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Burt Lancasters Auftritt in „Der Leopard“ (1963) ist unvergessen, an den Autor der Vorlage erinnern sich die wenigsten. Ein Dokumentarfilm beleuchtet die außergewöhnliche Lebens- und Liebesgeschichte des Schriftstellers mittels Reenactment – gelingt das?

Die Geburt des Leoparden (2019)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Geschichte eines Niedergangs

Il Gattopardo ist weltberühmt, dessen Verfilmung durch Luchino Visconti ebenfalls. Doch diesen Erfolg bekam Giuseppe Tomasi di Lampedusa nicht mehr mit. Sein erster und einziger Roman, den er kurz vor seinem 58. Lebensjahr zu schreiben begann, erschien erst posthum. Darin erzählt er vom Niedergang eines sizilianischen Fürstenhauses. Regisseur Luigi Falorni zeichnet in seinem Dokumentarfilm nun den Lebensweg des Schriftstellers nach. Auch dieser vollzieht sich als schleichender Abstieg, steckt in seinem Roman doch viel von seiner eigenen Familie.

Falornis Faszination für seinen Stoff liegt auf der Hand: ein Welthit von einem bis zur Veröffentlichung in literarischen Zirkeln völlig Unbekannten, eine Familienchronik voller Schicksalsschläge, eine Liebesgeschichte über Tausende Kilometer hinweg und das alles vor der Folie fürstlicher Bälle und zweier grauenhafter Weltkriege. Wie die Leben seiner Hauptfigur Don Fabrizio und dessen Sippschaft erscheint auch Tomasis Leben in der Rückschau larger than life. Doch der Reihe nach.

Der spätere Schriftsteller wird als Don Giuseppe Maria Fabrizio Salvatore Stefano Vittorio am 23. Dezember 1896 in Palermo in die Fürstenfamilie Tomasi di Lampedusa und mitten hinein in die Belle Époque geboren. Palermos mondänstes Jahrzehnt, das ihm laut seines Biografen David Gilmour überhaupt nicht zusagt. Zwei Wochen später stirbt seine ältere Schwester an Diphtherie, wodurch der kleine Giuseppe für seine Mutter zur Ersatztochter und Jahrzehnte später, nach dem Tod ihres Ehemanns, auch zum Ersatzmann wird. Eine innige Beziehung, unter der Tomasis Ehe mit der Deutsch-Baltin Alexandra von Wolff-Stomersee fortwährend litt. Deren Ehe allein wäre romanreif. Falornis Form ist es nicht.

Der italienische Filmemacher, der gemeinsam mit Co-Regisseurin Byambasuren Davaa mit der Geschichte vom weinenden Kamel (2003) reüssierte, entscheidet sich für einen nie ganz stimmigen Mix. Neben klassischen Interviews und einem Übermaß an Archivmaterial stellt er ungelenkes Reenactment. Zum bereits erwähnten Gilmour und Tomasis Adoptivsohn und Erben Gioacchino, der munter aus dem Nähkästchen plaudert, gesellen sich Darsteller*innen, die in schwarz-weiß eingefärbten, nachgestellten Interviews die beiderseitige Verwandtschaft geben.

Trotz der Fülle spannender Lebenswege und -entwürfe (die von allen „Licy“ genannte Alexandra etwa war in erster Ehe mit einem homosexuellen Baron verheiratet und machte später Karriere als Psychoanalytikerin), trotz der familiären Schicksalsschläge (Tomasis Tanten kommen bei einem Erdbeben, einem Mord und durch Selbstmord um, der Familiensitz fällt Weltkriegsbomben zum Opfer) und trotz der sagenhaften Kulisse von Palermo bis Riga, von Rom über London bis Berlin, vor der sich dieses unglaubliche Schauspiel abspielt, wird Falornis Film den Charakter einer Fernsehdoku nicht los. Die Form erinnert mehr an Guido Knopp denn an großes Dokumentarfilmkino.

Wer das verschmerzen kann, wird Zeuge einer schillernden, längst vergangenen Epoche, in der Frauenherzen noch durch Liebesbriefe erobert wurden und Ehen weit voneinander entfernter Partner nur noch auf dem Briefpapier bestand hatten. Bei all dem angebrachten Gram über die persönlichen und familiären Verluste hat sich Tomasi zeitlebens seinen Humor bewahrt. Über seinen Cousin Lucio Picollo, dessen unerwarteter literarischer Erfolg ihn erst zum Schreiben anspornte, hat er einmal geschrieben: „Ich hatte die mathematische Gewissheit, nicht dümmer zu sein als er. Also setzte ich mich an den Schreibtisch.“ Das Ergebnis ist große Literatur.

Die Geburt des Leoparden (2019)

„Il Gattopardo“ (Der Leopard) von Giuseppe Tomasi di Lampedusa erschien ein Jahr nach demTod des bis dahin völlig unbekannten italienischen Autors. Der Roman wurde ein Welterfolg und giltbis heute als Meisterwerk der Weltliteratur. Doch die tatsächliche Lebens- und Liebesgeschichte desSchriftstellers mit seiner deutsch-baltischen Frau stellt den großen Roman fast in den Schatten. DerFilm wird diese Geschichte zum ersten Mal erzählen und zeigen, wie sie zur Entstehung eines derberühmtesten Werke des 20. Jahrhunderts geführt hat.

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