Pedro Almodóvar

Pedro Almodóvar

Pedro Almodóvar wurde in den Fünfziger Jahren in Calzada de Calatrava in der spanischen Provinz Ciudad Real, also im Herzen der La Mancha geboren. Im Alter von acht Jahren zog er mit seiner Familie nach Extremadura, wo er unter der Obhut franziskanischer Padres seine schulische Ausbildung absolvierte.

Ohne Geld und konkrete Jobaussichten, aber mit dem festen Entschluss, Filmemacher zu werden, ging der sechzehnjährige Pedro in die Hauptstadt Madrid. Da der damals noch regierende Diktator General Franco die dortige Filmhochschule soeben geschlossen hatte, blieb dem Neuankömmling nichts anderes übrig, als sich autodidaktisch fortzubilden, zunächst weniger in theoretisch-technischer als vielmehr in praktisch-inhaltlicher Hinsicht. Mit anderen Worten: Er stürzte sich kopfüber in das pulsierende Treiben der Metropole, das für den unerfahrenen Provinzler, trotz starker Reglementierung durch das diktatorische Regime, vielerlei Aufregendes bot. Leben lernen, lautete sein Motto. Nachdem er sich eine Zeit lang mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten hatte, nahm Almodóvar schließlich den Posten eines Büroangestellten bei der nationalen Telefongesellschaft an, den er zwölf Jahre lang bekleidete. Von seinem ersten Gehalt kaufte er sich eine Super-8-Filmkamera, denn sein eigentliches Ziel hatte er keineswegs aus dem Auge verloren. Während der zwölf Jahre seines Angestelltenverhältnisses führte er ein Leben, das dem des Versicherungsangestellten Franz Kafka gar nicht unähnlich war: Tagsüber, bei der Arbeit, studierte er aufmerksam die Sorgen, Nöte, Dramen und Marotten der sich im Zuge der anbrechenden Konsum-Ära formierenden spanischen Mittelklasse, die er in seinen späteren Filmen immer wieder bissig-ironisch porträtiert. Am späten Nachmittag und in den Abendstunden entfaltete er sein künstlerisches Talent: Er schrieb Kurzgeschichten für verschiedene Underground-Magazine, gründete die parodistische Punk-Rock-Formation "Almodóvar and McNamara", realisierte zahlreiche Bühnenprojekte im Rahmen der inzwischen legendären Independent-Theatertruppe "Los Goliardos" und schoss seine ersten experimentellen Super-8-Filme in Eigenregie.

Das Jahr 1980 markiert in Almodóvars Biographie ein wichtiges Datum: Zeitgleich mit der Geburt der spanischen Demokratie lief nach eineinhalbjähriger, höchst komplizierter und anstrengender Drehzeit die Komödie Pepi, Luci, Bom Y Otras Chicas Del Montón als erster seiner Filme in den kommerziellen Kinos des Landes an und avancierte prompt zu einem Überraschungserfolg, obwohl darin, abgesehen von der bekannten Darstellerin Carmen Maura, ausnahmslos schauspielerische Newcomer zu sehen waren. Im Verlauf der achtziger Jahre etablierte sich der Regisseur mit weiteren Filmen als feste Größe in der spanischen Filmlandschaft. Seine turbulent-absurden Komödien dieser Zeit, denen immer auch ein melodramatischer Zug anhaftet, präsentieren die spanische Gesellschaft der Post-Franco-Phase in grotesker Überzeichnung als wahre Freak-Show. Bruchlose bürgerliche Normalität sucht man hier vergebens, sie existiert allenfalls als Fassade, hinter der Neurosen und Obsessionen lauern. Kaum eine Figur kommt vor, die nicht zumindest transsexuell, drogensüchtig, inzestuös verstrickt oder alles zugleich wäre. Verstrickt, verzwickt und vertrackt sind auch die Plots seiner schrillbunten, vor keinerlei Kitsch zurückschreckenden Machwerke konzipiert. In verschiedenen Handlungssträngen wird scheinbar nicht Vereinbarendes angehäuft um dann mehr und mehr miteinander zu verschmelzen. Am Ende hängt dann irgendwie alles mit allem zusammen und ein wahrhaftes "Labyrinth der Leidenschaften" zeichnet sich auf der Leinwand ab. So kreuzen sich in dem gleichnamigen Film (orig. Laberinto De Pasiones, 1982) die Schicksale höchst gegensätzlicher Charaktere.

Nach Entre Tinieblas (Kloster zum heiligen Wahnsinn, 1983), in dessen eindrucksvollster Szene eine Nonne eine Vase auf den Boden wirft, um nur mal so zum Spaß unverletzt über Glasscherben zu gehen, und ¿Qué He Hecho Yo Para Merecer Esto? (Womit habe ich das verdient?, 1984), in dem eine wahrhaft vom Schicksal gebeutelte Hausfrau und Mutter ihren Jüngsten aufgrund finanzieller Not an einen pädophilen Zahnarzt verscherbelt, brachte Almodóvar 1986 Matador (Matador) auf die Kinoleinwand. Dieser Film nimmt auf bitterböse Weise eine merkwürdige Eigenheit des spanischen Nationalcharakters aufs Korn: Die Todesbesessenheit, die im Stierkampf ihren blutigsten Ausdruck findet. Im Film hält sie aber auch Einzug in das Schlafzimmer der Protagonisten, wo eine deutlich nekrophile Atmosphäre herrscht.

Im gleichen Jahr gründete Almodóvar gemeinsam mit seinem Bruder Agustín die Produktionsfirma El Deseo. Die erste Produktion, die daraus hervorging war La Ley Del Deseo (Das Gesetz der Begierde, 1987). Im Mittelpunkt dieses Films steht ein homosexueller Regisseur, der eine gefährliche Liebschaft mit einem Bewunderer eingeht. In der Folgezeit zeichnete El Deseo für die Produktion aller zehn weiteren Regiearbeiten Almodóvars sowie für zahlreiche Projekte vielversprechender junger Filmemacher verantwortlich.

Große internationale Beachtung fand Almodóvars 1988 entstandene Komödie Mujeres Al Borde De Un Ataque De Nervios (Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs), die wiederum Carmen Maura in der Hauptrolle zeigt und mit Europäischen Filmpreisen nur so überhäuft wurde.

Auf die bissige Eheparodie iÁTAME! (Fessle mich!, 1990) und das Mutter-Tochter-Drama Tacones Lejacones LEJANOS (High Heels – Die Waffen einer Frau, 1991) folgt 1993 die an Absurdität kaum zu überbietende Mediensatire Kika (Kika, 1993), in der Almodóvar das heikle Kunststück gelingt, eine mindestens zehn Minuten dauernde Vergewaltigungsszene als brüllend komische Slapstick-Nummer erscheinen zu lassen.

In La Flor De Mi Secreto (Mein blühendes Geheimnis, 1995) und Carne Trémula (Live Flesh – Mit Haut und Haar, 1997) macht sich wieder ein melodramatischerer Zug bemerkbar. Dieser klingt sehr stark auch in dem 1999 entstandenen Meisterwerk Todo Sobre Mi Madre (Alles über meine Mutter) an, mit dem der Regisseur seinen bis dato größten Triumph feiern kann: Der Film wird mit dem Oscar als Bester Fremdsprachiger Film sowie einem Golden Globe, einem César, drei Europäischen Filmpreisen, dem David de Donatello, zwei BAFTA-Awards, sieben Goyas und fünfundvierzig weiteren Preisen ausgezeichnet. Diesen Erfolg kann der Nachfolgestreifen Hable Con Ella (Sprich mit ihr – Hable con ella) sogar noch übertreffen: Oscar für das Beste Originaldrehbuch, fünf Europäische Filmpreise, drei BAFTA-Awards, einen César u.s.w. Nur in Spanien hält man sich mit solchem Lob zurück.

2004 drehte Almodóvar La Mala Educación, für den Almodóvar den Publikumpreis des Europäischen Filmpreis erhielt. Der Film um Pädophilie in einer kirchlichen Schule und deren Auswirkungen auf zwei Freunde, sorgte in Spanien für einen Skandal. 2006 stellte Almodóvar Volver auf dem Filmfestival von Cannes vor.

Das Jahr 2003 kann die Produktionsfirma der Almodóvar-Brüder als ihr insgesamt erfolgreichstes verzeichnen, denn abgesehen von Hable Con Ella (Sprich mit ihr – Hable con ella) entwickelten sich auch die Filme der von El Deseo unterstützten jungen Regisseurinnen und Regisseure zu Lieblingen des Publikums und der Kritik. Zu diesen Produktionen zählen unter anderem Dunia Ayasos und Félix Sabrosos Descongélate (2003) sowie Isabel Coixets Sterbedrama My Life Without Me (Mein Leben ohne mich, 2003), das zwei Nominierungen für den Europäischen Filmpreis erhielt und in ganz Europa, vor allem aber in Japan, überraschend zum Kassenknüller avancierte.

Filmographie — Pedro Almodóvar (Auswahl)

2009
Los abrazos rotos

2006
Volver

2004
La Mala Educación (La Mala Educación — Schlechte Erziehung)

2002
Hable Con Ella (Sprich mit ihr — Hable con ella)

1999
Todo Sobre Mi Madre (Alles über meine Mutter)

1997
Carne Trémula (Live Flesh – Mit Haut und Haar)

1995
La Flor De Mi Secreto (Mein blühendes Geheimnis)

1993
Kika

1991
Tacones Lejanos (High Heels – Die Waffen einer Frau)

1990
Iátame! (Fessle mich!)

1988
Mujeres Al Borde De Un Ataque De Nervios (Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs)

1987
La Ley Del Deseo (Das Gesetz der Begierde)

1986
Matador

1985
Tráiler Para Amantes De La Prohibido (TV)

1984
Qué He Hecho Yo Para Merecer Esto? (Womit habe ich das verdient?)

1983
Entre Tinieblas (Kloster zum heiligen Wahnsinn)

1982
Laberinto De Pasiones (Labyrinth der Leidenschaften)

1980
Pepi, Luci, Bom Y Otras Chicas Del Montón

Foto (C) Tobis Filmverleih
Filmstill zu Strange Way of Life (2023) von Pedro Almodovar
Strange Way of Life (2023) von Pedro Almodovar
Kritik

Almodóvar Shorts: Strange Way of Life & The Human Voice (2024)

Almodóvar bringt kleines Kino auf die große Leinwand. In zwei Kurzfilmen erzählt er von romantischen Cowboys und einsamen Frauen und verfilmt dabei Stoffe, die ihn schon seit Jahren beschäftigen.
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