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Niels Arden Oplev, bekannt für harte Genrefilme wie „Verblendung“, „Dead Man Down“ und „Flatliners“, hat ein sanftes Drama gedreht. Der Grund dafür ist persönlich.

Rose - Eine unvergessliche Reise nach Paris (2023)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Ihr blühendes Geheimnis

Der Name Niels Arden Oplev steht für kompromissloses Genrekino. Mit der Adaption des ersten Romans aus Stieg Larssons Millennium-Trilogie gelang dem Dänen der internationale Durchbruch und der Sprung nach Hollywood. Doch der 1961 geborene Regisseur dreht nicht nur Thriller. In seinem neuen Film zeigt er sich von seiner gefühlvollen Seite und versucht sich nach fast anderthalb Jahrzehnten wieder einmal als Drehbuchautor.

Der Grund, dass Oplev erneut zum Stift gegriffen hat, ist ein sehr persönlicher. Die Geschichte, die er in 106 abwechslungsreichen Minuten erzählt, ist die seiner Schwester. Genauer gesagt, die seiner beiden Schwestern, die 1997 eine Busreise nach Paris unternahmen, die in Oplevs Familie Legendenstatus besitzt. In der fiktionalisierten Version dieses wagemutigen Unterfangens heißen die Schwestern Inger und Ellen, und Sofie Gråbøl und Lene Maria Christensen spielen das Geschwisterpaar ganz wundervoll. Wie Oplev mit diesem Film überhaupt wundervollen Wagemut beweist.

Wagemutig ist das Drama deshalb, weil es ein schweres Thema so leichtfüßig darbietet, dass die Kritik an dieser Darbietung programmiert scheint. Inger leidet unter Schizophrenie, wohnt im Heim. Die Reise mit Ellen und ihrem Ehemann, dem bulligen Beschützertyp Vagn (Anders W. Berthelsen), reißt Inger aus ihrer Routine und stellt die Reisegruppe um den hemdsärmeligen Busfahrer Ole (Peter Gantzler) auf die Geduldsprobe. Bei anderen Mitreisenden, allen voran dem erzkonservativen Lehrer Andreas (Søren Malling), der mit seiner Frau Margit (Christiane G. Koch) und dem bald 13-jährigen Sohn Christian (Luca Reichardt Ben Coker) unterwegs ist, fördert Ingers Auftreten schlimmste Vorurteile zutage. Zum Glück für Inger und die Handlung ist Christian das komplette Gegenteil seines Vaters. Der Junge ist offen, neugierig und wird alsbald zu Ingers Komplize in geheimer Mission.

Bei aller Leichtigkeit geht Oplev mit Ingers Erkrankung, den daraus entstehenden Komplikationen und Konflikten nie leichtfertig um. Rose ist keiner dieser Bucketlist-Filme amerikanischen Zuschnitts, in denen sich Schwer- bis Todkranke bar jeglicher Wahrscheinlichkeit ein letztes Mal aufschwingen, um Aufmunterndes zu erleben. Inger hat gute und schlechte Phasen, die fließend ineinander übergehen. Überwiegen die schlechten, dann geraten Ellen und Vaugn schnell an ihre Grenzen. Wie sie sich dennoch immer wieder aufrappeln, mit Inger zusammenraufen und dabei ihren Humor nicht verlieren, ist wundervoll.

In Ingers guten Phasen blitzt auf, welch blitzgescheiter Geist sich hinter der Fassade dieser stets gebeugt gehenden Frau verbirgt. Sie spielt Klavier, spricht als einzige aus der Reisegruppe Französisch (womit sie wiederholt den Urlaub rettet), zeigt sich selbst Spöttern wie Andreas gegenüber großzügig und begegnet dessen offenen Anfeindungen mit feiner Ironie. Die schönste Pointe, die an einem geschichtsträchtigen Strand in der Normandie über die Bühne geht, teilt Niels Arden Oplev übrigens nur mit uns Zuschauenden. Auch das ist ein wundervoller Einfall. 

Oplev, der seine Karriere mit dem Krimi Portland (1996) begann, danach zum Drama wechselte, bevor er zum Spannungskino und -fernsehen (mit US Serien wie Under the Dome und Mr. Robot) zurückkehrte, trug die Idee zu diesem Film schon lange mit sich herum. Am Ende wurde daraus ein ganz anderer als anfänglich angenommen. „Ich dachte immer, wenn ich jemals einen Film über meine Schwester machen würde, würde ich über den Beginn ihrer Krankheit schreiben, über die Zeit, als wir beide noch sehr jung waren“, äußerte sich Oplev in einem Regiestatement. „Aber die achttägige Reise im Herbst 97, als sie in ihren Vierzigern war, hat mich nicht mehr losgelassen. Der Schauplatz der Reise stellte das Wesen ihrer Krankheit auf den Kopf – als würde ich sie in einem neuen Licht sehen.“ 

Die durch ihre Titelrolle aus der Fernsehserie Kommissarin Lund (2007–2012) bekannte Sofie Gråbøl ist dafür die ideale Besetzung. Besonders im Zusammenspiel mit den nicht minder beeindruckenden Lene Maria Christensen und Luca Reichardt Ben Coker blüht Gråbøl und mit ihr Inger auf. Ganz so wie die titelgebende Rose, deren mehrfach konnotierte Bedeutung an dieser Stelle nicht verraten werden soll. Einfach ins Kino gehen und den Duft von Paris einatmen!

Rose - Eine unvergessliche Reise nach Paris (2023)

Herbst 1997: Eine Tourist:innengruppe reist mit dem Bus aus der nördlichen Provinz Dänemarks nach Paris. Mit dabei auf der Pauschalreise sind die zwei Schwestern Inger (Sofie Gråbøl) und Ellen (Lene Maria Christensen). Als Inger der Reisegruppe ihre psychischen Probleme gesteht, erntet sie dafür Mitleid aber auch offene Anfeindungen. Bei der Ankunft in Paris wird schnell klar, dass Inger mit der Reise ein geheimes Ziel verfolgt. Bald ist die ganze Reisegruppe in ihre Suche involviert. Und so manche:r Reiseteilnehmer:in muss erkennen, dass viel mehr in Inger steckt, als vermutet. (Quelle: polyfilm.at)

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