Log Line

Eli Roths „Thanksgiving“ wartet mit spektakulären, unterhaltsamen Splatterszenen auf, vernachlässigt dafür jedoch Handlung und Figuren.

Thanksgiving (2023)

Eine Filmkritik von Rahel Schmitz

Aufgewärmtes Resteessen

Seit jeher spalten die Filme von Eli Roth die Gemüter der Horrorfans. Selten können sie mit einer schlüssigen Handlung und glaubwürdigen Figuren überzeugen; vielmehr sind es innovative Body-Horror-, Gewalt- und Gore-Szenen, mit denen Produktionen wie „Cabin Fever“ und „Hostel“ aufwarten. „Thanksgiving“ bildet da keine Ausnahme. 16 Jahre, nachdem Roth einen zweiminütigen Trailer für Quentin Tarantinos und Robert Rodriguez’ Double-Feature „Grindhouse“ beisteuerte, legt der Filmemacher einen spaßig blutigen, aber inhaltlich äußerst faden Festtagsslasher vor.

Eine frühzeitig gestartete Black-Friday-Verkaufsaktion führt am Thanksgiving-Abend zu einer tödlichen Massenhysterie in einem Plymouther Supermarkt. Ein Jahr später wird die kleine Stadt von einem Killer heimgesucht. Verkleidet als John Carver, Pilger und erster Gouverneur der Kolonie Plymouth, stellt der Mörder denjenigen nach, die seiner Ansicht nach für das Massaker im Supermarkt verantwortlich zeichnen. Darunter auch die Teenagerin Jessica und ihre Freunde.

In vielerlei Hinsicht ist Thanksgiving eine Hommage an die Grindhouse-Filme, denen im Jahre 2007 auch der Trailer huldigte. Zwar nimmt der Film visuell Abstand von den B-Movies, denen einst Tarantino und Rodriguez ihre Double-Feature widmeten, orientiert sich aber in vielerlei anderen Aspekten an ihrem Flair. Darunter auch die Charaktere, die ziemlich genau das sind, was man von einem klassischen Slasher der späten 70er-, 80er- und frühen 90er-Jahre erwarten würde. Im Zentrum steht eine Gruppe von High-School-Teenagern, die zunächst dreist und kindisch auftritt. Lediglich Jessica (Nell Verlaque), die ausgerechnet die Tochter des fragwürdigen kapitalistischen Supermarkt-Besitzers ist, erscheint etwas reflektierter und intelligenter. Hinzu kommen die üblichen Randcharaktere, darunter der charmante Außenseiter, der tatkräftige, aber überforderte Sheriff (Patrick Dempsey), und natürlich die völlig nutzlosen Eltern. Doch bereits hier offenbart sich eine der größten Schwächen des Films: Es ist völlig unklar, warum diese Teenager miteinander befreundet sind. Das liegt daran, dass die Charaktere des Films völlig austauschbar sind, keine Motivationen und Eigenheiten vermittelt werden und dem Publikum ihr Schicksal somit auch völlig egal sein dürfte. Die Charaktere sind lediglich ein Mittel zum Zweck – nämlich, um möglichst viele Gore-Szenen zu inszenieren.

Diesen Eindruck unterstreicht die dürftige Handlung des Films, der sich der Prämisse des Festtagsslashers, wie es einst auch Jessy – Die Treppe in den Tod (1974) oder Blutiger Valentinstag (1981) waren, völlig unterwirft. Der Ort der Handlung? Plymouth, die Wiege des einzigen gesamtgesellschaftlichen US-amerikanischen Feiertags. Die Maskierung des Killers? John Carver, Stadtgründer und Thanksgiving-Schlüsselfigur. Grund für die Massenhysterie im Supermarkt? Der Black-Friday-Kaufrausch, der unmittelbar auf Thanksgiving folgt. Grund für die Bluttaten des Serienmörders? Ebenjene tödliche Hysterie. Kaum eine Kameraeinstellung zeigt nicht irgendwo einen Hinweis darauf, dass das jährliche Thanksgiving-Fest der Dreh- und Angelpunkt dieses Films ist. Plymouth, so mag man fast glauben, existiert nur im November; was dort die anderen elf Monate geschieht, weiß niemand so recht. Ein Stück weit ist dieser übertriebene Fokus auf das Erntedankfest der Tatsache geschuldet, dass Thanksgiving versucht, die Handlung eines zweiminütigen Trailers auf Spielfilmlänge aufzublasen. Dabei vergisst der Film allerdings, einen Spannungsbogen aufzubauen. Selbst einige der Tötungsszenen, die eigentlich das Kernstück ausmachen, werden fast schon nebensächlich in wenigen Sekunden abgehandelt. Das Gefühl einer lauernden Bedrohung durch den maskierten Mörder, wie es Genrekollegen entstehen lassen, kommt nicht auf. Dadurch wirkt der Film an vielen Stellen äußerst langwierig.

Thanksgiving hat aber auch gute Seiten, zumindest für Horror-Aficionados. Dazu zählt die Maskierung des Killers, die das Zeug zu einer wiedererkennbaren Ikonografie ähnlich der von Michael Myers in Halloween (1978) oder auch Jason Voorhees in Freitag, der 13. (1980) hat. Als John Carver kostümiert, trägt der Killer eine schlichte, aber erinnerungswürdige Plastikmaske, einen puritanischen Pilgerhut und ist mit einer altmodischen Axt bewehrt. Letztere kommt zwar äußerst selten zum Einsatz, denn der Killer nutzt eine Vielzahl an Mordwaffen, komplettiert aber den albern-altmodischen und genau deswegen erinnerungswürdigen Auftritt des Mörders.

Die Vielzahl an Mordwaffen bzw. Tötungsmethoden ist ein zweiter Pluspunkt. Eli Roth ist ein Filmemacher, der in seinem Handwerk grundsätzlich von einzelnen Splatterszenen ausgeht und sie mithilfe einer meist nebensächlichen Handlung wie Perlen auf eine Kette aufzieht. Der Plot mag unter dieser Vorgehensweise leiden, doch die Gewaltszenen, die den Schwerpunkt jedes Films ausmachen, glänzen in ihrem Einfallsreichtum und ihrer handwerklichen Umsetzung. So auch im Fall von Thanksgiving, der nicht nur beeindruckende Special Effects zeigt und unangenehme Nahaufnahmen direkt aus dem Body-Horror-Lehrbuch nutzt, sondern dabei auch viel Humor beweist. So drapiert der Killer beispielsweise einen in der Bauchregion durchtrennter Körper auf einem „50% off“-Verkaufsschild („50% Rabatt“) und nimmt sich noch die Zeit, die Katze eines Opfers zu füttern.

Thanksgiving ist ein Film, der wie jede Eli-Roth-Produktion einmal mehr die Gemüter spaltet. Fans von spannender Handlung und sympathischen Charakteren können hier nur enttäuscht werden. Wer sich dagegen an innovativen und humorvollen Splattersequenzen erfreut, sollte definitiv einen Blick wagen.

Thanksgiving (2023)

Der neue Film von Eli Roth basiert auf einem gefakten Grindhouse-Trailer. Nachdem Unruhen am Black Friday in einer Tragödie enden, terrorisiert ein mysteriöser, vom Thanksgiving-Fest inspirierter Killer die Einwohner von Plymouth in Massachusetts – der Geburtsstätte des berüchtigten Feiertags.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen