Log Line

Eine Hündin war nicht nur das erste Lebewesen im All, auch bei der Eroberung des Nordpols war eine mit von der Partie. Davon erzählt die Regisseurin Kajsa Næss in ihrem ersten langen Film, einem zauberhaften Animationsabenteuer.

Titina - Ein tierisches Abenteuer am Nordpol (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Erkenntnisse am Ende der Welt

Lange Zeit war das Entdecken Männern vorbehalten. Auch bei der Eroberung des Nordpols war weit und breit keine Frau in Sicht – dafür aber eine Foxterrierdame, die Regisseurin Kajsa Næss in ihrem zauberhaften Animationsfilm dazu nutzt, die alte Mär von den mutigen Helden mit feiner Ironie zu dekonstruieren. In Per Schreiners Drehbuch balancieren die Pioniere auf einem schmalen Grat zwischen Pathos, Pietät und Peinlichkeit.

Nach 25 Jahren als Kurzfilmregisseurin wagt sich Næss mit diesem Animationsabenteuer erstmals auf die Langstrecke. Benannt ist es nach der Hündin, die dem italienischen Luftschiffbauer Umberto Nobile (1885–1978) in den 1920er-Jahren in den Straßen Roms zugelaufen ist. Kurz vor seinem Tod erinnert sich Nobile in seiner Wohnung an zwei große Expeditionen zurück. Seine Hündin, die bei beiden mit an Bord war, sitzt immer noch treu an seiner Seite. Dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits ein biblisches Hundealter erreicht haben müsste, ist eine der kleinen Ungereimtheiten, über die man angesichts der insgesamt gezeigten Qualitäten getrost hinwegsieht.

Mit seiner gelungenen Mischung aus karikierend überzeichneten Animationen, eingestreuten Originalaufnahmen der Expeditionen und einem getragenen Erzählton hat es Titina auf zahlreiche internationale Filmfestivals geschafft. Erzählt wird die wahre, aber sicherlich nicht allen geläufige Geschichte des Italieners Nobile, der für den Norweger Roald Amundsen (1872–1928) ein Luftschiff baute, um dann unter norwegischer Flagge gemeinsam den geografischen Nordpol zu erreichen. Der zwei Jahre später auf eigene Faust versucht, den Erfolg für sein eigenes Land zu wiederholen, jedoch Schiffbruch erlitt und gerettet werden musste. Amundsen wiederum kam bei einem der Rettungsversuche ums Leben. (Die menschlichen Überreste des verschollenen Polarforschers wurden bis heute nicht gefunden.) 

Næss setzt die wahren Begebenheiten, die zu Teilen schon Eingang in den prominent besetzten Spielfilm Das rote Zelt (1969) fanden, als Geschichte einer ungleichen Freundschaft in Szene – und verkneift sich dabei weder schelmische Kommentare auf nationale Stereotype noch alberne Seitenhiebe auf die politische Gemengelage jener Jahre. Nobile ist bei ihr ein warmherziger Tor, der Amundsens Reserviertheit als Professionalität missversteht und den dahintersteckenden Egoismus verkennt. Vom Norweger tief enttäuscht und auf den um ihn entfachten Medienrummel eifersüchtig, lässt Nobile schließlich alle Noblesse fahren, driftet in immer dunklere Geistesgefilde ab, was letztlich in der Katastrophe mündet.

Für die eine oder die andere Seite Partei zu ergreifen, liegt Næss fern. Erfrischend ist zudem, wie unverfroren sie den norwegischen Nationalhelden Amundsen vom Sockel stößt, ohne ihn völlig der Lächerlichkeit preiszugeben. „Næss ist bekannt für ihre spielerischen, humorvollen und humanistischen Filme“, heißt es vonseiten des deutschen Verleihers Grandfilm über die Regisseurin. Besser lässt sich ihr Langfilmdebüt kaum beschreiben. Denn neben der verspielten Form und dem Humor ist es voll allem die Liebe zu den Figuren, die Titina auszeichnet. Trotz aller Unzulänglichkeiten schimmert das zutiefst Menschliche an ihnen jederzeit durch.

Titina - Ein tierisches Abenteuer am Nordpol (2022)

Der norwegische Animationsfilms „Titina“ basiert auf einer wahren Geschichte und erzählt von einer Foxterrierdame, die ihr Herrchen auf einer Expedition an der Nordpol in einem Heißluftballon begleitete.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen