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Der Dokumentarfilm „Horror Noire: A History of Black Horror“ widmet sich der Darstellung von Schwarzen im Horrorgenre – und beeindruckt nicht zuletzt mit klugen Köpfen aus der Branche und der Filmwissenschaft.

Horror Noire: A History of Horror (2019)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Repräsentation im Genrefilm

„We’ve always loved horror. It’s just that horror, unfortunately, hasn’t always loved us“, heißt es zu Beginn des Dokumentarfilms „Horror Noire: A History of Black Horror“. Und schon in dieser Aussage wird die Ambivalenz eingefangen, von der Regisseur Xavier Burgin und die Autorinnen Ashlee Blackwell und Danielle Burrows in ihrer Adaption des Sachbuchs von Robin R. Means Coleman erzählen. Wie wurden Schwarze im Horrorfilm dargestellt? Welche Rollen kamen ihnen zu? Und welcher Wandel lässt sich im Laufe der US-Kinogeschichte feststellen?

Mit diesen Fragen setzen sich hier zum einen Filmemacher_innen und Schauspieler_innen auseinander, die ein direkter Teil des Black Horror sind – etwa William Crain, Regisseur des Blaxploitation-Werks Blacula (1972), und Tony Todd, Hauptdarsteller von Candyman’s Fluch (1992). Und zum anderen schildern Akademiker_innen und Filmjournalist_innen ihre Seherfahrungen. Eine gelungene Idee ist dabei, dass viele der Interviewten – mal einzeln, mal zu zweit – in einem Kinosaal sitzen und sich ikonische Szenen anschauen. Sehr schön und für langjährige Horror-Fans gewiss ein Fest ist zudem, dass in Horror Noire Leute zu Wort kommen, die in den Filmen, in denen sie einst zu sehen waren, nur Randfiguren verkörpern durften – zum Beispiel Miguel A. Núñez Jr. aus Freitag, der 13. Teil V – Ein neuer Anfang (1985) oder Ken Sagoes aus dem dritten und vierten Teil (1987/88) der Nightmare-Reihe.

In 83 Minuten wird ein Blick auf die Historie eines Genres geworfen, der niemals gehetzt wirkt, sondern treffend auf Stereotype und Strömungen hinweist. Beginnend mit rassistischen Klischees zur Stummfilm-Ära über den ersten Horrorfilm eines schwarzen Drehbuchautors (Son of Ingagi, geschrieben von Spencer Williams, aus dem Jahre 1940) bis hin zur nahezu völligen Abwesenheit schwarzer Figuren im Horrorkino der 1950er und 1960er Jahre wird eine Phase erfasst, in der die Repräsentation von Schwarzen überwiegend ärgerlich und frustrierend war – bis mit George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten (1968) dank des von Duane Jones verkörperten Protagonisten Ben ein erster Wendepunkt eintrat.

Zu den Stärken von Horror Noire zählt, dass er sich den besprochenen Filmen stets kritisch nähert. Die Blaxploitation-Welle der 1970er Jahre mag kultige Bilder und Figuren hervorgebracht haben, war aber – wie die Bezeichnung Blaxploitation schon nahelegt – auch eine Ausbeutung vermeintlich schwarzer Themen, um mit möglichst geringem Aufwand schnelles Geld zu machen. Ebenso werden moderne Klassiker des Black Horror wie Candyman’s Fluch in ihren Botschaften und in ihren narrativen sowie ästhetischen Mitteln von den Interviewten hinterfragt. Es ist eine Freude, etwa der Schauspielerin Rachel True (Der Hexenclub, 1996) oder der Filmhistorikerin Tananarive Due zuzuhören, da sich hier persönliche Erfahrung, Sachkenntnis, Leidenschaft für das Sujet und kritisches Denken perfekt verbinden. Auch die Interaktionen zwischen einigen Befragten sind äußerst unterhaltsam.

Der Dokumentarfilm lässt erkennen, dass die Denk- und Darstellungsklischees auch im heutigen Horrorfilm noch nicht gänzlich überwunden sind. Mit aktuelleren Beispielen wie Attack the Block (2011), The Girl with All the Gifts (2016) oder Get Out (2017) wird aber auch deutlich, dass inzwischen vielschichtige Genrevertreter mit schwarzen Identifikationsfiguren entstehen – und die anfangs erwähnte Liebe zum Horror somit keine einseitige mehr ist.

Horror Noire: A History of Horror (2019)

#BlackLivesMatter — Auch im Horrorfilm? Xavier Burgins Dokumentarfilm zeichnet die wechselvolle Geschichte der schwarzer Repräsentationen im Horrorfilm nach, von den frühen Hollywood-Horrorfilmen, über die Blacksploitation-Filme und den modernen Horrorfilm („Night of the Living Dead“), „Candyman“ (1992) bis zu den neueren Werken wie „Get Out“ und „Wir“ (Us).

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