Pakt des Schweigens – Das zweite Leben des Erich Priebke

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die unglaubliche Karriere eines Kriegsverbrechers

Es gibt Geschichten, die sind unglaublich, wie etwa jene des SS-Hauptsturmführers Erich Priebke: Priebke, am 29. Juli 1913 nahe Berlin in Hennigsdorf geboren, arbeitete ab 1936 für die Gestapo, ab 1941 war er in Rom tätig. Neben anderen schweren Verbrechen war er verantwortlich für die Hinrichtung von 335 Zivilisten am 24. März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen in Italien als Vergeltung für ein Partisanenattentat. Nach Kriegsende kam er in Rimini in ein britisches Kriegsgefangenlager, nach 20 Monaten gelang ihm die Flucht. Bis 1948 hielt sich Priebke in Sterzing/ Südtirol versteckt, wo er für die katholische Gemeinde die Buchhaltung führte. Aufgrund seiner guten Kontakte in Rom und zum Vatikan gelang es ihm, für sich und seine Familie falsche Reisepapiere zu organisieren; über die so genannte „Rattenlinie“ emigrierten sie unerkannt als Otto, Alice, Jörg und Ingo Pape auf dem Schiff San Giorgio nach Buenos Aires – mit ihnen weitere flüchtige Nationalsozialisten wie Adolf Eichmann unter dem falschen Namen Klement. Bereits ein Jahr konnte Familie Priebke durch eine Amnestie unter Präsident Juan Perón in Argentinien wieder unter ihrem wirklichen Namen leben.
Mitte des vorigen Jahrhunderts tauchte Erich Priebke in der argentinischen Kleinstadt Bariloche unter: Zunächst arbeitete er als Oberkellner mehrere Winter lang im staatlichen Hotel Catedral. 1954 wechselte er an das von einem Schweizer Ehepaar betriebene Hotel Bella Vista. Anfang der 60er Jahre machte sich Priebke mit einem Feinkostwarengeschäft selbständig. Mit dem beruflichen Erfolg ging auch ein steigendes Ansehen des Kriegsverbrechers einher: Ende der achtzige Jahre war Priebke in Bariloche Repräsentant der gesamten deutschen Gemeinde und zugleich Vorstand der Deutschen Schule Capraro. So verdrängte er missliebige Lehrer wie Direktoren und verbreitete ungehindert nationalsozialistisches Gedankengut, während die Schule sich mit staatlichen Zuwendungen aus der Bundesrepublik finanzierte. Doch der Skandal ging noch weiter: Denn obwohl Mitarbeiter der deutschen Botschaft über Priebkes Vergangenheit bescheid wussten, schwiegen sie zu den Vorfällen. Erst mit Priebkes Verhaftung und Auslieferung nach Italien wurde dem Spuk ein Ende bereitet, wenngleich auch das Urteil erschreckend milde ausfiel und in einen Hausarrest umgewandelt wurde.

Der Filmemacher Carlos Echeverría wuchs als Kind eines argentinischen Vaters und einer deutschen Mutter in Bariloche auf und kannte Priebke gut, war anfangs sogar beeindruckt von dem wichtigen Mann der deutschen Gemeinde – eine Faszination, die umschwenkte, als Echeverría von Priebkes Vergangenheit erfuhr. In seiner Dokumentation Pakt des Schweigens – Das zweite Leben des Erich Priebke / Pacto de Silencio durchbricht die Mauer des Schweigens in seiner Heimatstadt und zeichnet jenes zweite Leben Priebkes, das dem Kriegsverbrecher zu Macht und Ansehen verhilft. Dabei kombiniert Echeverría noch nie gesehene Privataufnahmen, Archivmaterial und inszenierte Spielszenen zu einem ebenso erhellenden wie erschreckenden Dokumentarfilm über die Macht des Verdrängens.

Pakt des Schweigens – Das zweite Leben des Erich Priebke

Es gibt Geschichten, die sind unglaublich, wie etwa jene des SS-Hauptsturmführers Erich Priebke: Priebke, am 29. Juli 1913 nahe Berlin in Hennigsdorf geboren, arbeitete ab 1936 für die Gestapo, ab 1941 war er in Rom tätig.
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