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Ein Dokumentarfilm über Widerstand: Der Klimawandel bedroht unser aller Leben und treibt Menschen auf die Barrikaden. Ein wütender Film, dem ein wenig Konzentration nicht geschadet hätte.

Barrikade (2021)

Eine Filmkritik von Anke Zeitz

Durchhalten aus Liebe

Im Oktober 2019 besetzen Klimaaktivist:innen den Dannenröder Forst in Hessen. Über 80 Hektar des „Danni“, wie er liebevoll genannt wird, sollen für den Ausbau einer Autobahn gerodet werden. Um das zu verhindern, verbarrikadieren sich die Aktivist:innen im Wald, errichten Baumhäuser, malen Protestschilder und widersetzen sich immer wieder den Räumungsmaßnahmen der Polizei. Mit seinem Dokumentarfilm „Barrikade“ hat der Fotograf David Klammer die Aktivist:innen bis zur endgültigen Räumung des Forstes im Dezember 2020 begleitet. Herausgekommen ist ein nicht immer stringent erzähltes, aber ungemein inspirierendes Porträt einer Generation, die zivilen Ungehorsam als ihr Recht und den Kampf um die Zukunft unserer Welt als ihre Verantwortung sieht.

Der Film beginnt mit dem Ende. Eine junge Frau sitzt mit ihrer Gitarre auf einem Baumhaus, gegenüber werden Mitstreitende von der Polizei nach unten geholt, auch sie ist bald an der Reihe. Dennoch äußert sie Hoffnung. Dass das, was hier passiert ist, „in den Menschen Samen gepflanzt hat, die das jetzt hinaustragen in die Welt“. Was David Klammers Film Barrikade in den kommenden 83 Minuten zeigt, ist der Weg, der hinter dieser Aktivistin – und vieler ihrer Mitstreitenden – liegt.

Die Aktualität der Ereignisse, gerade auch durch die Vorkommnisse in dem kleinen Ort Lützerath, der dem Abbau von Braunkohle geopfert wird, verleiht Barrikade auf den ersten Blick ein perfektes Timing. Doch schaut man genauer hin, merkt man: Den Film jetzt herauszubringen, ist keine Frage von Timing, es ist das filmische Zeugnis einer neuen, nicht mehr umkehrbaren Zeitordnung, für die auch Filme wie Youth Unstoppable (Regie Slater Jewell-Kemker), Dear Future Children (Regie Franz Böhm) oder Aufschrei der Jugend von Kathrin Pitterling stehen. Protagonist:innen dieser Filme sind junge Menschen, die sich auflehnen gegen die Zerstörung der Umwelt, die Allmacht wirtschaftlicher Interessen, die Ohnmacht der Politik. Und die ihre große Frustration über vorherige Generationen klar äußern.

Als Video-Tagebuch einer Protestaktion erzählt Barrikade nicht chronologisch, die Begrüßung neuer „Bewohner:innen“ vermischt sich mit dem Abhauen vor und den Konfrontationen mit der Polizei, mit Aussagen Einzelner und mit vielen kleinen Kunst- und Musikeinlagen, die manchmal unfreiwillig komisch wirken ob ihrer doch etwas überhöhten Spiritualität, wenn etwa rotgewandete Menschen über ein frisch gerodetes Stück Land laufen, um einen Baum zu pflanzen oder ein Trio geigt und singt, während im Hintergrund die Polizei wiederholt und immer rigoroser zum Gehen auffordert.

Natürlich haben diese Bilder Symbolwert. Doch wirkliche Kraft strahlen andere Sequenzen aus. Beispielsweise wenn ein Polizist mit einer Bürgerin ruhig diskutiert und man spürt, dass hier zwei Positionen aufeinandertreffen, zwischen denen an Ort und Stelle keine Vereinbarkeit erzielt werden kann. Weil der Polizist dem Gesetz untersteht und „Recht und Ordnung“ vertreten muss – und weil die engagierte Frau sagt, dass „Recht“ nun mal noch lange nicht „Gerecht“ bedeutet. Und dass der Wald, der hier zerstört wird, für sie mehr ist als „nur“ ein Stück Land, sondern die Grundlage zu einem besseren Leben.

In diesem Moment macht der Film deutlich: Es geht hier um existenzielle Konflikte und die dringliche Notwendigkeit, diesen Konflikten mit Respekt zu begegnen und sie in Entscheidungsprozesse einzubinden. Man sieht dem Film an, dass der Regisseur, der gleichzeitig für Kamera, Schnitt und Ton verantwortlich zeichnet, von Haus aus renommierter Pressefotograf ist. Die ästhetisierten Bilder der Drohnenkamera, das Gespür für genau die richtige Kadrierung, die Konzentration auf (vermummte) Gesichter: all das wirkt erhaben, skurril und fast sogar ein wenig zu schön und abenteuerlich, auch unterstützt von einem quer durch alle Musikstile zitierenden Score.

Was dem Film stellenweise fehlt, ist eine erzählerische Stringenz, eine Vertiefung der spannenden Diskursansätze. Dazu stellt der Film zahlreiche Protagonist:innen vor, ohne sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzugreifen. Das ist schade, denn gerne würde man noch mehr erfahren. Über einen Mann etwa, der schon in Rente ist, aber unbedingt seinen Beitrag leisten will, um seine eigene Generation in die Mitverantwortung zu nehmen. Oder eine Frau, die von einer unbändigen Wut in ihrer Generation spricht, die sich gegen die richtet, die nichts tun, um die Welt von heute für die Menschen von morgen zu bewahren.

Barrikade kann diese Wut vermitteln, kann sie auf die Zuschauenden übertragen. Doch will der Film alles andere als fatalistisch betroffen machen. Und so steht am Ende des Films dann wieder der Anfang. Mit der jungen Frau und ihrer Hoffnung, dass der Kampf um den „Danni“ nun hinausgetragen wird in die Welt. Gerade dieses inspirierende und mutmachende Ende eines Films, der seine Stärke aus seiner Nähe zu dem Gezeigten, seiner ästhetischen Bildsprache und seinen starken Protagonist:innen zieht, ist eine klare Einladung an andere, aktiv zu werden und für seine Überzeugungen einzutreten. Mindestens aber ist der Film ein wichtiger Anstoß zu einem Diskurs. Ein Diskurs, der niemals versiegen darf, wenn sich in unserer Welt wirklich etwas ändern soll.
 

Barrikade (2021)

Oktober 2019 wurde der Dannenröder Wald in Hessen von Klimaaktivist:innen besetzt, um ihn vor der Rodung für eine neue Autobahntrasse zu beschützen. Mit Kreativität, Mut und Musik leisteten die Besetzer:innen Widerstand und zivilen Ungehorsam, bis am 8. Dezember 2020 dann doch der letzte Baum mit dem letzten Baumhaus fiel. Der Film begleitet die Aktivist:innen von September 2020 bis Januar 2021. (Quelle: NaturVision)

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