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Als ein brutales Unterdrückungssystem ihr Dorf bedroht, beschließen zwei Schwestern, sich zu wehren. In atmosphärischen Schwarz-Weiß-Bildern verhandelt der nigerianische Mystery-Film das Ringen zwischen Tradition und Moderne und zeichnet ein einprägsames Bild weiblicher Widerstandskraft.

Mami Wata (2023)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Wassergöttin droht Untergang

Hierzulande weitgehend unbemerkt existiert in Nigeria eine recht umtriebige Filmindustrie, die Jahr für Jahr zahlreiche Werke auf den Markt bringt. Dort wurde auch C.J. „Fiery“ Obasi groß, der 2014 gleich mit seinem Low-Budget-Erstling, dem Zombiethriller Ojuju, für internationales Aufsehen sorgen konnte. Auf positive Resonanz stieß auch sein auf diversen Festivals gezeigter dritter Spielfilm Mami Wata, dem das 2021 gegründete Netzwerk Cinemalovers einen deutschen Kinostart spendiert. Erfreulicherweise, muss man sagen, denn gerade auf der großen Leinwand entfaltet sich die ganze stimmungsvolle Kraft der thematisch reichhaltigen Mischung aus Mystery-Streifen, Thriller und Glaubensdrama.

Handlungsort ist das kleine Dorf Iyi, gelegen am Golf von Guinea und ganz der Meeresgöttin Mami Wata zugewandt. Als Vermittlerin zwischen dem Wassergeist und der Gemeinschaft fungiert eine gewisse Mama Efe (Rita Edochie), deren Fähigkeiten allerdings zunehmend angezweifelt werden. Selbst ihre leibliche Tochter Zinwe (Uzoamaka Aniunoh), die ihr als Medium nachfolgen soll, verliert langsam den Glauben und kehrt ihrer Mutter den Rücken. Der Tod eines kranken Jungen bringt Mama Efe schließlich in arge Bedrängnis, konfrontiert sie mit Fragen nach dem fehlenden Fortschritt des Ortes.

Während Zinwe sich komplett zurückzieht, verliebt sich Mama Efes Adoptivtochter Prisca (Evelyne Ily Juhen) in einen Fremden namens Jasper (Emeka Amakeze), der unverhofft an den Strand von Iyi gespült wird. Sein Auftauchen lässt die ohnehin vorhandenen Spannungen weiter hochkochen und mündet in ein von ihm angeführtes Terrorregime. Hilfe im Kampf gegen die Unterdrückung erhofft sich Prisca daraufhin von ihrer abgetauchten Schwester Zinwe.

Ein Publikum, das vom wirkmächtigen Erzählkino Hollywoods maßgeblich konditioniert wurde, dürfte Mami Wata ein ums andere Mal irritieren. Beispielsweise bleibt eine ganze Weile unklar, wen der auch für das Drehbuch verantwortliche Obasi ins Zentrum seiner Geschichte stellen will. Zinwe scheint zunächst die Hauptfigur zu sein, verschwindet dann aber eine von der Bildfläche und überlässt der zum treibenden Motor werdenden Prisca die Bühne. Was ebenfalls auffällt: Logik interessiert den Filmemacher nur bedingt. Mehrfach arbeitet er mit Auslassungen und verknappt wichtige Entwicklungen. Erstaunlich ist beispielsweise, wie schnell Jasper die Feinde Mama Efes hinter sich vereinen kann.

Mami Wata setzt nicht auf starren Realismus, sondern gibt sich, auch durch eingeschobene Kapitelüberschriften, von Anfang an mystisch und parabelhaft. Traditionelle Vorstellungen vom Leben prallen auf die Verheißungen der Moderne, und ein Matriarchat wird durch ein destruktives Patriarchat ausgetauscht. Besonders die Männer sägen an Mama Efes Stuhl, sprechen sich für eine verbesserte Infrastruktur, für mehr Bildung aus, lassen sich, einmal an der Macht, jedoch völlig gehen und nutzen die regelmäßigen Abgaben der Bevölkerung einzig, um Waffen zu erwerben. Gewalt und Missbrauch treten an die Stelle des alten Glaubenssystems, sorgen für ein permanentes Klima der Angst.

Aus dieser Gemengelage entwickelt der Regisseur den schlagkräftigen Widerstand der beiden ausdrucksstark gespielten Schwestern, der in einigen furiosen Kampfszenen kulminiert. Bis zum aufregenden Showdown fließt der Film allerdings eher ruhig dahin und kreiert eine verwunschene, manchmal traumgleiche Atmosphäre. Sorgsam komponiert und betörend sind die kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bilder von Kamerafrau Lílis Soares, aus denen immer wieder die hell bemalten Gesichter der Mami-Wata-Anhängerinnen leuchtend hervorstechen. Für eine sogartige Wirkung sorgt außerdem eine sehr präsente Tonspur. Die Natur dringt, ähnlich etwa wie in Ciro Guerras Amazonasparabel Der Schamane und die Schlange, mit all ihren Geräuschen, dem Pfeifen des Windes, dem Plätschern des Wassers und dem Gezwitscher der Vögel, regelrecht in den Kinosaal ein. Mami Wata ist ein Film, der erlebt werden will – und genau darauf sollte man sich einlassen.

Mami Wata (2023)

Im westafrikanischen Dorf Iyi wird die Wassergottheit Mami Wata verehrt. Als Kinder mysteriös verschwinden, geraten die Einheimischen in einen gewaltsamen Konflikt der Glaubensvorstellungen. Zwei Frauen, Zinwe und Prisca, schmieden einen Plan, um den Ruhm ihrer Gottheit wiederherzustellen und ihr Dorf zu retten. Doch dazu müssen sie erst ihre Verlusterfahrungen verarbeiten und einander vertrauen. (Quelle: Filmfest München)

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