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In ihrem neuen Film „Sechs Tage unter Strom — Unterwegs in Barcelona“ bewegt sich Neus Ballús erneut an der Grenze zwischen Fiktion und Dokumentation.

Sechs Tage unter Strom - Unterwegs in Barcelona (2021)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Verständigung der Kulturen

Klassische Sommerkomödien kommen nicht nur aus Frankreich, sondern auch aus Spanien. Meist sind letztere aber weitaus weniger erfolgreiche Exportschlager. Auf einen aktuellen Versuch will es Regisseurin Neus Ballús mit „Sechs Tage unter Strom“ ankommen lassen. Die richtigen Zutaten wären grundsätzlich vorhanden: Die Chefin einer Elektro- und Sanitärinstallationsfirma stellt einen jungen Mann ein, der den in Rente gehenden älteren Kollegen ersetzen soll. Wer sich dagegen wehrt, ist Valero, der Vierte im Bunde. Er will keine Veränderungen. Fremden gegenüber ist er sowieso skeptisch. Dann ist der Neue auch noch jünger und sieht besser aus. Dass er Araber ist, einer von denen, die den Spaniern „die Arbeit wegnehmen“, macht ihn in Valeros Augen noch unsympathischer.

Was sich recht plakativ anhört, ist es leider auch. Die Absicht ist edel: Mit dem Film möchte die Regisseurin einen Beitrag zur Verständigung der Kulturen leisten. Diese Botschaft steht im Vordergrund. Vernachlässigt aber wurde der Aufbau der Geschichte und die Charakterzeichnung. Diese sind schematisch und vorhersehbar.

Sechs Tage lang hat Moha (Mohamed Mellali) Zeit, sich zu bewähren. Er begleitet Valero (Valero Escolar) und Pep (Pep Sarrà) bei ihren Aufträgen. Diese führen sie zu verschiedenen Menschen, älteren, jüngeren und unterschiedlicher Sozialklassen zugehörig. Überall ist Moha mit seiner ruhigen Art sogleich beliebt, ganz anders als der mürrische Valero. Auch die rassistischen Vorurteile, die Valero bei den Kunden gegenüber Moha vermutet, zeigen sich nicht. Valero bleibt als einzige Person abweisend. Schließlich kommt es sogar dazu, dass die Fotografin, bei der sie die Klimaanlage reparieren sollen, Moha von der Arbeit abzieht, damit er bei einer spontanen Fotoserie Modell sitzen kann.

Das ist nur eine der vielen surreal wirkenden Situationen, in die das Trio hineingerät. Einzelne davon funktionieren besser, andere schlechter. Dies liegt vor allem am insgesamt elegischen Erzählrhythmus. Die Aufteilung der Geschichte in sechs Teile, die den sechs Tagen entspricht, sorgt zwar für eine gewisse Dynamik, wird aber immer wieder unterbrochen.

Weitere Längen kommen auch durch die tagebuchartigen Bemerkungen der Figur Moha hinzu, die der Film immer wieder über die Bilder legt. Diese Gedanken kommen Moha, während er auf seinem Balkon steht und seinen Nachbarn bei alltäglichen Verrichtungen zuschaut. Dabei sinniert über das Miteinander der Menschen. Der Text dient eindeutig als Gegengewicht zu Mohas sonstiger Wortkargheit in den Szenen mit Valero. Allerdings wechseln sich in den Worten großes Pathos und eher plattere Beobachtungen ab, was gegen Ende ermüdend wirkt.

Wie schon in ihrem Langfilmdebüt La plaga (2013) arbeitet Ballús auch in Sechs Tage unter Strom weitgehend mit Laiendarstellern. Die Restunsicherheit im Spiel macht die Figuren zwar einerseits sicherlich ein Stück weit sympathisch, doch hätte man dies andererseits vermutlich mit ein paar formalen Mitteln, einem schnelleren Schnitt beispielsweise, auch ausgleichen können.

Für die Regisseurin gehört dieser amateurhafte Einschlag allerdings zum Konzept. Sie bewegt sich bewusst an der Grenze zwischen Fiktion und Dokumentation. Das schlägt sich in der Bildfindung nieder, die sich der Situation anzupassen scheint, in der Farbgebung, die sehr natürlich wirkt, und beeinflusst auf seine Art auch den Spannungsbogen der Handlung. Es gibt kaum dramaturgische Höhepunkte, die Pointen bleiben flach. Ob letzteres daran liegt, dass sich hier ein landes- oder kulturspezifischer Humor nicht überträgt, kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Dem Drehbuch fehlt es auf jeden Fall an Zug sowie an Präzision, vielleicht auch an Mut. Die Klischees, die der Film anspricht und zu überwinden versucht, sind altbekannte.

Woraus man zudem mehr hätte herausholen können, ist die Ansiedlung des Films im katalanischen Kontext. Ein paar Witze ergeben sich durch die erschwerte Kommunikation zwischen Moha und Valero, der sich weigert, auf Kastilisch (Hochspanisch) zu wechseln und in der Regionalsprache verharrt. Diesen Lokalpatriotismus hätte man noch mehr pflegen können. Er ist auch besonders interessant, erfährt man in der Regel doch nicht viel darüber.

Sechs Tage unter Strom - Unterwegs in Barcelona (2021)

Es ist ein dreckiger Job, aber jemand muss ihn tun. In der spanischen Komödie „The Odd-Job Men“ (OT: „Sis dies corrents“) geht es um drei Handwerker, die im Verlauf ihrer Arbeitstage mit sehr exzentrischen Menschen zusammentreffen, so dass es mit der Zeit immer absurder wird. 

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