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Es gibt in Ludwigshafen einen König: Céphas Bansah ist Herrscher einer ghanaischen Volksgruppe und seit Jahrzehnten in Deutschland als Autowerkstattmeister beschäftigt. Mit seiner Tochter reist er in die afrikanische Heimat. Auch weil irgendwann die Nachfolgefrage ansteht…

König Bansah und seine Tochter (2020)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

… wenn ich Königin von Ghana wär’

Ludwigshafen hat ein riesiges Chemiewerk, Ludwigshafen hat ein Filmfestival, Ludwigshafen hat Hochstraßen, die von der Pfalz her direkt über die Stadt nach Mannheim führen. Ludwigshafen hat eine Nachkriegsinnenstadt und eine Fußgängerzone, aus der alle größeren Geschäfte längst weggezogen sind, Ludwigshafen hat ein Philharmonieorchester, Ludwigshafen hat Daniela Katzenberger, Apache 207, Ludwigshafen hatte Ernst Bloch und Helmut Kohl. Ludwigshafen hat einen König. Er ist Automechaniker.

Togbui Ngoryifia Céphas Kosi Bansah ist König der Gbi-Gruppe von circa 200.000 Menschen in Ghana, Teil des Drei-Millionen-Volkes der Ewe, er sitzt den Regionalkönigen vor, von Ludwigshafen aus. Geboren 1948 kam er mit 22 Jahren nach Deutschland. Lehre, Gesellenprüfung, Meisterprüfung, eigene Werkstatt seit 1983. 1992 wurde er gekrönt, seither ist er der spirituelle Führer, er regiert nach Feierabend per Telefon. Wer Sorgen hat, meldet sich bei ihm. Und er hilft, so gut er kann.

Bansah ist ein guter König. Und er ist immer für alberne Folklore gut. Agnes Lisa Wegner führt ihn in ihren Film König Bansah und seine Tochter ein über einen Dorfumzug, bei dem er in vollem Ornat durch den Ort gefahren wird, zum staunenden Gaudium der Zuschauer; er ist der echte König aus Afrika unter einer Gruppe von hiesigen Weinköniginnen. Zur deutschen Volkstümelei gehört halt mitunter auch die Exotenschau, der Fremde ist ja interessant, solange er nicht allzu fremd ist. Bansah ist Lokalpatriot, preist die Schönheit Ludwigshafens, und er weiß diese Heimat zu schätzen: Wenn man in Deutschland etwas erreichen will, kann man es schaffen.

Und deshalb hilft er in Ghana. Dort lässt er eine Gewerbeschule bauen und Brunnen bohren, und er sorgt sich um seine Nachfolge: Seine Tochter Katharina Akosua Bansah wäre durchaus geeignet. Sie ist Deutsche und spürt, wie sie von vielen abgelehnt und ausgegrenzt wird. In Deutschland ist sie die Schwarze, in Ghana die Weiße – mit dem Unterschied, dass in Ghana die Hautfarbe eigentlich nur Neugierde weckt, keine ablehnenden Gefühle. Vater und Tochter planen eine Reise in die afrikanische Heimat, der König muss auch mal Präsenz zeigen. Und die Tochter freut sich auf diese Kultur, mit der sie aufgewachsen ist, ohne in ihr zu stecken.

Irgendwann spricht sie über den traditionellen Glauben, der geografisch so weit entfernt praktiziert wird: Voodoo mit seiner Totem-Kultur und seiner der Ritual-Spiritualität, der sie immer wieder auffängt. Im nächsten Bild sehen wir ihren Vater, wie er im ZDF an einem Pool unter Palmen einen dumpf stampfenden, pseudoafrikanischen Gute-Laune-Schlager singt: Er weiß, wie er dem Affen Zucker geben kann, er weiß, dass seine Hautfarbe auch in Deutschland Neugierde erweckt, er schlägt daraus Kapital.

Wegner gelingt es dramaturgisch sehr klug, die vielen Facetten ihres Filmes zu entfalten: Immer wieder kommt etwas Neues um die Ecke, immer wieder erfährt man etwas, an das man vorher nicht gedacht hätte. Wo der Film in Richtung Tiefgang steuert, hüpft er plötzlich wieder in eine ganz andere Richtung; er wirft nie alles zugleich aufs Tablett, sondern lässt den Zuschauer teilhaben an dieser Entdeckungsreise zu ghanaischen Royals in Deutschland. Und er reist mit ihnen nach Ghana.

Der Willkommens-Zug durch die Stadt Hohoe ähnelt äußerlich dem Kerwe-Umzug vom Filmanfang – doch hier wird tatsächlich ein Herrscher und Anführer gefeiert, und es geht um etwas. König Bansah, seine Frau Gabriele, seine Tochter Katharina empfangen das Volk: Bitten werden an den guten Herrscher herangebracht, es geht um Werkzeug für die Autowerkstatt, um fehlendes Schulgeld, eine Bäckereiausstattung oder eine Hydraulikpumpe für den Wasserbauingenieur. Bansah hört zu, er hilft, wo er kann – denn den ganzen Folklore-Quatsch als Afrika-Exot vom Dienst, den er in Deutschland bedient, der dient einem Zweck: Geld zu sammeln für sein Volk. Unglaublich stolz ist er über eine Fußgängerbrücke über einen kleinen Fluss, an dem immer wieder Kinder auf dem Schulweg den Krokodilen zum Opfer fielen. Die Bohrlöcher für die Brunnen sind auch bald fertig, bisher mussten die Leute ihr Wasser aus einem Schlammloch holen, wurmbefallene Körper sind die Folge. Ein paar Kilometer weg von Hohoe, sagt Bansah, da befinde man sich in der Hölle. Er wurde auch deshalb zum König gekrönt, weil er in Deutschland wohnt: Von dort aus kann er am besten helfen, und wenn es nur gebrauchte Inliner sind, die Ludwigshafener Schulkinder gesammelt haben.

Katharina reist mit. Sie kämpft mit sich. Sie weiß, dass auch sie weiterhin helfen will. Braucht sie dafür einen Königinnen-Titel? Sie ist nicht so sicher über die Hilfs- und Spendenbereitschaft der Deutschen, die ihr Vater immer wieder erfahren hat. Und sie ist sich nicht so sicher über die Kultur, über die sie vielleicht einstmals herrschen wird und die sie vor allem von außen kennt. Diesen Konflikt, in dem Selbstverständnis, Kulturerfahrungen, Rassismus eine Rolle spielen, stellt Wegner ins Zentrum ihres Films – ohne ihn überzubetonen: Denn sie blickt nicht auf das eine Thema, sondern gerade auf die vielen Facetten, die dieses Thema aufweist, zwischen Ghana und Ludwigshafen, zwischen Königswürde und Blaumann in der Autowerkstatt.

König Bansah und seine Tochter (2020)

Céphas Bansah kommt aus Ghana und lebt in Ludwigshafen. In Ghana ist er König von rund 200.000 Angehörigen der Ewe, in Ludwigshafen betreibt er eine Kfz-Werkstatt. Seine Tochter Katharina ist Künstlerin, Feministin, Freigeist – und Königstochter. Beide erleben eine wachsende Ablehnung von Seiten der weißen Mehrheitsgesellschaft. Nach langer Zeit begleitet Katharina ihren Vater erstmals wieder nach Ghana, um herausfinden, welche Rolle ihre ghanaische Seite in ihrem Leben spielt – und ob sie eines Tages den Thron übernehmen will.

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