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Wer in die Vorstandsetagen des Finanzsektors aufsteigen will, muss nach landläufiger Meinung besonders harten Konkurrenzkämpfen gewachsen sein. Dass Frauen in Spitzenpositionen dieser Branche immer noch selten zu finden sind, liegt aber eher an männlichen Netzwerken, wie dieser Film darlegt.

Dragon Women (2021)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Allein unter Männern

Während Frauen allmählich auch in die Vorstandsetagen wirtschaftlicher Unternehmen aufrücken, liegt ihr Prozentsatz unter den CEOs des internationalen Finanzsektors immer noch im niedrigen einstelligen Bereich. Frauen, die sich in dieser stark wettbewerbsorientierten Branche eine führende Position erkämpfen, werden Dragon Women genannt. Die belgische Dokumentarfilmerin Frédérique de Montblanc stellt fünf von ihnen vor, befragt sie nach ihrer Selbsteinschätzung, ihren Erfahrungen und ihrem Privatleben.

In Paris wird Laetitia dem Filmpublikum vorgestellt. Sie hat den Aufstieg in die Vorstandsetage einer großen europäischen Bank geschafft. Laetitia betont, dass sie ehrgeizig sei, aber nicht nach Macht strebe. Sie bevorzugt das Wort Verantwortung, die Zusammenarbeit von Frauen und Männern liege ihr am Herzen. In einer privaten Gesprächsrunde mit anderen Managerinnen tauscht sie sich aus über die Erfahrung, immer wieder die einzige Frau in einer Gruppe männlicher Kollegen zu sein. Deren informelle Netzwerke hätten sich oft früh gebildet. Sie müsse dann wiederholt feststellen, dass wichtige Vorgespräche zu Entscheidungen ohne sie stattgefunden hätten. Aber Laetitia sagt auch, dass sich die Firmenkultur gerade allgemein ändere und den Wert der Diversität entdecke. Frauen in Führungspositionen dürften sich heute anders verhalten als Männer, sie müssten sich nicht mehr automatisch verpflichtet fühlen, ihr Denken und Sprechen nach männlichen Codes auszurichten.

Alison aus London, die im Vorstand einer amerikanischen Investmentbank sitzt, erzählt hingegen, dass sie immer peinlich darauf achtete, nicht emotional zu reagieren, weil sie fürchtete, sonst das Etikett „typisch Frau“ angeheftet zu bekommen. Was sie rückblickend bereut, ist, dass sie schon vier Monate nach der Geburt ihres Sohnes wieder arbeiten ging. Obwohl sie ihn bei ihrem Mann, der zu Hause blieb, in guten Händen wusste, rate sie heute jungen Kolleginnen, die einmalige Zeit mit ihren Babys zu genießen und das Ziel der Beförderung auf später zu verschieben. Auch die Frankfurter Geschäftsführerin Martina, deren Kinderwunsch nicht in Erfüllung ging, spricht auf einem Teambuilding-Wochenende davon, dass Familie wichtiger sei als die Arbeit.

Diese Gelassenheit fehlt Jennifer, die es in Hongkong bis ins mittlere Management einer Geschäftsbank gebracht hat. Sie stellt den Leistungsdruck, dem sie sich ausgesetzt sieht, manchmal infrage. Aber obwohl sie sich eine Familie wünscht und mit dem Gedanken spielt, Mutter zu werden, hat sie Angst, es später zu bereuen, wenn sie nicht mehr ihre ganze Kraft der Karriere widmet. Ebenfalls in Hongkong arbeitet Adeline, im Vorstand einer Börse. Ihr Mann, der auch ihr Fitnesstrainer ist, bezeichnet sie als Tigerin, als das Gegenteil seiner selbst. Adeline erzählt, dass sie Mutter wurde, um den Erwartungen ihrer Eltern und ihres Umfelds zu entsprechen. Ihrer jugendlichen Tochter rät sie, nicht zu früh zu heiraten.

Die Regisseurin beobachtet die Frauen in ihrem beruflichen Umfeld und auch im Privatleben. Dazu lässt sie sie, oft via Voice-Over, erzählen. Auch einige der Ehemänner oder Lebenspartner kommen zu Wort. Die Bilder aus der Arbeitswelt orchestrieren oft das Klischee der männlichen Domäne, das ja nicht falsch ist. Da sieht man einzelne Frauen zwischen Anzugträgern herumstehen, die sich im Gespräch, wie es ihre Mienen auszudrücken scheinen, um Anerkennung anderer Männer bemühen und auch mal ungezwungen den Arm auf die Schulter eines Kollegen legen. Während die Aufnahmen aus Sitzungen kurz geraten, verweilt die Kamera etwas länger bei Arbeitsessen oder geselligen Barbesuchen after work, bei denen die Frauen ebenfalls von männlichen Kollegen oder Geschäftsklienten umgeben sind. Die Einblicke ins Privatleben der Frauen entsprechen ebenfalls oft dem Klischee. Dem Image einer Kämpferin steht es gut, wenn sie sich im Fitnessstudio abrackert. Einige der Frauen zeigen auch gerne den Wohlstand, den sie sich erarbeitet haben, ihre schönen Wohnungen, eine Yacht, das schicke Lokal, in das der Nachwuchs ausgeführt wird.

Was diesen kurzweiligen Porträts jedoch oft fehlt, ist die Tiefe. Man hätte gerne mehr darüber erfahren, wie das Sich-Behaupten als Frau gegenüber der männlichen Konkurrenz so aussieht. Mussten die Frauen lernen, sich gegen Intrigen und Diskriminierung zu wappnen, haben sie individuelle Strategien entwickelt? Wie beeinflussen sie die Unternehmenskultur selbst? Ihre Bemerkungen zu diesen Themen ähneln Schlagworten, die sich mangels Nachhaken nicht weiter konkretisieren. Der Sinn dieses Dokumentarfilms ist jedoch vielleicht ein anderer, nämlich zu demonstrieren, dass sich die seltenen Topmanagerinnen der Finanzbranche im Grunde gar nicht so sehr von anderen Frauen, die ihren Beruf lieben, unterscheiden.

Dragon Women (2021)

„Dragon Women“ werde diejenigen Frauen genannt, die es in der Finanzindustrie auf eine üblicherweise von Männern besetzten Top-Positionen schaffen. Der Film folgt einige Vertreterinnen auf ihrem Weg durch die seltsam hermetische Welt der Hochfinanz.

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