Die Haut der Anderen (2016)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Pornosüchtiger Voyeur liebt Frau mit Todesfetisch

Ein pornosüchtiger Voyeur verliebt sich in eine Frau mit Todesfetisch: Eine perfekte tagline für das Pitchen eines Filmes. Nun musste freilich Thomas Stiller seinen Film kaum pitchen: Er hat ihn nicht nur geschrieben und inszeniert, sondern auch produziert, aus eigener Tasche finanziert – keine Förderung, keine TV-Sender. Er hat den Film nicht wegen des coolen claims gemacht, sondern aus tiefer Überzeugung. Allerdings ist bei Die Haut der Anderen unterwegs irgendwo etwas schiefgelaufen.

Marc (Oliver Mommsen) schreib pornographische Romane. Auf einer Lesung lernt er Justine (Isabel Thierauch) kennen. Sie findet ihn interessant – vor allem, weil sie zuhause zwar einen sehr intelligenten und oftmals feinfühligen Mann hat, der sie aber trotzdem immer wieder brutal zusammenschlägt. Marc hingegen nimmt gerne mal eine Frau mit aufs Hotel – aber nicht in sein Zimmer, sondern nebenan. Kommunikation nur über Mikrophon, Sichtkontakt über Videokamera. Und dann sich gegenseitig was voronanieren. Marc schaut Pornos und wichst, bis der Schwanz blutet. Justine verkriecht sich in die Gartenhütte zu ihrer Sammlung toter Tiere, denen sie beim Verwesen zusieht. Und dabei onaniert.

Das ist natürlich einerseits alles angemessen krass. Andererseits von vorneweg als Liebesgeschichte angelegt. Und das könnte wohl auch funktionieren. Tut es aber nicht. So ausgefeilt die Derangierungen der Protagonisten sind, so wenig sind sie mit wirklichem Leben erfüllt. Marc erscheint zudem als ziemliches Arschloch – in der ersten Szene des Films demütigt er Justine telefonisch, es ist ein Ausblick auf die Kulminationsszene des Films: Er hat eine Nutte mit aufs Zimmer genommen, alt und hässlich, und beschimpft Justine dafür, was sie ihm angetan hat.

Alles beginnt nach den Regeln der Seitensprung-Romanze: Unglück mit dem Ehemann, kennenlernen, abtasten, Kunstgalerie, Zoobesuch. Am Geburtstag, den Justine einsam verbringt, baden beide nackt in einem Pool, der ihnen nicht gehört. Mehr geht erstmal nicht, aber alsbald werden die jeweiligen sexuellen Spleens dem anderen klar. Marc will nicht berührt werden. Justine will gewürgt werden. Passt nicht. Das ist die schlimmste Katastrophe für die zwei.

Das Milieu ist dabei äußerst kunstsinnig: Pierre (Marco Hofschneider), Justines Mann, ist gefeierter Theaterregisseur. Eine Skulpturenausstellung bringt sie mit Marc zusammen. Literatur spielt auch eine Rolle, pornographisch zwar, aber, wie der Film angibt, nichtsdestoweniger kunstvoll. Und weil alles auf hohem Niveau ist, haben die Filmfiguren französische Namen, als Hommage ans französische Kino, an die französische Erotik. Justines Pate ist Marquis de Sade persönlich.

Marc lernt über Justine, über sich hinauszuwachsen. Erstmal mit ihr in einem Zimmer zu sein. Dann sogar küssen, schmusen. Irgendwann auch bumsen, am Meer, bei Sonnenaufgang. Jetzt ist es an Justine. Die will gewürgt werden. Da flippt Marc aus. Sie sieht ihre Schuld ein. Bittet um Verzeihung. Offenbar ist gewürgt werden zu wollen schlimmer, als Frauen voyeuristisch auszubeuten, schlimmer als schlimmste eheliche Gewalt. Wie kommen die beiden da nur wieder raus? Leider ist zu diesem Zeitpunkt das Interesse des Zuschauers schon gegen Null gesunken.

Die Haut der Anderen (2016)

Marc Deville ist ein erfolgreicher Autor für erotische Literatur. Doch im Alltag kann er sich nicht auf körperliche Nähe mit dem anderen Geschlecht einlassen. Er ist süchtig nach Pornos. Sexualität funktioniert für ihn nur durch eine zwischengeschaltete Kamera und Selbstbefriedigung vor dem Abbild. Eines Tages lernt Marc die Krankenschwester Justine kennen. Auch sie hat einen Fetisch: sie steht auf Würgespiele, was zu einer Entfremdung in ihrer Ehe mit Eric führt.

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Meinungen

Walter Zens · 05.03.2020

Feinfühliger Film über zwei Menschen, die in ihren sexuellen Abgründen gefangen sind.