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„It Lives Inside“ ist ein kurzweiliger Film mit kleinen Schwächen, der die allzu bekannte Formel des Dämonenhorrors mit Fragen der kulturellen Identität erneuert.

It Lives Inside (2023)

Eine Filmkritik von Rahel Schmitz

Jedes Jahr feiern auf dem Festival South by Southwest (kurz SXSW) zahlreiche Filme ihre Weltpremiere. 2023 war der Horrorfilm „It Lives Inside“ (Regie: Bishal Dutta) einer dieser Familie, die in Austin in Texas präsentiert wurden. Zwar kann der Film nicht auf ganzer Linie überzeugen, verleiht der allzu bekannten Formel des Dämonenhorrorfilms jedoch frischen Wind.

Samidha (Megan Suri), meist schlicht „Sam“ genannt, ist eine indisch-amerikanische Teenagerin, deren größter Wunsch es ist, an ihrer durchschnittlichen amerikanischen High-School und bei ihren durchschnittlichen weißen Freunden reinzupassen. Doch als ihre einstige beste Freundin Tamira (Mohana Krishnan), ebenfalls die Tochter indischer Eltern, eines Tages mit einem mysteriösen Einmachglas vor Sam steht und ihr von einer unsichtbaren Entität erzählt, die in diesem Glas leben soll, gerät das Leben der Teenagerin außer Kontrolle. Im Streit zerstört Sam das Einmachglas – und kurz daraufhin verschwindet Tamira spurlos. Fortan wird Sam von einer grauenvollen Erscheinung heimgesucht, die im Dunklen lauert und es auf sie und ihre Mitmenschen abgesehen hat.

Kulturelles Erbe, Anderssein, Marginalisierung: Bereits das Filmplakat verrät, auf welchen Aspekten das Hauptaugenmerk der Produktion liegt. An ihrer Schule hat Sam zwar zahlreiche (weiße) Freunde, doch dies bezahlt sie mit einem hohen Preis. Ihre indische Herkunft lehnt sie ab, spricht beispielsweise kaum noch Hindi und kann sich auch nicht für die von ihren Eltern weiterhin zelebrierten indischen Traditionen und Festlichkeiten begeistern. Dennoch wird Samidha von ihren Freunden fast schon wie ein Zootier behandelt und beispielsweise gebeten, bestimmte Sätze auf Hindi zu sagen, während sie dabei gefilmt wird. In diesem Konflikt zwischen Sam und ihrer eigenen Herkunft liegt der Kern des Films, der sich auf allen Ebenen konsequent durchzieht. Das Monster, das dem Einmachglas entwich, ist eine explizit hinduistische und buddhistische Kreatur; doch Sam hat sich von ihren indischen Wurzeln zu weit entfernt, um den Kampf mit dem Dämon selbstständig aufnehmen zu können. Sie wendet sich an ihre afro-amerikanische Lehrerin Joyce (Betty Gabriel) – die zwar wenig über Hinduismus oder Buddhismus weiß, aber Sams Erfahrungen mit Marginalisierung nachvollziehen kann und somit geneigt ist, der Teenagerin ihr Vertrauen zu schenken – und an ihre eigene Mutter Poorna (Neeru Bajwa) und erhält schließlich die Hilfe und Stärke, die sie benötigt. Und so ist It Lives Inside nicht nur ein Horrorfilm, sondern auch eine knapp 100-minütige Metapher über Fragen nach der eigenen Identität, dem Wert des kulturellen Erbes und den Schwierigkeiten, zu sich selbst zu finden.

Die Mise en Scène des Films verleiht dieser Metapher Ausdruck: Immer wieder werden die nichtssagenden Gänge von Sams High-School und das durchschnittlich-amerikanische und ebenso nichtssagende Exterieur des Hauses, in dem sie lebt, gezeigt. Zwei Orte, die zumindest äußerlich absolut identitätslos erscheinen. Aber es sind genau diese Orte, an denen Sams Kampf mit sich selbst ausgefochten wird: Die Schule, in der sie ein bestimmtes Bild von sich selbst erschaffen und pflegen möchte; das Zuhause, in dem ihre Mutter ausschließlich Hindi mit ihr spricht und offensichtlich enttäuscht über Sams Ablehnung der eigenen Kultur ist. Auch Phrasen, die immer wieder gesprochen werden, wie „Fang es ein“ und „Sperr es in ein Gefäß“, und natürlich der Filmtitel It Lives Inside selbst, verleihen diesem metaphorischen Konflikt Ausdruck. Samidhas Versuche zu Beginn des Films, ihre Herkunft zu überdecken, sind vergeblich. Sam kann sie ablehnen, kann versuchen, sie wegzusperren – doch ihre Wurzeln leben, gemeinsam mit dem daraus resultierenden Selbsthass, in ihrem Innersten. 

Das Monster im Einmachglas, das sich von negativer Energie und natürlich von Menschenfleisch ernährt, ist schließlich die Spitze dieser umfassenden Metapher, und genau in diesem Aspekt schwächelt der Film. Der Dämon Pishach, der sowohl Tamira als auch Samidha verfolgt, ist eine allzu direkte, fast schon plumpe Metapher für die Erfahrung mit Ausgrenzung und Depressionen. Hinzu kommt, dass die Handlung strenggenommen altbekannt und altbewährt ist, in diesem Film aber stellenweise wirr präsentiert wird. Somit wirkt It Lives Inside wie ein Film, der zu sehr versucht, seinem Publikum die „richtige“ Interpretation des Geschehens vorzukauen. 

Abgesehen von diesen Abstrichen muss die herausragende Leistung der Hauptdarstellerin Megan Suri hervorgehoben werden, die es vermag, in zahlreichen Nahaufnahmen ihres Gesichts ausschließlich mit der Mimik ihrer Augenpartie Emotionen und komplexe Gedankengänge zu vermitteln. It Lives Inside nutzt derartige Einstellungen immer wieder, um zu verdeutlichen, wie viel von Sams Leben ein vorsichtiges Abwägen und gezieltes Entscheiden ist. Anders als viele ihrer weißen Freunde, muss Sam ihr Glück an der High-School aktiv formen, um nicht ausgegrenzt zu werden. Könnte es negativ auf sie reflektieren, wenn sie zu lange mit der von vielen als merkwürdig empfundenen Tamira spricht? Ist sie möglicherweise für das Verschwinden ihrer ehemaligen Freundin verantwortlich? All das zu kommunizieren, ist keine leichte Hürde. It Lives Inside gelingt es – nicht durch forcierte Dialoge, sondern durch ruhige, aber eindringliche Nahaufnahmen von Sams Gesicht.

It Lives Inside (2023)

Eine US-amerikanische Jugendliche mit indischen Wurzeln, die mit ihrer kulturellen Identität hadert, zerstreitet sich mit ihrer ehemaligen besten Freundin und setzt dabei unwissentlich eine dämonische Macht frei, die stärker wird, indem sie sich von der Einsamkeit der Heldin ernährt.

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