Youth

Eine Filmkritik von Gregor Torinus

Jugend ohne Hoffnung

Gerade ist mit Bethlehem – Wenn der Feind dein bester Freund ist ein exzellentes israelisches Thriller-Drama in unsere Kinos gekommen, da folgt mit Youth bereits Nachschub an realistischer, sozialkritischer und spannender filmischer Kost aus Israel. Youth ist der erste Langfilm des Drehbuchautors und Regisseurs Tom Shoval. Der in einem Vorort von Tel Aviv spielende Film behandelt im Gegensatz zu Bethlehem einmal nicht den Nahostkonflikt, sondern wirft aus der Binnenperspektive einen Blick auf die israelische Gesellschaft. Das dabei vermittelte Bild ist äußerst besorgniserregend.
Als der Vater (Moshe Ivgy) von Yaki (David Cunio) und Shaul (Eitan Cunio) seine Arbeit verliert, kann er nicht mehr länger die Zahlungen leisten, die er einem finsteren Kredithai schuldig ist. Obwohl die Mutter (Shirili Deshe) mittels verschiedener kleiner Jobs versucht die Lage zu retten, droht die Zwangsräumung der Wohnung der vierköpfigen Familie. Während ihr Vater völlig entmutigt immer mehr in Depressionen versinkt, wollen die beiden Brüder die Situation nicht einfach so hinnehmen. Als Fans amerikanischer Actionfilme haben die beiden nicht sehr hellen Jungen auch bald die scheinbar rettende Idee: Sie planen die Entführung von Dafna (Gita Amely), einer Mitschülerin von Shaul, um von deren wohlhabenden Eltern kräftig Lösegeld zu erpressen. Da Yaki gerade seinen Militärdienst angetreten hat, befindet er sich im legalen Besitz eines Maschinengewehrs. Als er für ein Wochenende nach Hause kommt, setzen die beiden ihren Plan tatsächlich in die Tat um: Sie kidnappen Dafna und sperren das Mädchen in den Luftschutzkeller ihres Hauses ein. Doch sehr bald zeigt sich, dass die beiden das Ganze nicht wirklich durchdacht haben und die Kontrolle über die Lage zu verlieren drohen…

Youth ist über weite Strecken fast ein Kammerspiel. Und doch zeigt der reduzierte Film einen Mikrokosmos der aktuellen israelischen Gesellschaft, in der die Einkommensschere, wie auch im Westen, immer weiter auseinanderklafft. In dem permanent mit Gewalt konfrontierten Land scheint die Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts und humanistischer Werte bereits weit fortgeschritten zu sein. In einer Schlüsselszene des Films werden wir Zeugen, wie die beiden Brüder unbehelligt ihr Entführungsopfer mit dem öffentlichen Bus nach Hause transportieren können. Zwar setzt sich ein Mann auf die gleiche Bank, auf der die beiden Brüder zusammen mit Dafna sitzen. Doch der Fremde mustert nur den schwerbewaffneten Yaki, der wiederum auf die durch einen primitiven Haken ersetzte fehlende Hand des Unbekannten schielt. Auf das Mädchen mit hinter einer Sonnenbrille zugeklebten Augen achtet der Mann nicht. Und falls doch, denkt er wahrscheinlich, dass die Pflaster eine Verletzung der Augen des Mädchens verbergen.

Die beiden Hauptdarsteller David Cunio und Eitan Cunio, welche die Brüder Yaki und Shaul spielen, sind im realen Leben Zwillingsbrüder. Obwohl die beiden Laiendarsteller zum ersten Mal vor der Kamera stehen, liefern sie eine sehr differenzierte schauspielerische Leistung ab. Vollkommen glaubhaft vermitteln sie eine ganze Gefühlspalette, die von zeitweiliger Freude, über Ärger und Aggression bis hin zu Mitgefühl und Ratlosigkeit reicht. Ihre Unsicherheit und mangelnde Übersicht versuchen die beiden dadurch zu überspielen, dass sie Dafna auf abfällige Weise beschimpfen und auch ansonsten den starken Mann markieren. Doch die Entführte merkt rasch, dass ihre beiden Entführer nicht wirklich Herren der Lage sind. Nützen tut ihr das jedoch nicht viel. Eher steigert es noch den Aggressionspegel der beiden Brüder.

Wie bereits in Bethlehem bestimmen auch in Youth erdige Töne und eine unaufgeregte Kameraführung das Bild, wodurch der realistische Grundton beider Filme auch optisch unterstrichen wird. Beiden Filmen ist eine sehr neutrale Position gemein, die das Geschehen kaum wertet, sondern das Leid auf allen Seiten registriert. Vielleicht deutet sich hier das Aufkeimen eines spezifisch israelischen filmischen Blickes an. Beide Werke verbinden auf überzeugende Weise tiefe menschliche Dramen mit einer spannenden Thrillerhandlung. Youth ist der ein wenig unspektakulärere Film, der jedoch zugleich einen besonders tiefen Blick in die aktuelle Befindlichkeit der israelischen Gesellschaft wagt. Youth ist eine Coming-of-Age-Geschichte, an deren Ende keine gereiften, sondern nur zusätzlich desillusionierte Protagonisten stehen. Wenn man bedenkt, dass diese Jugendlichen die Zukunft ihres Landes darstellen, dann ist das eine so traurige, wie beunruhigende Botschaft.

Youth

Gerade ist mit „Bethlehem – Wenn der Feind dein bester Freund ist“ ein exzellentes israelisches Thriller-Drama in unsere Kinos gekommen, da folgt mit „Youth“ bereits Nachschub an realistischer, sozialkritischer und spannender filmischer Kost aus Israel.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen