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 In einer winterlichen Einöde des 19. Jahrhunderts kämpft ein Jäger mit der Tierwelt. „Hundreds of Beavers“ ist eine ideenreiche Hommage an den Live-Action-Slapstick der Stummfilmzeit und die rabiaten Looney-Tunes-Trickfilme.

Hundreds of Beavers (2022)

Eine Filmkritik von Mathis Raabe

Guy Maddin auf Steroiden

Die „Looney Tunes“, die ikonischen Trickfilme der Warner Bros. aus den Dreißiger- bis Sechzigerjahren, sind in der Regel nur bis zu sieben Minuten lang. Länger braucht man nicht, um zu erzählen, wie ein Rennkuckuck einen Kojoten von einer Klippe jagt. „Hundreds of Beavers“ erzählt ebenfalls eine simple Geschichte, ganz ohne Dialoge, und unterhält dennoch über 100 Minuten lang. Das Duo aus Mike Cheslik und Ryland Brickson Cole Tews hat eine Affinität für Schwarzweiß. Mit „Lake Michigan Monster“ haben sie bereits eine Hommage an das Horror- und Monsterkino der Dreißiger- bis Fünfzigerjahre gedreht. Diesmal bearbeiten sie das Trickfilm- und Slapstick-Feld.

Die simple Geschichte: Dem Apfelschnapsverkäufer Jean brennt irgendwo in einer winterlichen Einöde die Hütte ab. Der einzige andere Beruf, den die Umgebung anzubieten hat, ist der des Jägers. Also geht er, zunächst sehr unbeholfen, dann zunehmend professionell, auf Konfrontation mit Bibern, Hasen, Fischen, Vögeln und Wölfen. Was folgt, ist, in den Worten von Guy Maddin, „steroidally swollen with gags“: Die Gagdichte ist so hoch, dass sich Doping vermuten lässt. Ein großes Lob! Schließlich kennt sich mit Referenzen an früheres Kino kaum jemand besser aus als der kanadische Experimentalfilmer. Hundreds of Beavers kommt tatsächlich daher wie ein Guy-Maddin-Film auf Steroiden.

Im Gepäck hat der Film, wie es sich für Slapstick gehört, viel Schadenfreude: Jean rutscht und stolpert durch die Gegend, fällt in Löcher und von Bäumen oder wird von den Bibern zusammengetreten und kommentiert alles durch dümmliche Laute und Gesichtsausdrücke. Einmal fällt ihm in Anlehnung an einen von Buster Keatons berühmtesten Stunts eine ganze Hausfassade auf den Kopf – nur ohne die glückliche Aussparung, die es in der Vorbildszene gibt. Stunt-Arbeit, das Gefühl echter Gefahr, kann man bei Hundreds of Beavers vermissen. Stattdessen sind solche Szenen durch Tricktechnik gelöst. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.

Der Film verdient sich seine Laufzeit, weil die Retro-Referenzen bald mit einem neueren Element kombiniert werden: Immer wenn unsere Hauptfigur sich zum Händler schleppt, dessen Tochter er übrigens heiraten möchte, um sich für eine bestimmte Anzahl Biber oder Hasen neue Waffen und Fallen zu kaufen, ist das dargestellt wie die Items und Währungen in einem Videospiel-Inventar. Auch eine Karte des Jagdgebiets wird zwischendurch eingeblendet und nach und nach vervollständigt. Eine Biberverfolgungsjagd, während der Jean auf Baumstämmen balancieren muss, funktioniert nach dem Prinzip des Arcadespiel-Klassikers Frogger.

Geschickt ist auch: Genau an dem Punkt, an dem sie Jean tatsächlich zu Hunderten zu Opfer fallen, beginnt der Film, die Biber zu humanisieren, zeigt, dass sie eine Gesellschaft aufgebaut haben, die dem individualistischen Kämpfen und Wirtschaften Jeans, nicht zufällig in der Zeit der Kolonialisierung der USA angesiedelt, eigentlich überlegen wäre, hätte er nicht die rohe Gewalt auf seiner Seite. Diese Meta-Ebene mag nicht so augenfällig sein wie all die abgedrehten visuellen Gags, aber sie ist definitiv vorhanden.

Am unterhaltsamsten ist Hundreds of Beavers aber immer dann, wenn einem bewusst wird, dass man hier hunderte Statisten in überlebensgroßen Tierkostümen sieht, die sich durch den Schnee raufen und dabei allesamt aussehen wie die drolligen Maskottchen von Sportmannschaften oder Cornflakes-Herstellern. Das will der Film nicht verbergen: Das Pferd etwa wird ganz offensichtlich von zwei Menschen in sehr unbequemen Körperpositionen gespielt. Als dann auch noch ein Dritter versucht, in den Sattel zu steigen, purzeln erstmal alle unbeholfen übereinander.

Das Filmteam ist offensichtlich ein Haufen Berufsjugendlicher, die bei ihrer Arbeit unheimlichen Spaß hatten, und eben genau das ist ansteckend. Damit ist Hundreds of Beavers nicht zuletzt ein wunderbares Beispiel für filmemacherische DIY-Praxis: ein Film, der doofe Ideen ernst nimmt und aus kaum Budget durch viel Kreativität und Hingabe wirklich alles herausholt, was möglich ist.

Hundreds of Beavers (2022)

Hätte er mal besser auf seine Apfelbrandanlage aufgepasst! Dann müsste er sich jetzt nicht völlig (lebens-)mittellos durch den Tiefschnee kämpfen. Aber Jean Kayak weiß sich zu helfen: Er wird Pelzjäger! Und legt sich mithilfe ausgetüftelter Fallen mit sarkastischen Waschbären, schwulen Hasen und Hunderten von Bibern an. Wären ihm die mannsgroßen Tiere nur nicht baumstammhoch überlegen… (Quelle: Fantasy Filmfest)

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