Blutige Ruby

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Eine übernatürliche Liebe

„Wenn es um Angst geht, dann verlasse ich mich auf meinen Instinkt. Ich weiß, was bei mir einen Effekt erzielt, aber ich habe keine Formel, der ich folge. Ich vermeide die billigen Schocks – laute Geräusche, die die Zuschauer erschrecken sollen. Stattdessen denke ich, dass der Val-Lewton-Ansatz, mit der Macht der Suggestion zu arbeiten, noch immer der beste ist. Was man nicht sieht, ist erschreckender als das, was man sieht.“
So erklärte Curtis Harrington, wie er an Horrorfilme heranging. Der weithin unterschätzte und nicht allzu bekannte Autor und Regisseur hat in den 70er Jahren eine Reihe interessanter Independent-Horrorfilme erschaffen, die auf Wiederentdeckung warten. Nach dem immens verstörenden Mordlust, der jüngst bei CMV erschien, gibt es nun Blutige Ruby.

Vor 16 Jahren wurde Rubys Freund, der Gangster Nicky, von seinen Kumpanen erschossen. Sein Tod blieb ungerächt, vielmehr folgte man dem Gangster-Ethos und schaltete die Polizei gar nicht ein. Ruby eröffnete ein Drive-In und stellte dort auch Nickys alte Bande ein. Nun, da ihre Tochter Leslie alt genug ist, beginnen die Morde an Nickys alten Kumpanen, denn der Geist des Ermordeten hat sich seiner Tochter bemächtigt.

Blutige Ruby war Harringtons erfolgreichster Film, tatsächlich der erfolgreichste Independent-Horrorfilm, bevor John Carpenters Halloween ihn vom Thron stieß. Die Ironie ist dabei, dass das Ende viel damit zu tun hat, dass die Zuschauer ins Kino gelockt wurden. Dabei hat Harrington die letzte Szene gar nicht gedreht. Sie war ihm zu plakativ und wurde ohne sein Wissen vom Produzenten umgesetzt – und das sogar ohne Mitwirkung von Piper Laurie, die man hier eigentlich hätte sehen müssen. Harrington hat durchaus damit Recht, dass dieses angehängte Ende dem Film den poetischen Ausklang nimmt, den er ansonsten gehabt hätte, er schmälert die Wirkung dieser stimmungsvollen Geistergeschichte aber nicht.

Harringtons Film wirkt bisweilen, als ob Teile fehlen würden. Viele der Figuren bleiben ungreifbar, vor allem gilt dies für die Opfer des Geists. Sie erhalten keinerlei charakterliche Vertiefung. Dem gegenüber steht eine unwirkliche Atmosphäre, der zuträglich ist, dass der Film im Jahr 1951 spielt, im Drive-In aber Attack of the 50 Feet Woman läuft, der erst 1958 in die Kinos kam. Inspiration für den Film mag auch Der Exorzist gewesen sein. Oder besser: Etwas, das in Der Exorzist nicht enthalten war, die Spiderwalk-Szene. Eine Reminiszenz daran gibt es im Finale des Films, als Leslie auf ihrem Bett den Körper durchstreckt. Zugleich erinnert es an Salvador Dalis surrealistische Zeichnung „The Hysterical Arch“, die er 1932 anfertigte.

Das Bild der nicht anamorphen DVD ist durchwachsen, der niedrige Schärfewert kann aber auch als Vorteil betrachtet werden, da er gut zur ätherischen Stimmung des Films passt. Die Ausstattung der DVD ist exzellent. Es gibt einen Audiokommentar mit Curtis Harrington und Piper Laurie, außerdem ein knapp einstündiges Interview mit Harrington, das sich nicht nur mit diesem Film befasst, sondern seine Karriere abdeckt. Neben Geschichten über James Whale, Shelley Winters, Alfred Hitchcock und anderen, denen Harrington begegnet und mit denen er teilweise auch befreundet war, gibt der Regisseur auch Aufschluss darüber, wie er den lange Zeit als verschollen gegoltenen Klassiker The Old Dark House (1932) gefunden und gerettet hat. An diesen Film kommt Harringtons Blutige Ruby nicht heran, sein stimmungsvoller Geisterfilm hat sich aber über all die Jahre wirklich gut gehalten und ist es wert, wiederentdeckt zu werden.

Blutige Ruby

„Wenn es um Angst geht, dann verlasse ich mich auf meinen Instinkt. Ich weiß, was bei mir einen Effekt erzielt, aber ich habe keine Formel, der ich folge. Ich vermeide die billigen Schocks – laute Geräusche, die die Zuschauer erschrecken sollen. Stattdessen denke ich, dass der Val-Lewton-Ansatz, mit der Macht der Suggestion zu arbeiten, noch immer der beste ist. Was man nicht sieht, ist erschreckender als das, was man sieht.“
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