Staub

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ode an eine flüchtige und hartnäckige Materie

Jeder hat sich schon einmal damit beschäftigt und fast jeder darüber geärgert. Er umgibt uns, ist ganz nah und dabei kaum wahrzunehmen, er kommt überall hin und ist kaum irgendwo erwünscht – Staub. Staub besteht aus Partikeln, die mit einem Durchmesser von einem Zehntel Millimeter die kleinsten Objekte sind, die eine Kamera ohne Hilfsmittel filmen kann. Der Dokumentarist Hartmut Bitomsky hat in seinem Essay Staub die kleine Materie, über die wir fast ausschließlich in negativer Weise sprechen, filmisch unter die Lupe genommen und daraus ein vielschichtiges, kluges und unverhofft unterhaltendes Werk gezaubert, wie man es selten im Kino zu sehen bekommen dürfte.
Es ist erstaunlich, wie Bitomsky es trotz der Banalität und Farblosigkeit des porträtierten Gegenstandes schafft, diesem Dynamik, Leben und zahlreiche schillernde Facetten abzugewinnen: Er begibt sich an all die Orte, wo Staub in all seinen Ausformungen anzutreffen ist und begegnet zahlreichen Menschen, deren Beruf (oder Berufung) darin besteht, dem Staub auf den Leib zu rücken. Er trifft Heldinnen des Alltags wie Putzfrauen, deren Handwerk einer wahren Sisyphos-Arbeit gleicht und begegnet ihnen genauso neugierig wie Wissenschaftlern, die sich mit Feinstaub beschäftigen. Er spricht mit Meteorologen, Künstlern, Botanikern und Astronomen, erfährt von ihnen, dass Staub –der Aufeinanderprall kleinster Partikel – am Anfang des Entstehens jeglicher Planeten steht. Überhaupt, so der Grundtenor des Films, konfrontiert uns der Staub immer wieder mit uns selbst, mit dem Entstehen und dem Vergehen, denn 95 Prozent des Staubs ist von Menschen geschaffen – der Dreck, dem wir uns ausgesetzt sehen, er verweist immer wieder auf uns selbst, auf unsere Geschichte, unsere Sünden, unser Werden.

Das Erstaunliche ist, dass dieser Film nicht nur funktioniert, sondern auch unterhält und ästhetisch zu überzeugen weiß. Kaum zu glauben, dass man über solch einen – im wahrsten Wortsinne – staubtrockenen Gegenstand einen so teilweise philosophischen, teilweise amüsanten Film drehen kann. Doch Bitomsky, der nebenbei bemerkt eine grandiose Stimme hat, die er sparsam einsetzt, um nachzuhaken und zu kommentieren, versteht es immer wieder, Sätze heraufzubeschwören, die weit über die scheinbare Banalität hinausweisen und die veranschaulichen, wie sehr diese winzig kleinen Objekte, die hier in einen faszinierenden Sinnzusammenhang gebracht werden, ganz selbstverständlich zu unserer Welt gehören. Aus Staub entstehen wir, zu Staub vergehen wir – diese aus der Theologie bekannte Formel, sie wird hier ohne jeglichen spirituellen Hintergedanken, sondern rein empirisch (be-)greifbar gemacht und veranschaulicht. Ein feinsinniges Essay über den Stoff, dem wir niemals Herr werden. Man kann sich aber ganz sicher sein: Nach diesem Film wird man Staub fortan mit anderen Augen sehen.

Staub

Jeder hat sich schon einmal damit beschäftigt und fast jeder darüber geärgert. Er umgibt uns, ist ganz nah und dabei kaum wahrzunehmen, er kommt überall hin und ist kaum irgendwo erwünscht – Staub.
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Meinungen

martina · 08.02.2008

mal was ganz anderes.. ;)

ps: staub warst du und wirst du wieder werden