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Als MySpace noch ein Ding war und Elektro-Pop inmitten der Nullerjahre ein Revival erlebte, wurde Uffie über Nacht zum Star. Lilian Francks und Robert Cibis spüren in ihrer Dokufiktion den Auswirkungen des schnellen Ruhms nach.

Fuck Fame - Die Geschichte von Elektropop-Ikone Uffie (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Einmal Myspace und zurück

Anna-Catherine Hartley genießt als amerikanische Teenagerin das Partyleben in Paris. Es ist das Jahr 2002, sie hat beschlossen, in der Wohnung des meist abwesenden Vaters zu bleiben und nicht wieder zu Mutter und Schwester in die USA zurückzukehren. Sie lernt DJ Feadz kennen, zieht als 16-Jährige mit ihm zusammen. Er entdeckt ihre Stimme, sie experimentieren mit Elektropop- und Hip-Hop-Produktionen. 2005 veröffentlichen sie auf MySpace eine Demo-Aufnahme, die Uffie, wie sich Hartley als Künstlerin nennt, praktisch aus dem Stand zum Musikstar der globalen Social-Media-Gemeinde macht. Feadz sagt im Film, ihre Fans kämen nicht aus Deutschland oder aus Frankreich, sondern aus dem Internet.

Ein renommiertes Label springt auf, es beginnt eine wilde Zeit des Reisens von einem Auftritt zum nächsten. Die 17-Jährige bricht die Modeschule ab und ist nun praktisch ununterbrochen auf Tour. Ein paar Singles erscheinen, die sie auch selbst getextet hat. Mit 21 Jahren ist sie schwanger und wünscht sich sehnlich, wieder kürzer zu treten. Doch so einfach geht es nicht, den Bühnenstar Uffie zurück in Anna Hartley zu verwandeln. Der Dokumentarfilm von Lilian Franck und Robert Cibis (Pianomania) hat Uffie über ein Jahrzehnt begleitet. So ist das schillernde Porträt einer jungen Künstlerin entstanden, die vom Druck zu performen und ihr Image zu pflegen, beinahe zerstört wird.

Die Filmemacher verfahren zweigleisig, so wie auch Uffie zwei Seiten hat, als eine Kunstfigur, hinter der ein Mensch steckt, dem nicht immer nur nach Show zumute ist. Sie lassen zunächst ihr Publikum tief in die rauschhafte Lebenswelt des Stars eintauchen und passen die Montage auf aufregende, einfallsreiche Weise dem schnelllebigen Rhythmus von Uffies Alltag an. Dazu erklingt pulsierende Elektromusik. Uffie färbt sich die Haare blond, dann wieder tritt sie mit grün besprühten Locken auf, sie genießt das Image einer befreiten, lustbetonten Frau, die sich nicht um Konventionen schert, sondern den Moment in vollen Zügen lebt. Man sieht sie im bunten Kunstlicht der Bühnenauftritte, in der nächsten Szene steht ihr verzücktes, leicht verwundertes Gesicht im Vordergrund. Diese junge Frau hat stets gute Laune, als würde die Party nie enden. Sie spottet über die Weltfremdheit von Sanitätern, die sie und ihre Freunde mal ermahnt haben, keine Drogen zu nehmen.

Später zeigen zwei sehr aussagekräftige, intensive Szenen den Tribut dieses Lebensstils, in dem sich die Partyaffinität von Uffies Generation mit dem anstrengenden Künstlerdasein verbindet. Einmal erzählt Uffie mit einem selig-belustigten Gesichtsausdruck, aus dem Übernächtigung spricht, dass sie und ein Freund sich mitten in der Nacht ein Tattoo machen lassen wollten. Es war kein Studio offen, also googelten sie nach einer Anleitung für einen Tätowierapparat und verletzten sich – der Freund musste seine Wunde in der Klinik nähen lassen. Was Uffie noch für ein lustiges Abenteuer hält, wirkt auf die Zuschauer schon wie partieller Realitätsverlust. In einer anderen Episode sieht man Uffie beim Komponieren und Arrangieren mit französischen Musikern, es wird die ganze Nacht durchgearbeitet, getrunken, gekokst. Man hält sich wach und bei Laune, will nicht ohne Ergebnis auseinandergehen.

