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René Sascha Johannsen beobachtet in seinem Dokumentarfilm „7 Years of Lukas Graham“ die titelgebende Band aus Dänemark – mit einem erfreulich offenen und aufmerksamen Blick.

7 Years of Lukas Graham (2021)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Kein Katy-Perry-Pop

Oft versprechen Dokumentarfilme, die (noch lebende) Solo-Künstler:innen oder Bands porträtieren, einen ungeschönten Blick hinter die Kulissen der Musikbranche – und sind dann doch eher Image-Videos, die das nächste Album oder das kommende große Projekt bewerben. Der Regisseur und Kameramann René Sascha Johannsen wählt nun für sein Werk „7 Years of Lukas Graham“ einen insgesamt recht zurückhaltenden Fly-on-the-Wall-Stil, um Einblick in die Arbeit und die siebenjährige Entwicklung der dänischen Band Lukas Graham zu geben.

Der Sänger und Songwriter Lukas Forchhammer, der Schlagzeuger Mark Falgren, der Bassist Magnus Larsson und der Keyboarder Kasper Daugaard nehmen im Jahre 2009 ihre ersten Tracks auf, ehe sie zwei Jahre später mit Low-Budget-Videos auf YouTube für Aufmerksamkeit sorgen. Es gelingt den vier jungen Männern, einen Vertrag mit der Plattenfirma Copenhagen Records abzuschließen, eine Debütsingle zu veröffentlichen und eine erfolgreiche Tour durch ihre Heimat zu absolvieren. Als ihr erstes Album in Dänemark auf Platz eins der Charts schießt, signalisiert Warner Bros. Interesse an einem Deal mit Lukas Graham. Und so begeben sich die Jungs nach Los Angeles.

Hier setzt Johannsens dokumentarische Betrachtung ein – an einem Wendepunkt in der Karriere und im Leben der vier Band-Mitglieder, vom nationalen Hit zum international bekannten Act. Ihr nicht gerade bescheidenes Ziel ist es, ein Album zu produzieren, mit dem sie „die Welt erobern“ wollen. Das bietet natürlich Stoff für ein mitreißendes Drama – über inneren und äußeren Druck und über die schwierige Auseinandersetzung mit künstlerischen Kompromissen auf dem Weg an die Spitze.

Wir beobachten die Band beim Proben und Experimentieren an ihren Instrumenten, haben am intimen Prozess des Songschreibens teil und sind dabei, wenn die jungen Männer beisammensitzen und miteinander über die Ausrichtung ihrer Musik diskutieren. Einigen Bildideen ist anzumerken, dass Johannsen ein Faible für Musikvideos hat (und solche auch für Lukas Graham drehte) – etwa wenn Forchhammer in den Swimmingpool in der luxuriösen Unterkunft in L.A. springt und hierbei eine Unterwasserkamera zum Einsatz kommt, was unweigerlich an Mike Nichols‘ Die Reifeprüfung (1967) denken lässt. Hauptsächlich ist der Regisseur jedoch ein sehr unaufdringlicher und genauer Beobachter, beispielsweise im Einfangen der kleinen Rituale der Band vor Auftritten.

Mit 7 Years erschafft die Gruppe einen Song, der nicht nur zum gewaltigen Spotify-Erfolg wird, sondern sich tatsächlich im kollektiven Gedächtnis eingräbt. Die Mitglieder avancieren zu weltweiten Stars und werden 2016 für drei Grammy Awards nominiert — neben Größen wie Adele. Durch Aufnahmen aus dem Studio, von Stadionkonzerten (mit einem absolut euphorisch gestimmten Publikum, das jede Zeile mitsingen kann) und von öffentlichen Auftritten bei diversen Events erleben wir diesen Aufstieg mit. Und doch ist 7 Years of Lukas Graham keine märchenhafte filmische Erfolgsfeier, sondern angenehm offen für allerlei Ecken und Kanten.

Das liegt insbesondere an Lead-Sänger Lukas Forchhammer, der an einer Stelle betont, er wolle „keinen Katy-Perry-Pop“ machen – und der die Zeit in L.A., in der er mit seiner Band die Chance seines Lebens erhält, zugleich als seinen „worst nightmare“ bezeichnet. Mithilfe von Archivmaterial beleuchtet Johannsen die Kindheit und Jugend von Forchhammer, der früh seine Kreativität entdeckte, aber stets ein Einzelgänger war. Wir lernen ihn als durchaus eigenwilligen Typen kennen, der sich nicht verstellen mag und deshalb in der Branche, in der er sich bewegt, zuweilen Irritationen auslöst. So versucht er etwa gar nicht erst, seine Enttäuschung und Frustration zu verbergen, als die Band bei der Grammy-Verleihung 2017 letztlich leer ausgeht. 7 Years of Lukas Graham lässt Verletzlichkeiten und Reibungen zu und wird dadurch zu mehr als reinem Fan-Service.

7 Years of Lukas Graham (2021)

Als Lukas Forchhammer mit seiner Band “Lukas Graham” plötzlich zum internationalen Star wird, wird ein Traum wahr, der seine kühnsten Vorstellungen übersteigt. Doch Erfolg kann auch zur Last werden. Besonders dann, wenn man Vater geworden ist und versucht, zwischen einer Familie zu Hause und einer Welt, die immer mehr will, zu jonglieren…

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