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In „Soft & Quiet“ zeigt Beth de Araújo die Auswirkungen von Hass in einem filmisch bis dato wenig beleuchteten Milieu.

Soft & Quiet (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Sozialer Horror

Es beginnt mit Tränen auf der Toilette. Die junge Kindergartenbetreuerin Emily (Stefanie Estes) macht einen Schwangerschaftstest – und das Ergebnis lässt sie traurig zurück. Wir folgen Emily auf dem Weg nach draußen; sie unterhält sich mit einem kleinen Jungen (Jayden Leavitt), der auf seine Mutter wartet. Um ihn abzulenken, lässt sie ihn einen kurzen Blick auf etwas Selbstgebackenes werfen, das sich unter einer Folie verbirgt und für eine Verabredung mit ein paar Freundinnen bestimmt ist. Zudem zeigt sie ihm die ersten Seiten eines Kinderbuches, an dem sie gerade schreibt. Wenig später läuft Emily, während der Vorspann eingeblendet wird, durch den Wald, bis sie zu einem Häuschen gelangt und dort auf Leslie (Olivia Luccardi) sowie schließlich auf eine ganze Gruppe von Frauen trifft.

Die ersten Minuten des Langfilmdebüts der Regisseurin und Drehbuchautorin Beth de Araújo könnten der Grundstein für einen klassischen Slasher sein. Mit Emily wird eine Protagonistin mit einem diffusen tragischen Hintergrund etabliert. Und dass ein Ausflug in eine abgelegene Hütte im Wald nun wirklich eine ziemlich schlechte Idee ist, wissen wir sicher alle.

Doch von Anfang an streut de Araújo in Soft & Quiet Irritationen ein, die uns darauf hinweisen, dass dies kein gewöhnlicher Gruselfilm wird. Warum überredet Emily den Jungen so beharrlich dazu, sich bei der Hausmeisterin zu beschweren, dass diese bereits mit der Reinigung begonnen hat? Was ist das für ein Anruf, den Emily aus dem Gefängnis erhält, während sie durchs Gehölz läuft? Und was soll dieser eigenartige (deutsche) Spruch auf Leslies Jacke heißen?

Dass der unheimlich dröhnende Score, der die Credits untermalt, nicht zwangsweise bedeuten muss, dass Emily und ihre Clique in Gefahr schweben, sondern dass die Bedrohung vielmehr von ihnen selbst ausgeht, wird rasch offensichtlich, als Emily enthüllt, was sich unter der Folie ihres vermeintlich netten Mitbringsels befindet: ein Früchtekuchen mit rotem Hakenkreuzmotiv, der freudig angeschnitten und auf Papptellern mit Blümchenmuster herumgereicht wird. Im Folgenden kommt es zu einer Gesprächsrunde, in der all die rassistischen Ressentiments anklingen, die auch in Diskussionen im Netz, in politischen Debatten und, erschreckenderweise, in alltäglichen Situationen immer wieder zu lesen und zu hören sind.

„There’s nothing left for me in this country“, meint Marjorie (Eleanore Pienta), die sich von Ideen wie Diversität und Inklusion an den Rand gedrängt fühlt. Sie seien doch keine „scary monsters“, sondern liebende Mütter und kluge Frauen, wirft Kim (Dana Millican) ein, mit deren Familien-Van sich Emily, Leslie, Marjorie und sie bald in ein nahe gelegenes Lebensmittelgeschäft begeben. Dort lassen sie ihre Aggression, die unter der betont fröhlichen Attitüde stets zu spüren ist, an Anne (Melissa Paulo) und Lily (Cissy Ly), zwei asiatisch-stämmigen Amerikanerinnen, aus. Und dies ist erst der Beginn der Eskalation.

Soft & Quiet wandelt sich nach seinem Auftakt, der an atmosphärische Old-School-Spannung im Stil von John Carpenters Halloween – Die Nacht des Grauens (1978) erinnert, in ein böse-satirisch anmutendes Kammerspiel und schließlich in einen grimmigen Home-Invasion-Thriller, der im Dunkel der Nacht sein Ende findet. Die Kameraführung von Greta Zozula und die Montage von Lindsay Armstrong vermitteln das Gefühl, als finde alles in Echtzeit statt und als sei der Film in einer einzigen Einstellung gedreht worden. In seinen einfachen Mitteln lässt der beeindruckende Leinwand-Erstling von de Araújo an dreckige Low-Budget-Werke wie Wes Cravens The Last House on the Left (1972) denken.

Es ließe sich der Vorwurf erheben, dass der Film die Täterinnen und nicht die Opfer ins Zentrum stellt. Die Regisseurin selbst erklärt, sie habe in Soft & Quiet ihre schlimmsten Albträume verarbeitet. Und tatsächlich hat der Fokus auf Emily und deren Gruppe von Gleichgesinnten nichts Glorifizierendes; auch stellt sich im Laufe des Plots nichts Voyeuristisches ein. Dem Blick der Kamera haftet schon bei Emilys anfänglichem Gang durch den Wald etwas Zitterndes, etwas seltsam Bebendes an. Es ist ein entsetzter Blick. Ein Blick, der sich nicht ergötzt, sondern der eine hässliche Realität wahrnimmt.

Soft & Quiet (2022)

Grundschullehrerin Emily trifft sich mit ein paar gleichgesinnten Ladies zum Lunch. Alle sind extrem beunruhigt: Wie lässt sich die Bedrohung aufhalten, die von all den ausländischen Arbeiter:innen in der kleinen Nachbarschaft ausgeht? Von den vielen multikulturellen Einflüssen ganz zu schweigen. Gemeinsam schmieden sie Pläne, wie man das anständige, weiße Amerika vor der feindlichen Invasion retten kann. Um die optimistische Zukunftsvision gebührend zu feiern, verschlägt es die angestachelten Frauen in einen Liquor Store. Als wenig später zwei asiatisch-stämmige Amerikanerinnen den Laden betreten, sehen sie sich unerwartet einem aggressiven Mob gegenüber und die Situation gerät außer Kontrolle.

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