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Hört die Liebe eigentlich auf, wenn sich ein langjähriges Ehepaar trennt? Marios Frau ist ausgezogen, aber er klammert sich an die Hoffnung, dass sie zu ihm und den Töchtern zurückkehrt. Seine Familie bedeutet ihm doch alles. Was soll er denn anstellen, um den Schaden der Havarie zu begrenzen?

C'est ça l'amour (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Eine Familie nach der Trennung

Wie läuft das ab, wenn sich ein Paar nach 20 Jahren trennt? Es kann den großen Rosenkrieg geben, den Wunsch, die Kinder auf die eigene Seite zu ziehen, im Extremfall gar den Amoklauf. Das positive Stereotyp besteht in der Vorstellung vernünftiger Erwachsener, die ihre Gefühle in den Griff kriegen, die vielleicht vorhaben, Freunde zu bleiben, es aber zumindest schaffen, sich weiterhin als Eltern auszutauschen und an einem Strang zu ziehen.

Die Wirklichkeit liegt wohl meistens irgendwo dazwischen, in einer Grauzone zweifelhaften Herumlavierens. Die französische Regisseurin und Drehbuchautorin Claire Burger wählt einen Stil scheinbar nüchterner Betrachtung, um das Drama einer Familie, die auseinanderbricht, sehr authentisch zu schildern. Dabei konzentriert sie sich auf die Person, die in diesem Prozess den schwersten Weg zu gehen hat, nämlich den Familienvater Mario Messina (Bouli Lanners). Mario wurde von seiner Frau Armelle (Cécile Rémy-Boutang) verlassen. Die beiden Töchter, die 17-jährige Niki (Sarah Henochsberg) und die 14-jährige Frida (Justine Lacroix) sind bei ihm geblieben. 

Mario glaubt, dass Armelle nur eine Auszeit braucht und dann zurückkehren wird zu ihm und den Kindern. Unermüdlich versucht er, Kontakt zu Armelle aufzunehmen, angeblich, um über die Töchter zu reden. Aber sie ist telefonisch nicht erreichbar. Um ihr nahe zu sein, meldet sich Mario als Protagonist beim Theaterprojekt Atlas an, bei dem sich Laien mit dem einbringen, was sie beschäftigt. Armelle arbeitet nämlich beim Theater, aber sie hält auch dort geflissentlich Abstand zu ihm. Nach und nach wird deutlicher, was Armelle mit ihrer Kontaktverweigerung bezweckt, während sie selbst eine Nebenfigur bleibt. 

In diesem Drama ist jeder allein mit seinen Gefühlen, Trennung heißt eben, nicht mehr täglich die anderen Familienmitglieder zuhause anzutreffen. Die jüngere Tochter Frida vermisst die Mutter schrecklich, sie rebelliert bockig gegen den Vater, der mit ihr heillos überfordert ist. Offenbar hatte er sich früher nicht so viel mit ihr abgegeben – aber der Film verweigert sich konsequent Erklärungen, Erläuterungen, Schuldzuweisungen. Es gibt keine rührenden Erinnerungen an glückliche Familienzeiten, kein Lamentieren, es werden keine Gründe für die Trennung eruiert. Armelle hat sich im Moment wenigstens auch von ihren Töchtern getrennt und erwartet, dass sie groß genug sind, um mit der Situation klarzukommen. Niki, die patente ältere Tochter, ruft ihre Schwester zur Ordnung und ist doch auch tröstend und bemutternd für sie da. Niki hat auch viel Verständnis für den Vater. Viel von diesem Miteinander spielt sich en passant ab, so zwischen Schule und anderen Aktivitäten. 

Mario muss sein Elend aushalten, sich sortieren, will sich zugleich auch als Vater bewähren. Der belgische Schauspieler Bouli Lanners erweist sich in dieser Rolle als Seele des Films. Ob Mario sich peinlichen Illusionen hingibt, ob er Frida mit seinem Kontrollbedürfnis nervt oder verunsichert auf dem Sofa sitzt, Lanners spielt ihn als Gemütsmenschen, der einfach nicht begreift, warum ihm nichts mehr gelingt. Wie er darum kämpft, die Orientierung wiederzuerlangen, schildern Lanners und die Inszenierung in hervorragender Kooperation. 

Im zeitgenössischen französischen Film macht sich schon seit einer Weile ein Trend zum Realismus, zur betont nüchternen, lebensnahen Beobachtung bemerkbar. Nur eines von vielen Beispielen ist Der Landarzt von Chaussy. Man meint, in das Leben echter Charaktere einzutauchen und teilt dabei die eine oder andere Alltagserfahrung mit ihnen. Oft erweisen sich zeittypische Phänomene als verbindend, beispielsweise wenn sich die Protagonisten mit beruflicher Überlastung, Angst um den Job, oder mit einem defizitären Gesundheitssystem herumschlagen. Mario arbeitet im Bürgerbüro der Stadtverwaltung und versucht einen Streit zu schlichten, in den sich immer mehr Wartende einmischen. Am Ende steht er vor seiner Vorgesetzten selbst als der Dumme da. Nicht alle Probleme sind lösbar, die Welt in diesen Filmen ist keine heile, ihre Protagonisten tragen tägliche Lasten mit sich. 

Claire Burger stammt aus dem Städtchen Forbach in der Region Lothringen. Hier siedelt sie auch die Geschichte an, zu der sie sich von der Trennung ihrer eigenen Eltern, die sie im Jugendalter erlebte, inspirieren ließ. Das Schönste an dieser Nähe zum wirklichen Leben, die dem Drama gelingt, ist, wie sie die Zuschauer*innen geradezu beiläufig an das seelische Erleben der Figuren heranführt. Nebenhandlungen, die beispielsweise um einzelne Freundschaften der Töchter kreisen, fügen sich auf verblüffende Weise ins Gesamtpuzzle, nichts ist belanglos oder ohne Bezug zu anderen Ereignissen. 

Ein nüchterner Stil kann emotionale Wahrhaftigkeit sogar noch befördern. Mario ist kein Held der großen Gesten und auch niemand, der andere mit seinen Geschichten nervt. Auch die Dialoge, die er führt, werfen ihn auf sich selbst zurück. In ihnen und in seinem Schweigen aber zeigt sich stets auch, wie sehr er innerlich in Bewegung ist. Dieses Drama findet zu einer eigenen Sprache, die sehr viel ausdrückt und das Publikum berührt.

C'est ça l'amour (2018)

Mario will es kaum wahrhaben, als seine Frau Armelle nach jahrelanger Ehe aus dem gemeinsamen Haus auszieht. Für den liebevollen Mittfünfziger stand das Familienglück immer im Vordergrund. Seine einzige Hoffnung ist nun, dass Armelle bald zu ihm und seinen beiden Töchtern Niki und Frida zurückkehrt. Während er verzweifelt die Aufmerksamkeit seiner Frau zu erregen versucht, reagiert diese aber nur noch auf die beiden Kinder, mit denen Mario langsam an seine Grenzen stösst. Um sich und der Familie zu helfen, muss Mario einen neuen Weg suchen.

 

 

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