Hippie Masala

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Auf den Spuren der Hippie-Aussteiger

Selbstverwirklichung war in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts das erklärte Ziel der Hippie-Bewegung, die sich ausgehend von der Westküste der USA rasch zu einer Gegenkultur des sozialen und politischen Mainstreams entwickelte. In legerer, häufig bunter Kluft und wallender Haarpracht verweigerten sich die Hippies der vorherrschenden Konsumgesellschaft und propagierten eine friedvolle Naturverbundenheit sowie ein alternatives Zusammenleben jenseits der üblichen Formen, die sie als unerträgliche Zwänge empfanden. Nicht wenige Anhänger dieser Flower-Power-Mentalität kehrten in diesen Zeiten weltweit der Kultur ihrer Herkunftsgesellschaft nicht nur spirituell, sondern vollständig den Rücken und zogen in ferne, sonnige Länder, wo sie ihren Traum vom besseren Leben in Freiheit und Wonne zu realisieren gedachten, wobei das mystisch verklärt betrachtete Indien ein ganz besonders reizvolles Reiseziel darstellte. Nicht viele Hippies fanden dauerhaft die paradiesischen Zustände vor, die sie sich erhofft hatten, und die meisten Aussteiger gingen früher oder später zurück in ihre ursprüngliche Heimat und oft auch in ein bürgerliches Leben. Der Dokumentarfilm Hippie Masala von Ulrich Grossenbacher und Damaris Lüthi porträtiert die seltenen Ausnahmen, die noch heute auf ihre ganz individuelle Art und Weise dort leben, wohin sie einst die Sehnsucht verschlug.
Aus Italien kam Cesare einst nach Indien, um sich völlig dem Leben in Askese und Vergeistigung hinzugeben. Der magere Mann mit den langen, verfilzten und um den Kopf gewickelten Haarsträhnen lebt integriert in eine Gemeinschaft seit Jahrzehnten als Yogi und hat offensichtlich den Weg gefunden, nach dem er suchte. Hanspeter hingegen, der aus der Schweiz stammt, beackert seinen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, stets eingehüllt von Cannabisschwaden, und ist selbst innerhalb der Dorfgemeinschaft ein widerborstiger Außenseiter, der sein ganz eigenes Ding durchzieht, häufig zum Kummer seiner indischen Frau Babali, die von der fernen Fremde träumt. Die belgische Einsiedlerin Meera bietet ihre spirituellen Kenntnisse gegen eine kleine finanzielle Zuwendung ausländischen Besuchern an und führt ein einfaches Leben in Beschäftigung mit den letzten Fragen und Wahrheiten ihres Daseins. Robert ist Kunstmaler und lebt mit seiner neuen indischen Familie in einem Häuschen auf einer kleinen Flussinsel. Die einstigen Gefährten des Niederländers, die mit ihm in die Ferne zogen und lange Zeit dort ein rauschhaftes, träges Leben führten, sind mittlerweile verstorben, so dass er als beinahe einziger Europäer in der Gegend mit den Seinen ein ruhiges Malerleben bestreitet. Die Zwillinge Erica und Gillian aus Südafrika schließlich haben sich der Schneiderei von Hippie-Kleidung verschrieben und pflegen diesen Stil seit jenen Tagen, als er ursprünglich in Mode kam. Auch heute finden sie noch reichlich Abnehmer für ihre Modelle, die inzwischen wieder aktuell sind, und eine Rückkehr in ihr vorheriges Leben kommt für sie nicht mehr in Frage.

Hippie Masala zeichnet auf erzählerische, unspektakuläre, aber auch kritische Weise ein Bild dieser sechs Kulturflüchter, die ihr Glück in der indischen Fremde gefunden haben. Der Zuschauer begegnet dabei zugleich der Vielfalt der Landschaften und Gesellschaften dieses großen, bevölkerungsreichen und doch armen Landes, das auch heute noch anziehend auf Aussteiger unterschiedlichster Herkunft und Haltung wirkt. Die Dokumentation wurde mit dem Berner Filmpreis 2006 ausgezeichnet und wurde beim Schweizer Filmpreis 2007 als Bester Dokumentarfilm nominiert.

Hippie Masala

Selbstverwirklichung war in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts das erklärte Ziel der Hippie-Bewegung, die sich ausgehend von der Westküste der USA rasch zu einer Gegenkultur des sozialen und politischen Mainstreams entwickelte.
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Meinungen

shiva · 07.07.2008

der film ist unterhaltung pur und extrem d'leh de luxe!

cesare ist unser held!!!

Siegfried Schroetel · 06.09.2007

Man kann den Film besonders gut verstehen, wenn man selbst Anfang der 70iger Jahre nach Indien gefahren ist und man eine Reihe der Typen gesehen hat. Zurecht haben sie Ihren Weg gefunden und sind auf ihre Art und Weise gluecklich. Sie wollten damals ausbrechen und haben das konsequent durchgezogen. Was mich bedrueckt, ist die koerperlich Ausgezehrtheit, bis auf die beiden Frauen in Goa. Besonders schoen fand ich die Filmmusik. Mit Wehmut erinnerte sie mich an meine Rucksackreisen durch Indien.