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In ihrem Filmessay „Geschlechterkampf – Das Ende des Patriarchats“ befassen sich Margarita Breitkreiz und Sobo Swobodnik mit der Situation der Frau in unserer Gesellschaft.

Geschlechterkampf - Das Ende des Patriarchats (2023)

Eine Filmkritik von Anke Zeitz

Die Einladung, Banden zu bilden – und Meinungen!

Gleichstellung in der Gesellschaft, gendergerechte Sprache, gleicher Lohn für gleiche Arbeit – die Stichworte, die die Durchsetzung der Rechte von Frauen seit jeher begleiten, haben immer auch mit Kampf zu tun. Denn die Vormachtstellung des Patriarchats, sie hält sich hartnäckig. Und sie will auch nicht einfach so verschwinden. Wie aber nähert man sich diesem komplexen Thema – und fügt ihm vor allem noch einen neuen Aspekt hinzu? Margarita Breitkreiz und Sobo Swobodnik versuchen es in ihrem filmischen Essay „Geschlechterkampf“ mit Selbstreflexion, Expertenwissen – und einer guten Portion satirisch überspitzen Humor. Nicht immer geht diese Formel auf. Und doch kann sie – natürlich geschlechterübergreifend – viele interessante Denkprozesse in Gang setzen.

Dass „Kampf“ oft mit körperlicher Aggression zu tun hat, macht der Film in seinen ersten Einstellungen klar. Eine Frau beim Boxtraining, sie reflektiert über sich, über das Frausein, über das Erzählen. „Wer ist der Erzähler?“, fragt sie und wechselt vom Voice Over in die direkte Ansprache im On, gerichtet an die Kamera. Die berühmte vierte Wand, die das filmische Handeln von der Rezeption trennt, durchbricht Margarita Breitkreiz – hier gleichzeitig Autorin und Protagonistin – in bester Fleabag-Manier permanent. Der Film ist eine Ansprache, ein Involvieren der Zuschauenden, eine Einladung, den Reflexionen zu folgen.

Eine Spielhandlung gibt es auch, doch ist sie mehr ein Durchexerzieren von Situationen und Sequenzen, die immer für etwas zu stehen scheinen, aber keine wirkliche Entwicklung aufzeigen. Da gibt es die sich wiederholenden Termine bei dem zuständigen Sachbearbeiter auf dem Arbeitsamt (perfekt besetzt: Lars Rudolph), der ihr, der Schauspielerin ohne Engagement, empfiehlt, sich doch einen anderen Job zu suchen. Oder die skurrilen Begegnungen mit Buffalo Bill (hingebungsvoll wie immer: Daniel Zillmann), einem Kleindarsteller, der das Kostüm seiner Rolle nie abzulegen scheint, sich nach einem One-Night-Stand hoffnungslos in sie verliebt und sie stalkt, bis sie ihm auf radikale Weise beibringt, dies bitte zu unterlassen.

Abseits dieser minimalen Handlungsstränge verdeutlichen die gezeigten Momente exemplarisch genau jene Situationen, die viele Frauen so oder so ähnlich schon einmal erlebt haben: Das Angraben im Club, die sexistisch-herablassende Haltung vieler positionshöherer Männer, das Mansplaining, etc. etc. Fast in jeder dieser sehr kurzen Sequenzen dreht sich Breitkreiz zur Kamera und lässt durch ein Zitat berühmte Autorinnen, Frauenrechtlerinnen und Künstlerinnen zu Wort kommen. Dazwischen knallbunte Texttafeln mit eingestreuten Sätzen wie „Die Gegenwart tanzt“ oder auch „Unsere Doppelbelastung heißt Kapitalismus und Patriarchat“.

Schon bei seinem Film Klassenkampf arbeiteten Swobodnik und Breitkreiz eng miteinander zusammen. Und die Präsenz gerade der Autorin und Hauptdarstellerin ist auch hier wirklich eindrucksvoll. Man könnte ihr ewig zuschauen, wie sie mit aufmerksamem Blick in eine Welt schaut, in der sich komische, tragische und unbegreifliche Dinge ereignen. Der Film ist voll von Gastauftritten von Schauspielkolleg:innen wie Inga Busch oder auch Alexander Scheer, die vor Überspitzung und Überzeichnung keine Angst haben.

Immer wieder lassen Breitkreiz und Swobonik auch Expertinnen zu Wort kommen wie Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray, die trans*Frau und Kabarettistin Michaela Dudley oder die Journalistin Teresa Bücker. Man wünscht sich, diese Sequenzen hätten im Film mehr Länge bekommen, denn schon in den kurzen Gesprächen werden viele interessante Themen und Aspekte beleuchtet, die mehr Platz im allgemeinen feministischen Diskurs verdient hätten. Wie etwa durch Bücker, die auch kritisch auf die Frauenquote blickt. Denn, so hinterfragt sie: Wie gut soll es sein, wenn eine Frauenquote nur bedeutet, Frauen in dieselben Positionen wie Männer zu heben, wo sie dann eben auch Waffen verkaufen oder ihre Mitarbeiter:innen schlecht bezahlen oder behandeln? Oder Michaela Dudley, die gegenüber Breitkreiz zugibt, dass die aktuelle Feminismusdebatte auch eine gewisse Zerrissenheit innerhalb der Bewegung zeigt.

Es sind diese Punkte, die verdeutlichen, wie intensiv, selbstkritisch und diskussionsoffen sich auch Breitkreiz und Swobodnik gegenüber ihrem Sujet geben. Dennoch feiern Breitkreiz und Swobodnik die Frauen in ihrer Rolle als Aufbegehrende, als Revolutionärinnen, als dem Patriarchat trotzende Subjekte. Im Gegensatz zu Klassenkampf ist die Bildgestaltung weniger künstlerisch, weniger verspielt, eher direkt und dokumentarisch. Und Margarita Breitkreiz ist, wie schon angedeutet, in fast jedem Bild zu sehen.

Wie sie beobachtet, wie sie laut denkt, wie sie durch Berlin läuft, isst, trinkt, sich aufregt, resigniert, aus der Haut fährt. Lässt man sich auf diese One-Woman-Show ein, dann ist Geschlechterkampf — Das Ende des Patriarchats ein gelungenes filmisches Essay, eine Einladung zur Diskussion, zum reflexiven Rezipieren über die aktuelle feministische Diskussionskultur und die Situation der Frau in unserer Gesellschaft. Vermag man dies nicht, dann können die Wiederholungen, der ständige Einsatz des immer gleichen Gitarrenriffs zwischen den einzelnen Kapiteln, sowie der zunehmend verworrene Faden der Erzählung auch als enervierend empfunden werden. Doch vielleicht gehört auch das zum Konzept des Films, der dazu aufruft, nicht nur „Banden“ zu bilden, sondern eben auch ganz eigenständige Meinungen.

Geschlechterkampf - Das Ende des Patriarchats (2023)

Die 42-jährige Schauspielerin Marga hat den Zenit ihrer Karriere überschritten und stößt aufgrund von fortschreitendem Alter und als Frau an die Grenzen der patriarchalen Gesellschaft. Eine radikal-humoreske Kritik der Verhältnisse – und deren Überschreitung. (Quelle: Filmgalerie 451)

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