7 oder Warum ich auf der Welt bin

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Welt mit Kinderaugen sehen

Wie sehen Kinder unsere Welt, wie sehen sie sich selbst und ihre Umwelt, welche Wünsche haben sie, welche Gedanken schießen ihnen durch den Kopf, welche für Erwachsene eigentlich unbeantwortbaren Fragen an die Welt stellen sie? – kurzum: Wie sieht die Welt eigentlich aus Kindersicht aus? Die beiden Filmemacher Antje Starost und Hans Helmut Grotjahn sind dieser Frage nachgegangen und haben zu diesem Zweck sieben Kinder aus verschiedenen Ländern in ihrem Alltag begleitet. Das Ergebnis ist ein Dokumentarfilm, der zwar aufgrund seiner charmanten kleinen Protagonisten einiges an Witz und Esprit auf die Leinwand bringt. Wäre jedoch der Titel nicht, der eine Grundfrage, einen roten Faden innerhalb des Films zumindest andeutet, müsste man sich allerdings bald schon fragen, was hier eigentlich genau verhandelt wird.
Zwischen sieben und 13 Jahre alt sind die Kinder, um die es in diesem Film geht, sie kommen aus Deutschland (wo natürlich der Schwerpunkt liegt), aus Griechenland, Frankreich und Ecuador. Das Schöne an den Beobachtungen der Filmemacher und der unzweifelhafte Charme des Ganzen liegt unter anderem darin begründet, dass sich der Film vollkommen auf die Kinderwelt beschränkt und die Erwachsenen ausklammert. Nie sehen wir die Eltern oder Verwandte, nehmen keine Lehrer oder sonstige Bezugspersonen wahr. Und dennoch sind sie in manchen Äußerungen spürbar, wenn man beispielsweise aus dem Kindermund des manchmal etwas altklugen und für sein Alter sehr ernsten Albrecht seine Weltsicht erfährt oder von Jonathan dessen Berufswunsch Butler erfährt.

Die Ernsthaftigkeit und Offenherzigkeit, mit der die Kinder bereitwillig Auskunft geben über ihr Denken und Fühlen, zeugen von dem vertrauensvollen Verhältnis, das Starost und Grotjahn zu ihren kleinen Helden des Alltags aufgebaut haben. Dennoch wirkt der Film an manchen Stellen beinahe ein wenig beliebig, weil er sich zu sehr treiben lässt. Vielleicht ist aber auch dies ein Ausdruck des Respekts vor der kindlichen Welt, die weniger linear organisiert ist, sondern sich (wohltuend) von der Sphäre der Erwachsenen dadurch unterscheidet, dass man als Kind so herrlich die Beine, die Seele und die Gedanken baumeln lassen kann. Und genau das wird hier so ausgiebig getan, dass man als „Großer“ fast neidisch sein könnte auf die Kinder, die tatsächlich noch alle Zeit der Welt haben. Was der Film hingegen weitgehend ausklammert, sind Probleme, ganz konkrete Ängste und soziale Unterschiede.

In Hof, wo der Film anlässlich der Filmtage seine Weltpremiere erlebte, wurde 7 oder Warum ich auf der Welt bin mit großen Interesse und beinahe frenetisch aufgenommen. Was möglicherweise zum Teil auch daran lag, dass zwei der Kinder, die beiden ursprünglich aus Bulgarien stammenden Geschwister Vici und Vivi, in der fränkischen Stadt leben – sie hatten dort gewissermaßen ein Heimspiel. Ursprünglich, so bekannten Antje Starost und Hans Helmut Grotjahn beim anschließenden Filmgespräch, sei ihnen nur eines klar gewesen: Dass sie auf gar keinen Fall Geschwister in dem Film unterbringen wollten. Als sie jedoch die beiden Mädchen gefunden hatten, habe man sich schnell von diesem Prinzip verabschiedet. Im Nachhinein ist dies eine kluge Entscheidung, denn das innige Geschwisterverhältnis, das man anfangs für eine normale Freundschaft hält, gehört zu den stärksten Teilen des Films – auch wenn die Beobachtungen eigentlich wieder eine ganz andere Geschichte erzählen als die ursprünglich intendierte. Vielleicht ist aber genau das eine Facette des Films, die viele Menschen anspricht – man weiß nie so genau, was eigentlich als nächstes kommt.

Mit seiner Mischung aus Banalem und Bemerkenswertem ist 7 oder Warum ich auf der Welt bin ein Film, der einer gigantischen Schultüte gleicht: Die süßen Leckereien nimmt man gerne mit, doch nicht jedes der darin befindlichen Teile mundet gleichermaßen. Und die Zwischenräume wecken den Wunsch nach einem tüchtigen Nachschlag. Immerhin weiß der kleine Albert dann doch eine Antwort auf die Frage des Titels — sie ist von einer solch entwaffenenden Ehrklichkeit, wie man sie von einem Erwachsenen wohl nie auf diese Art und weise bekommen würde. Sie lautet: „Ich weiß es nicht.“

7 oder Warum ich auf der Welt bin

Wie sehen Kinder unsere Welt, wie sehen sie sich selbst und ihre Umwelt, welche Wünsche haben sie, welche Gedanken schießen ihnen durch den Kopf, welche für Erwachsene eigentlich unbeantwortbaren Fragen an die Welt stellen sie? – kurzum: Wie sieht die Welt eigentlich aus Kindersicht aus?
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