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Gabrielle Vincents Vorlagen zu „Ernest & Célestine“ sind schon ein paar Jahre alt, die darin erzählten und illustrierten Geschichten zeitlos. Der deutschen Leserschaft sind die tierischen Helden der Belgierin aber womöglich unter einem anderen Namen bekannt.

Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Willkommen in Absurdistan!

Machen wir uns nichts vor. Was Animationsfilme anbelangt, war das Jahr 2023 bis auf wenige Ausnahmen eine Enttäuschung. Anfang August und pünktlich zum Start der Sommerferien in Baden-Württemberg und Bayern biegen zwei Filme um die Ecke, die das ändern wollen. Neben der Reaktivierung mutierter Schildkröten, die auf ein etwas reiferes junges Publikum abzielen, gibt es auch ein Wiedersehen mit zwei anderen außergewöhnlichen tierischen Freunden.

Bären und Mäuse haben nichts gemein. Und geht es nach den Schauergeschichten, die alte Aufseherinnen ihren Schützlingen vor dem Schlafengehen erzählen, dann sind sich die beiden Spezies spinnefeind. So geschehen in Ernest & Célestine, einem entzückenden Zeichentrickfilm, der bei der Oscarverleihung 2014 gegen Disneys Eiskönigin den Kürzeren zog (und sich damit in guter Gesellschaft befand. Auch Studio Ghiblis Wie der Wind sich hebt unterlag dem überzuckerten Schneegestöber). Die beiden Titelfiguren, der brummige Bär Ernest und die fidele Maus Célestine, beweisen im Verlauf der Handlung freilich das Gegenteil und werden beste Freunde. In der Fortsetzung reisen sie in Ernests alte Heimat.

Soeben aus dem Winterschlaf erwacht, plagt Ernest ein Bärenhunger. Das nötige Kleingeld, um den Magen zu füllen, will sich der Straßenmusiker mit seiner Geige verdienen. Doch die geht zu Bruch und kann nur von einem Meister seines Fachs repariert werden, schließlich ist es eine echte Stradibäri! Dumm nur, dass der passende Geigenbauer in Ernests alter Heimat lebt, in die er keine Bärentatze mehr setzen will. Als sich Celéstine auf eigene Faust auf den Weg macht, bleibt Ernest nichts anderes übrig, als sich widerwillig seiner Vergangenheit zu stellen.

Die Vorlage zu diesem wunderschönen Film stammt von der belgischen Kinderbuchautorin Monique Martin (1928–2000) und hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Der erste Band der international preisgekrönten Reihe, für den sich Martin das Pseudonym Gabrielle Vincent zulegte, erschien 1981. Ein Jahr später kam er in Deutschland auf den Markt. Hierzulande trugen die Maus und der Bär zunächst die Namen Mimi und Brumm. Die zwei Kinoadaptionen bleiben der Vorlage treu, sowohl was den Ton der Geschichten als auch den Stil der Illustrationen anbelangt.

Schon der erste Film war ein kleines und in seinen flüchtigen Aquarellzeichnungen sehr feines Wunderwerk. Vorurteile wurden abgebaut, Mauern zwischen Parallelgesellschaften eingerissen. Während der Reise ins Land der Musik wird der Blick nun auf einen anderen Kulturkreis erweitert. Ernests Heimat, irgendwo an der Grenze zwischen Orient und Okzident gelegen, ist ein Fantasiegebilde, das an die undefinierbaren Länder aus den Filmen Veit Helmers erinnert und an Einfallsreichtum schwerlich zu übertreffen ist. Eindeutig zuzuordnen ist dieser Staat nicht und will er auch gar nicht sein. Die Originalität, mit der Land und Leute, Architektur und Technik, Kunst und Kultur zu einem stilpluralistischen, aber stets stimmigen Ganzen zusammengefügt werden, beeindruckt.

Erzählerisch schlägt die Fortsetzung etwas ernstere, durchaus politische, dabei aber stets augenzwinkernde (ein Bär sieht beispielsweise aus wie einer der Leningrad Cowboys) und kindgerecht verpackte Töne an. Es geht ums engstirnige Festhalten an Traditionen, die eine Gesellschaft erstarren lassen. Und es geht darum, dass in autoritären Regierungsformen neben anderen Freiheiten nicht zuletzt die Kunstfreiheit dran glauben muss. Ernest fällt aus allen Wolken, als er feststellen muss, dass in seiner einst so musikverliebten Heimat inzwischen selbst Vögel fürs Zwitschern bestraft werden.

Doch zum Glück gibt es kleine und große Rebell:innen wie den Untergrundmusiker (oder ist es eine Musikerin?) Mifasol und Célestine und Ernest, die sich von absurden Verboten nicht unterkriegen lassen und eintönige Vorschriften mit wundervollen Klängen unterwandern.

Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik (2022)

Als die wertvolle Geige von Bär Ernest kaputtgeht, beschließen er und seine beste Freundin, die Maus Célestine, in Ernest ferne Heimat zu reisen, um die Geige reparieren zu lassen – schließlich ist dies auch die Heimat der besten Musiker der Welt. Bei ihrer Ankunft müssen die Beiden jedoch feststellen, dass in dem Land seit vielen Jahren jegliche Art von Musik verboten ist – ein Leben ohne Musik ist für die beiden undenkbar! Zusammen mit Freunden und der Unterstützung eines geheimnisvollen, maskierten Rächers, setzen Ernest und Célestine alles daran, um die Musik und damit auch die Freude, in Ernest Heimat zurückzubringen.

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