Thank You For Bombing

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Medien-Krieg

„All das Gerede von Blut und Erschlagen verdirbt mir den Tee“ – kein schlechtes Zitat, das Barbara Eder ihrem Film Thank You For Bombing voranstellt. Die Grinsekatze in Alice im Wunderland sagt das, und es bringt ziemlich auf den Punkt, was Eder mit ihrem Film wohl aussagen will. Im Umkehrschluss bedeutet es leider: Sehr viel mehr an Erkenntnis, Emotion, Katharsis oder sonstiger Wirkung kann der Zuschauer dem Film nicht entnehmen, der aus drei kurzfilmähnlichen Episoden über Kriegsberichterstatter und ihr Verhältnis zum Krieg besteht.
Gedreht hat Eder zu weiten Teilen – und unter großen Strapazen – tatsächlich in Afghanistan. Sie bringt die fiebrige Atmosphäre, die angespannte Ruhe in ihren Bildern rüber, und die Frage, was Kriegskorrespondenten so treiben, wenn in ihrer Gegend gerade keine Schlachten geschlagen werden, ist durchaus nachdenkenswert. Da haben wir beispielsweise Lana (Manon Kahle), die mit Ehrgeiz und Eitelkeit zwei Eigenschaften mitbringt, die ihr eine große journalistische Karriere versprechen. Zwischen Zumba-Kurs und Liveschalte will sie höher hinaus, sie braucht eine Story und als – auch mangels sonstiger Sensationen aus Afghanistan – weltweit von Koranverbrennungen durch US-Soldaten und den Rachedrohungen der Taliban berichtet wird, sieht sie ihre Chance: Auf dem Herrenklo eines Armeestützpunkts findet sie zwei Namen hingekritzelt, eine heiße Spur, diese beiden Soldaten will, muss sie interviewen. Und bis zu diesem Interview, in dem sich die beiden heißspornigen, großspurigen GIs selbst entlarven (weil ihnen gerade keine Armee-PR-Berater zur Seite stehen, reden sie sich um Kopf und Kragen), ist diese Episode meisterhaft erzählt. Doch Eder geht weiter, muss das Rohe und Ungeschlachte, das Viehische und Barbarische dieser triebhaften Soldaten weiter und weiter in Szene setzen, bis alle Wirkung verpufft.

Ein anderer der Korrespondenten, Cal (Raphael von Bargen), vergeht in Zynismus angesichts von PR-Presse-Rundfahrten inklusive arrangiertem Betroffenheitsinterview und leckerem regierungsgesponsorten Mittagessen. Als er rebelliert und deshalb gefeuert wird, als zudem in demütigender Öffentlichkeit seine Frau von Zuhause aus die Scheidung fordert, begibt er sich allein mit einem Fahrer auf eine Art Selbstmord-Recherchetour zu den Taliban. Die ihm aber mit einem plötzlichen Einbruch von Realität – in Form einer Dummheit bei der Autoreparatur – eine Art Lebenserkenntnis beschert.

Das sind Episoden, die grundsätzlich gut ausgearbeitet, vermutlich auch weitgehend authentisch recherchiert sind, in der Konsequenz ihrer Ausführung aber stets mangelndes Gefühl für das spüren lassen, was noch im Rahmen, was noch nicht zu viel ist. Die beste Story ist die erste: Da haben wir Ewald (Erwin Steinhauer), einen alternden Journalisten, der vom ORF als Korrespondent nach Kabul abgestellt wird, dort ist gerade was los. Doch er bleibt schon am Flughafen Wien stecken: Dort nämlich bekommt er einen Panikanfall, als er einen Ausländer in sein Handy sprechen hört. Die Geister der Vergangenheit überkommen ihn – doch leider haben sich in den letzten Jahren diese Geister oft genug als bloße Hirngespinste herausgestellt. Die Frau glaubt ihm nicht, „diesmal wirklich“ diesen Kriegsverbrecher aus dem Bosnienkrieg 1992 wiedererkannt zu haben, zu oft schon hat er Phantome gejagt. Und der ORF-Redakteur weiß nur allzu genau, was sich als Nachricht verkaufen lässt und was nicht. Alte Brötchen will keiner essen.

Im Einzelnen ist der Film, man muss es so sagen, gescheitert. Mitunter aber zeigt Eder das richtige Gespür für den Wahnwitz der Kriegsberichterstattung: Wenn eine Garde (weiblicher!) Korrespondentinnen der Reihe nach gezeigt werden, wie sie in publikumsanbiedernder Begeisterung vom anstehenden Britney-Spears-Truppenbetreuungskonzert für die in Kabul stationierten Soldaten berichten. Oder wenn eine Hotelfront gezeigt wird, auf deren Balkonen in jeweils genau gleicher Anordnung all die Korrespondenten stehen, den Rücken der Kamera (und Kabul) zugewandt, mit einer Kamera vor sich, die gerade die immergleichen breaking news aus dem Kriegsgebiet rüberbringen. Und die kleinen Anspielungen auf Lewis Carroll – die hätten vielleicht, konsequenter eingesetzt, ein Weg sein können, den Film in seiner Unausgewogenheit in den Griff zu bekommen, das Absurde nämlich kohärent als Absurdes zu zeigen. Ein Eingangszitat und ein Figurenname Alice reichen da leider kaum, auch wenn am Ende dann als Schlussgag während des Abspanns die Korrespondenten in ihrem aufgeregten Aufmerksamkeitserregungsjargon das Jabberwocky-Gedicht in die Kameras rezitieren.

Thank You For Bombing

„All das Gerede von Blut und Erschlagen verdirbt mir den Tee“ – kein schlechtes Zitat, das Barbara Eder ihrem Film „Thank You For Bombing“ voranstellt. Die Grinsekatze in „Alice im Wunderland“ sagt das, und es bringt ziemlich auf den Punkt, was Eder mit ihrem Film wohl aussagen will. Im Umkehrschluss bedeutet es leider: Sehr viel mehr an Erkenntnis, Emotion, Katharsis oder sonstiger Wirkung kann der Zuschauer dem Film nicht entnehmen, der aus drei kurzfilmähnlichen Episoden über Kriegsberichterstatter und ihr Verhältnis zum Krieg besteht.
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