Uffies Erzählungen, in Voice-Over und zum Teil auch vor der Kamera, werden mit der Zeit persönlicher, nachdenklicher. Sie berichtet vom Druck des Managements, nach der Geburt der Tochter abzunehmen, abzustillen und wieder aufzutreten. Sie hat immense Schlafstörungen, ritzt sich, kommt in stationäre Behandlung, erhält zahlreiche Medikamente. Ihr Wunsch ist es aber, mit einem neuen Lebensstil wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Sie setzt sich mit ihrer schwierigen Kindheit auseinander, versucht eine Psychotherapie in der Nähe von Berlin, wo sie mit ihrer kleinen Tochter wohnt. Und wieder geht sie auf Tour, hin- und hergerissen zwischen der kreativen künstlerischen Freiheit und dem Druck, den Erfolg, das öffentliche Image weiter zu nähren.

Mal fängt die Kamera Uffie liegend ein, betrachtet ihr Gesicht von oben. In den oft nur Sekunden dauernden Montageschnipseln gibt es Spielszenen, in denen ein Mädchen im rosa Rüschenkleid seiner Puppe mit einem Draht in den Kopf sticht. Ein andermal liegt Uffie auf der Trage einer Ambulanz, dann wieder sieht man eine junge Frau in einer nachgestellten Szene im Krankenhausbett liegen. Uffie inszeniert sich vor der Kamera auch selbst mit schrillen Posen, dann wieder sitzt sie nach einem Auftritt am Morgen auf dem Hotelbett und fühlt sich elend. Diese ständigen Höhen und Tiefen, der Rauschzustand, die Bühne, die Öffentlichkeit, und dann Uffies Gefühl, ausgelaugt zu sein, werden in diesem packenden Film sehr überzeugend eingefangen.

Es dauert, bis Anna Hartley erkennt, dass sie sich von der Künstlerpersona Uffie radikal trennen muss, um das Leben von einer anderen Seite kennenzulernen. Um 2013 herum besuchen die Filmemacher sie in ihrem Heim in Kalifornien, wo sie mit Mann und zwei Kindern lebt. Anna wickelt Rote Bete in Folie und schiebt sie in die Backröhre. Die bürgerliche Idylle scheint perfekt. Der Film ist zu Ende, aber für Uffie gibt es ein paar Jahre später ein Comeback.

Lilian Francks und Robert Cibis‘ Film beeindruckt, weil sie nicht erklären, sondern kreativ zeigen, weil sie sich einfühlen und sich dabei auch Uffies Art der Selbstdarstellung ein wenig anpassen. Zugleich aber werden die Spannungen spürbar, die zwischen Selbstbestimmung, Selbsterfindung im Internet und dem Druck der Musikindustrie entstehen, die weiß, wie vergänglich Ruhm in einer Zeit ist, die immer nach Neuem giert.

Fuck Fame - Die Geschichte von Elektropop-Ikone Uffie (2019)

Über Nacht zum Blitzerfolg. 2006 wird Mode-Studentin Anna dank Social Media und hunderttausender Follower zur Elektro-Rap-Queen Uffie. Ein irrer Hype entsteht um die damals 19-Jährige. Lässige Beats, schnodderige Attitüde, Uffie kokettiert mit dem Image der Trash-Prinzessin und lebt, wovon sie rappt: Sex, Drugs, Party hard! Bis der Strudel des Musikbusiness sie in die Tiefe reißt und die Sucht nach Aufmerksamkeit sie in eine schwere Identitätskrise stürzt.

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