Log Line

Djibril Diop Mambétys 1973 erstveröffentlichtes Roadmovie „Touki Bouki“ kommt als Wiederaufführung in die Kinos. Eine gute Gelegenheit, ein bedeutendes Stück Filmgeschichte auf der großen Leinwand zu erleben.

Touki Bouki - Die Reise der Hyäne (1973)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Außer Atem in Westafrika

Wiederaufführungen sind von unschätzbarem Wert. Sie bieten nicht nur die Gelegenheit, prägende Werke der Filmgeschichte auch abseits von Retrospektiven bei Filmfestivals in ihrer angedachten Form auf der großen Leinwand zu genießen. Sie werfen auch Seitenblicke, etwa auf Filmschaffende, die gern übersehen werden. Djibril Diop Mambéty (1945–1998) und sein psychedelisches Roadmovie zählen dazu.

Um den Zugang zum Filmerbe ist es in Deutschland generell schlechter bestellt als in cinephile(re)n Nationen wie Frankreich, England und den USA (mit ihrer Criterion Collection). Ist man im deutschsprachigen Raum auf der Suche nach bedeutendem Kino aus Afrika, wird man bei der Kulturstiftung trigon-film aus der Schweiz fündig. Diese haben auch Touki Bouki – Die Reise der Hyäne aus dem Jahr 1973 in ihrem Filmbestand, den die Cinemalovers, ein 2021 zusammengeschlossenes Netzwerk an Kinos, als Wiederaufführungen in ihre Abspielstätten bringen. Für viele Kinogänger:innen dürfte es die erste Begegnung mit Mambétys erstem abendfüllenden Spielfilm sein – und eine augenöffnende mit dazu.

Mambéty, im Januar 1945 in Colobane, einem heutigen Stadtteil von Senegals Hauptstadt Dakar, geboren und 1998 in Paris gestorben, zählt zu Afrikas aufregendsten Regisseuren, teilt wie die meisten seiner Kolleg:innen jedoch das Schicksal, im Schatten seines Landsmanns Ousmane Sembène (1923–2007) zu stehen. Der Arbeiter, der sich zum Schriftsteller und Regisseur hochrackerte, gilt gemeinhin als „Vater des afrikanischen Kinos“. Und sein Einfluss ist auch in Touki Bouki sichtbar. Wie Sembène, der sich ab seinem zweiten abendfüllenden Spielfilm Die Postanweisung (1968; Originaltitel: Mandabi) dazu entschied, die Sprache der ehemaligen Kolonialherren hinter sich zu lassen, drehte Mambéty seine Filme auf Wolof. Und auch vom Alltagsleben, das bei  Sembène oft im Zentrum seiner gesellschaftskritischen Filme steht, ist viel in Touki Bouki zu finden – allerdings auf ganz andere Art.

Nach dem Kurzfilm Contras‘ City (1969) und dem mittellangen Badou Boy (1970) war Touki Bouki Mambétys Langfilmdebüt. Darin folgt er einem Paar durch Dakar. Der Viehhirte Mory (Magaye Niang) und die Studentin Anta (Myriam Niang) versuchen, genügend Geld zusammenzukratzen, um ihr langweiliges Leben im Senegal hinter sich zu lassen und ins aufregende Paris abzuhauen. Dabei schrecken sie vor Verbrechen nicht zurück. Auch Mory ist ein „badou boy“, ein böser Junge. Und Anta steht ihm in nichts nach. Zwei senegalesische Bonnie und Clyde, nur mit weniger Blei und mehr beißendem Sarkasmus; außer Atem in Dakar.

Wenn die zwei auf ihrem mit Rinderhörnern geschmückten Motorrad durch die Gegend fahren, sich auf den Klippen über dem Ozean lieben und in eine Staatsparade, die ihnen zu ehren abgehalten wird, imaginieren, dann schwappen in diese Einstellungen, die mal psychedelisch verzerrt und mal als beeindruckend montierter Bildersturm über die Leinwand fegen, immer auch die anderen neuen Wellen jener Tage hinein – von Außer Atem (1960) über Land in Trance (1967) bis zu Easy Rider (1969) und Funeral Parade of Roses (1969).

Hier prallt Tradition auf Erneuerung, tradierte Rollenbilder werden aufgebrochen, Kolonialismus und dessen Überwindung werden gleichermaßen sarkastisch verlacht. Und Nonkonformisten werden wie die Rinder zur Schlachtbank geführt (was Mambéty ungeschminkt dokumentiert). Touki Bouki ist assoziatives Kino at its best! Und trotz aller Anleihen und Einflüsse in seiner Art, Zeit und Raum in der Montage zu überwinden, dennoch ganz eigen. Ein afrikanisches Roadmovie, das in seinen Leerstellen jede Menge Raum für Interpretationen lässt.

Touki Bouki - Die Reise der Hyäne (1973)

Mory und seine Freundin Anta haben einen großen Traum: Sie wollen Dakar verlassen und nach Paris gehen. Da ihnen das nötige Geld für die Schiffsreise fehlt, beschaffen sie es sich auf illegale Art und Weise. Als es schließlich so weit ist, besteigt Anta das Schiff, doch Mory besinnt sich im letzten Moment und kehrt um. Er macht sich auf die Suche nach seinen Wurzeln. (nki)

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen