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Der Theaterregisseur Oliver Frljić ruft mit seinem Stück ein lange zurückliegendes Verbrechen in Erinnerung. Der Filmregisseur Nebojša Slijepčević hat ihn dabei begleitet. Ein schmerzhafter Prozess.

Srbenka (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Ohrenbetäubender Nachhall

In Kroatien ist der Name einer 12-Jährigen zu einem Sinnbild politischer Grabenkämpfe geworden: Aleksandra Zec. Während des Kroatienkriegs wurde das in Zagreb lebende, aus Serbien stammende Mädchen mit ihrer Familie von Milizionären entführt und zusammen mit ihren Eltern Mihajlo und Marija ermordet. Aleksandras Geschwister entkamen. Die Mörder wurden schnell gefasst, aber nie verurteilt. Der Fall beschäftigt bis heute immer wieder die Öffentlichkeit, etwa dann, wenn Kreative wie der Theaterregisseur Oliver Frljić ihn aufgreifen. Der Dokumentarfilmer Nebojša Slijepčević hat Frljić und sein Ensemble bei den Proben zu einem heiß diskutierten Stück über das im Dezember 1991 verübte Verbrechen begleitet. Währenddessen stößt Frljić nicht nur außerhalb des Theaters auf Widerstände.

Oliver Frljić fordert viel von seinem Ensemble. Den Auftakt seines Theaterstücks bildet eine Art Publikumsbeschimpfung. Noch bevor die Schauspielenden in ihre eigentlichen Rollen schlüpfen, hinterfragen sie die Intentionen der Zusehenden. Dabei nehmen sie eine Position ein, von der aus Frljić tagtäglich kritisiert und beschimpft wird. Vielen aus der konservativen bis nationalistischen Ecke ist es ein Dorn im Auge, dass Intellektuelle wie Frljić sich für ein serbisches Opfer wie Aleksandra Zec interessieren, anstatt die Geschichten der kroatischen Opfer zu erzählen. Tote werden gegeneinander ausgespielt. Die Fronten in den Köpfen sind immer noch da.

Bei den Proben dieses Auftakts wird es schnell laut. Der Text scheint nicht vorformuliert und festgeschrieben zu sein, sondern verhandelbar. Eine Schauspielerin improvisiert sich in Rage. Einer ihrer Kollegen fühlt sich dazu noch nicht in der Lage. Im Verlauf der Proben ringt er wiederholt mit dem Stück, mit seiner Rolle, mit seinen Emotionen. Er windet sich und wendet sich ab und als es 25 Minuten vor der Premiere zu einem heftigen Streit zwischen dem Regisseur und einer Darstellerin kommt, hält er sich die Ohren zu. Überhaupt ist Oliver Frljić‘ Theaterstück ein ungemein lärmendes und lähmendes Erlebnis. Es wühlt innerlich auf und versetzt einen gleichzeitig in Schockstarre. Welche Wucht es live in einem Theatersaal entfalten muss, lässt sich letztlich nur erahnen. Nebojša Slijepčević‘ Dokumentarfilm gibt einen unmittelbaren Eindruck.

Slijepčević hat seinen Film ganz einfach aufgezogen. Für all jene, die mit dem Verbrechen nicht vertraut sind, stellt er eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse voran. Danach schaut er dem Geschehen auf der Bühne, hinter den Kulissen und während der Premiere auch auf den Rängen zu. An den Anfang seines Films stellt er die Reaktion einer sprachlosen Zuschauerin, ans Ende den Heimweg der zwölfjährigen Nina, der wie eine Flucht anmutet. Dazwischen sind aus dem Off die Gedanken einiger Ensemblemitglieder zu hören.

Als Alexandra Zec und ihre Eltern ermordet wurden, war Frljić 15 Jahre alt. Die Hälfte seines Ensembles war noch nicht geboren. Nina, die gemeinsam mit drei ungefähr gleichaltrigen Mädchen eine kleine Nebenrolle spielt, spiegelt Alexandra Zec‘ Erfahrungen. Auch Nina hat serbische Wurzeln, die sie aber aus Angst verschweigt. Was sie aus ihrem Schulalltag erzählt, ist erschreckend. Die Sprache, die einer ihrer Klassenkameraden verwendet, ist hasserfüllt und verachtend. Allein schon das Wort Serbin, das der Film im Titel trägt, gerät zum Stigma.

Slijepčević‘ Film zeigt Frljić‘ Theaterstück und dessen Proben nur in Bruchstücken und ohne dabei allzu viel Übersicht zu gewähren. Gerade dadurch rückt dieser Film jedoch ungeheuer nahe an das Geschehen heran. Oft sind die Szenen nur zu hören, während das Kinopublikum lediglich eine Reaktion auf das Stück zu sehen bekommt. Das genügt. Srbenka bietet 72 höchst intensive Minuten über den Krieg, seine Verbrechen und die Notwendigkeit, diese aufzuarbeiten.

Srbenka (2018)

Im Winter 1991 wird ein 12-jähriges serbisches Mädchen während des Kroatienkrieges in Zagreb ermordet. Viele Jahre später versucht der Regisseur Oliver Frljić ein Theaterstück über den Fall auf die Bühne zu bringen. Doch die Proben werden zu einer kollektiven Gruppentherapie und für manche der Beteiligten fühlt es sich so an, als habe der Krieg nie geendet.

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Meinungen

Thomas · 03.08.2021

Geschaut - Enttäuscht! Leider nicht sehenswert.