Jesus liebt dich – Evangelikale auf WM-Mission

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die freundliche Antlitz des religiösen Fundamentalismus

Wenn vom religiösen Konservatismus oder gar vom Fundamentalismus gesprochen wird, denkt man gemeinhin zumeist erst an gewaltbereite Fanatiker muslimischen Glaubens. Was nicht zuletzt den verheerenden Anschlägen des 11. September 2001 und anderen Attentaten des Terrornetzwerks Al-Qaida geschuldet ist, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben. Und auch die Aufmerksamkeit der Medien hat den Fokus vor allem auf den Islam gelenkt. Dabei wurde und wird oftmals übersehen, dass zahlreiche Religionen ihre radikalen Ausprägungen kennen, die keineswegs immer militant und gewaltbereit sein müssen. Strömungen wie diese haben in den letzten Jahren einen gewaltigen Zulauf erlebt. Und zwar nicht nur in den USA, wo christliche Fundamentalisten, wo sich die schon seit längerem aktiv und präsent sind, sondern zunehmend auch in Deutschland. Die vier Berliner Filmemacher Lilian Franck, Robert Cibis, Michaela Kirst und Matthias Luthardt (Pingpong) haben während der Fußball-WM 2006 vier Evangelikale bei ihrer Missionsarbeit begleitet und sind ihnen dabei nahe gekommen wie kaum ein Filmteam zuvor. Auch wenn die Evangelikalen den Begriff „fundamentalistisch“ für ihre Bewegung ablehnen – was auf ein evangelikales Schisma im Jahre 1957 zurückzuführen ist — , im Kern sind die Haltungen der bibeltreuen, konservativen Christen in ihrer Ablehnung von vorehelichem Sex, homosexuellen Lebensgemeinschaften und Darwins Evolutionslehre durchaus vergleichbar mit dem, was wir fundamentalistisch nennen.
Rund 10.000 Evangelikale aus Europa, Afrika und den USA sind im Sommer 2006 nach Deutschland gereist, um unter den Fans Missionsarbeit zu leisten und möglichst viele von ihnen zu bekehren. Exemplarisch greift der Film vier dieser Missionare heraus und begleitet sie auf ihrem Weg durch das Sommermärchen: Cody Mui beispielsweise ist ein gerade erst Getaufter, der gemeinsam mit seinem Pastor Scott Rourk von der von ihm gegründeten Kirche 411 das Handwerk des Bekehrens erst erlernen soll – was nicht immer so einfach ist, wie die beiden sich das vorgestellt haben. Zumal Cody ziemlich schüchtern ist. Und das ist für einen Missionar nicht gerade die beste Voraussetzung. So bleiben seine Missionsversuche bei jungen türkischen Moslems in Berlin-Kreuzberg erfolglos. Und mehr als einmal möchte man Cody an die Hand nehmen und ihm raten, sich eine andere Beschäftigung zu suchen. Doch zugleich spürt man, dass der aus China stammende junge Mann genau das bekommt, woran es ihm in seinem bisherigen Leben stets mangelte – Anerkennung.

Wie bizarr die Glaubensvorstellungen sind, die seinen Mentor Scott Rourk antreiben, wird deutlich, als er zu Beginn des Films die Vermutung äußert, die Anschläge des 11. September 2001 seien Teil von Gottes Plan gewesen, eine neue Kirche zu gründen. Denn erst durch die riesige Spendenwelle seien die 250.000 Dollar aufgekommen, mit der die 411-Church gegründet werden konnte. Eine recht eigenwillige Interpretation der Anschläge, die aber deutlich macht, wie sehr alles im Weltbild der Evangelikalen als „gottgegeben“ hingenommen wird.

