer tiefen Krise. Und tatsächlich glaubt auch Christopher Robin (Ewan McGregor) für einen kurzen Moment, dass er den Verstand verliert, weil er auf einmal seinem alten Kindheitsgefährten Pu begegnet. Denn längst hat er doch den Hundertmorgenwald verlassen und eigentlich auch all die Abenteuer vergessen. Doch nun braucht Pu seine Hilfe, er kann nämlich all die anderen Bewohner des Hundertmorgenwaldes nicht mehr finden. Also hat er sich durch den Baum gewagt, durch den Christopher Robin einst als Kind gekommen ist, und ist auf der Grünfläche in London herausgekommen, die vor dem Haus liegt, in dem Christopher Robin nun wohnt.

All das verweist auf eine magische Welt, eine Fantasiewelt, wie sie ja auch die Erlebnisse im Hundertmorgenwald in dem Buch von A.A. Milne waren. Aber Marc Foster lässt seinen Film Christopher Robin in einer historisch verankerten Zeit spielen, das machen schon die Anfangskapitel deutlich: Der Film beginnt mit einem letzten Tag von Christopher Robin im Hundertmorgenwald, danach muss er ins Internat. Also lässt er ein letztes Mal Stöckchen rennen, sitzt ein letztes Mal mit Pu auf der Bank. Er schwört, sie alle nicht zu vergessen. Aber das Internat erfordert Disziplin, die Realität holt ihn ein, als sein Vater stirbt. Schließlich wird er erwachsen, heiratet, muss in den Zweiten Weltkrieg ziehen und arbeitet anschließend als Manager bei einer Kofferfirma. Effizienz ist sein Aufgabenbereich, seiner Arbeit ordnet er alles unter. Vielleicht ist es deshalb auch im Hundertmorgenwald so neblig und trüb, schließlich ist das doch eigentlich ein Ort in Christopher Robins Fantasie. Doch hier ist es nun ein realer Ort – ebenso wie Pu, Ferkel, Tigger und I-Aah nicht einfach Christopher Robins Plüschtiere sind, mit denen er sprechen kann, sondern solange sie sich nicht schlafend stellen, kann ein jeder sehen, dass sie sprechen und sich bewegen. Das ist Anlass für einige schnelle Gags, jedoch fügt es sich nicht richtig in die Handlung ein. Pu und Co. verändern nicht die Welt an sich, sie verändern die Welt von Christopher Robin und seiner Familie. Sie sind also nicht seine Fantasie, bleiben vor der Realität aber weitgehend verborgen – von einigen schnellen Gags abgesehen.

Es ist schade, dass Marc Foster sich hier nicht deutlicher festlegt, denn sein Film zeugt von einem Bewusstsein für die Geschichte, die mit den zahlreichen Winnie-the-Pooh-Adaptionen verbunden ist. Im englischsprachigen Original werden Pu und Tigger beispielsweise von Jim Cummings gesprochen, der sie seit einem Kurzfilm aus dem Jahr 1988 spricht – und hier stellt sich sofort Vertrautheit ein. Eine Anspielung auf die Adaptionen ist auch, dass I-Ah das berühmte „Tigger-Lied“ mit einem Nicht-schon-wieder-Seufzen bedenkt. Diese Details sind liebevoll, ebenso wie die Figuren, die entstanden sind. Rabbit und Eule orientieren sich eher an den echten Tieren, während bei Tigger, I-Aah, Ferkel und Pu klar zu erkennen ist, dass sie sich an Kuscheltiere anlegen. Ferkel ist ausnehmend niedlich, Tigger wäre ein beweglicheres Gesicht zu wünschen gewesen. Bei Pu wurde sehr viel Wert darauf gelegt, seinem Pelz schon gewisse Abnutzungserscheinen einzuweben, die Kuscheltiere, mit denen viel gekuschelt wurde, nun einmal haben. Der Star von allen – und auch der heimliche Star dieses Films – ist indes I-Aah. Ihm ist jederzeit anzusehen, dass er eigentlich ein Plüschtier ist, prall gefüllt und doch weich und kuschelig, aber zugleich ist es jederzeit völlig natürlich, dass und wie er sich bewegt. Dazu liefert er sich mit Christopher Robins Frau Evelyn (Hayley Atwell) hinreiße Dialoge – und hat die besten One-liner.

Gut gelungen ist auch die Ernsthaftigkeit in Teilen des Films. Disney hat in vorhergehenden Adaptionen sehr auf die Niedlichkeit des Bären gesetzt hat, auf honigsüße Botschaften und lustigen Slapstick, und dabei übersehen, dass in den Büchern von A. A. Milne und gerade auch in Pu nicht nur Geschichten von Freundschaft, sondern immer auch ein Hauch Melancholie steckt. Diese findet sich in manchen Szenen dieses Films. Sei es, indem die einfache Freude über einen roten Luftballon gegen die Hektik des Alltags gestellt wird. Oder dass sich Pu wirklich bemüht, Christopher Robin zu verstehen – und letztlich glaubt, er verstünde ihn nicht, weil er ein Bär von sehr geringem Verstand ist.

Dadurch entstehen rührende und bewegende Momente, es gibt aber auch direkte Lacher und Slapstickeinlagen, damit der Tonfall nicht zu ernst wird. Und auch hier ist zu spüren, dass sich der Film davor scheut, eine eindeutige Richtung einzuschlagen. Insgesamt ist Christopher Robin ein durchaus ehrenwertes Unterfangen, Pu nicht allzu billig dem Ausverkauf preiszugeben. Aber am Ende kann auch der Film den Widerspruch zwischen Fantasiewelt und Realität, zwischen Nostalgie und Kommerzgegenwart nicht auflösen.

Christopher Robin (2018)

Winnie Puuh kennt — zumal im angelsächsischen Sprachraum — jedes Kind. Marc Forster hat sich die beliebte Kinderbuchreihe von A.A. Milne vorgenommen und draus erstmals einen Live-Action-Film mit Animationssequenzen gemacht, der von den Abenteuern des Bären „von sehr geringem Verstand“ mit seinem mittlerweile erwachsen gewordenen Besitzer Christopher Robin erlebt. 

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