Auch der aus Sambia stammende Gershom Sikaala, der sich auf den weiten Weg von Afrika nach Deutschland gemacht hat, hat mit der Realität der WM seine Probleme. Dabei hatte er, der sich selbst als „Produkt europäischer Missionierung“ bezeichnet, große Hoffnungen in seine Deutschlandreise gesetzt – er wollte das Wort Gottes zurück nach Europa bringen. Das allerdings ist gar nicht einfach, so dass der Missionar in einer Szene des Films auch mal mit der Stimme aus einer Notrufsäule kommuniziert, um dem Mann am Ende zu verkünden, dass Jesus ihn liebe.

Ebenfalls interessant und auf erschreckende Weise bezeichnend ist die Begegnung mit dem charismatischen Tilmann Pforr, der die Organisation „Jugend mit einer Mission“ (JMEM) als deutschen Ableger der „Youth With a Mission“ (YWAM) gegründet hat. Ähnlich wie ein anderer wiedergeborener Christ, dessen Amtszeit als 43. Präsident der Vereinigten Staaten gerade zu Ende ging, war auch Pforr früher eine verlorene Seele, die schließlich durch die Bibel wieder auf den „rechten Weg“ zurückfand. Was bedeutet, dass vor und nach jeder Entscheidung zu Gott gebetet und er um Hilfe und Unterstützung angerufen wird. Auch das wirkt an manchen Stellen des Films befremdlich – zum Beispiel, wenn der Missionar eine Gruppe nicht rückkehrwilliger Kameruner per Telefonanruf den Behörden meldet und danach eine Kollegin dafür beten lässt, dass dieses Gespräch gesegnet sei.

Auch wenn man nach dem Film geneigt ist, die fundamentalistischen Missionare und ihre Jünger als Randerscheinung abzutun – der Vorspann des Films zeigt auf, dass es bereits mehr als 500 Millionen Menschen sind, die dieser Glaubensrichtung angehören. Vor allem in den USA genießen die Ultra-Orthodoxen großen Einfluss aus Politik und Gesellschaft- bis hin zu den wirren Äußerungen einer Beinahe-Vizepräsidentin Sarah Palin. Was auf dem Spiel steht, wenn die selbst ernannten Menschenfischer sich durchsetzen, ahnt man, wenn man den Predigern genau zuhört: „Wollt ihr Gottes Armee beitreten? Da gibt’s keine Demokratie mehr…“ Immerhin aber erfahren wird dann auch noch, dass Gott ein guter König ist.

Jesus liebt dich ist ein interessantes Dokument, das einen tiefen Einblick in die Strukturen und Denkweise der Evangelikalen erlaubt. Bei aller Freundlichkeit und Sympathie, die die vier Protagonisten ausstrahlen – wirklich beruhigend sind diese Einblicke nicht. Sie rufen vielmehr dazu auf, den weiteren Weg der selbst ernannten Missionare aufmerksam zu verfolgen. Den meisten Fußball-Fans jedenfalls waren die Missionierungsversuche herzlich egal, viele der Bibeln, die in Potsdam verteilt werden, landen im Papierkorb. Und die einzige Religion, zu der sich die Fans während der WM gerne bekehren lassen, ist Fußball. Das hätte man sich eigentlich auch vorher denken können. Trotzdem: Nach Auskunft der Filmemacher kommen Tag für Tag rund 50.000 Bekehrte hinzu.

Jesus liebt dich – Evangelikale auf WM-Mission

Wenn vom religiösen Konservatismus oder gar vom Fundamentalismus gesprochen wird, denkt man gemeinhin zumeist erst an gewaltbereite Fanatiker muslimischen Glaubens.
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Meinungen

Karl Krauss · 10.05.2011

Ich hab ihn im Kino bei der Berlinale gesehen und fand ihn herrlich absurd komisch. Also dann doch sehr unterhaltsam. Und so nah dran war ich bei solchen Leuten auch noch nicht.

Joe Cool · 31.01.2009

Wer will sich so einen trägen Film ansehen? Da habe ich mit meiner Zeit besseres zu tun. Um mich zu langeweilen gehe ich nicht ins Kino.