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„Die Ausstattung der Welt“ ist ein spannendes Projekt über die Bedeutung von Filmrequisiten, wie auch unserer Verortung inmitten von Gegenständen, die uns tagtäglich begleiten.

Die Ausstattung der Welt (2023)

Eine Filmkritik von Felix Armbruster

Das Besondere in Gegenständen

Über 99 Minuten legen Susanne Weirich und Robert Bramkamp eine verborgene Welt frei. Wenn wir einen Film sehen, nehmen wir viele Elemente nicht bewusst war. Sie werden im Ganzen eingesetzt, um eine bestimmte Wirkung zu erzeugen. Eine qualitative Auseinandersetzung mit diesen einzelnen Elementen führen wir bedingt, eine quantitative selten. Weirich und Bramkamp widmen sich aber ebendiesen Aspekten, und zwar im Bereich der Filmrequisiten. Im Rahmen des Drehs einer Dokumentation, den sie beleuchten, werden die Requisiten zu einer eigenen Sphäre.

Zu Beginn des Films sitzen Geniffer und Albertine zwischen zwei Säulen vor dem Eingang des Alten Museums in Berlin. Geniffer zeigt Albertine ein Gemälde von einer Schwarzen Frau, entstanden im 16. Jahrhundert in Europa. Sie scherzt, die Frau im Bild sehe aus wie Albertine. Doch das eigentlich Überraschende an diesem Bild ist die Tatsache, dass es sich um ein Porträt handelt. Nur äußerst schwer kann man sich eine europäische Renaissance vorstellen, in der Sklaven die Möglichkeit hatten, porträtiert zu werden.

Auf dem Vorplatz des Museums fährt ein sich hektisch bewegender, rot blinkender Fisch hin und her. Eine Melodie wie aus einem Spielzeugautomaten erklingt jedes Mal, wenn er sich bewegt. Hierbei handelt es sich weniger um Kunst als vielmehr um ein Objekt, wie man es auf einem Marktplatz finden kann. Beide diese Objekte begleiten den Film auf Schritt und Tritt. Der rote Spielzeugfisch wirkt dabei wie ein Symbol, taucht er doch mindestens alle 10 bis 15 Minuten irgendwo im Raum auf. Es ist, als jagten wir ihm oder er dem Geschehen hinterher. Sein plötzliches Auftauchen und Aufblinken mit der immergleichen Melodie haben etwas Überraschendes und gleichsam Hoffnungsvolles. Doch letztendlich ist es ein roter Fisch. Nicht mehr und auch nicht weniger. Ist es so nicht auch mit den unzähligen Objekten im Requisitenfundus?

Dokumentiert werden alle Schritte von der Aufnahme über die vielfältig möglichen Definitionen bis hin zur Archivierung der Gegenstände. Gemälde, Stühle, Kaminteile, Bilderrahmen, Sofas und vieles mehr. Weirich und Bramkamps vollkommene Verzicht auf Kamerabewegungen im Prozess der Requisiten-Bestandsaufnahme belebt die Gegenstände. Entweder können wir die Gegenstände betrachten, während sie ausdefiniert werden – wenn Miu Quell beispielsweise die Möglichkeit sieht, einen Hocker ebenso als Podest zu beschreiben, eröffnet sie einen Spielraum, den wir beliebig erweitern könnten. Oder aber uns stehen die Gegenstände mehr oder weniger frei zur Verfügung, wenn sie aufbewahrt in Regalen zu Georg Friedrich Händel in starren Einstellungen eingefangen werden.

Postkoloniale Aufarbeitung, wie sie Albertine Tchamedjieu Siani im Rahmen ihrer Doktorarbeit betreibt, fungiert in Die Ausstattung der Welt als eine fiktionale Erzählung inmitten des Requisitenfundus im Studio Babelsberg. Das Porträt der Schwarzen Frau stellt sich als eines ihrer Projekte heraus. Wie konnte im 16. Jahrhundert ein Porträt einer Schwarzen Frau entstehen? Das ist die Leitfrage ihrer Suche. Dieses praktische Arbeitsbeispiel kontrastiert die sonst recht nüchtern inszenierte Bestandsaufnahme von Requisiten im Fundus. Die Suche ist für die Dokumentation inszeniert, das heißt in dokumentarischer Form wiedererzählt. Dabei wird sie auch mit Special Effects ästhetisiert. Weirich und Bramkamp erweitern somit die rein dokumentarische Requisitenschau um eine Geschichte mit dem Spielfilm ähnlicher Dramaturgie und Ästhetik.

Die Ausstattung der Welt ist ein gelungener Dokumentarfilm, der dazu motiviert, Wertschätzung für ein sonst eher wenig beachtetes Element des Filmschaffens zu zeigen. Ein 99 Minuten langer Film, der sich ausschließlich mit Filmrequisiten und deren Archivierung befasst, mag abschreckend eintönig klingen. Jedoch würde bei eine kürzeren Laufzeit ein bestimmter Effekt nicht eintreten: In der Dokumentation wird die Vielseitigkeit von Gegenständen ebenso deutlich wie deren geschichtliche Ausformung über viele Jahrhunderte und unterschiedlichste Epochen. Requisiten werden im Film zu Ausdrucksmitteln einer Kultur. Sie sind an sich neutral. Erst im Einsatz erfüllen sie die verschiedensten Zwecke. So kann dasselbe Telefon in einem DDR-Film und einem NS-Propaganda-Film auftauchen. Die Inszenierung funktioniert allerdings auch selbst als eine Form von Welterzeugung. Schier endlose Lager mit verschiedensten Kulturgegenständen offenbaren die Vielseitigkeit menschlicher Erfahrungswelten genauso wie deren Prägung durch diese. Insofern ist Die Ausstattung Der Welt ein spannendes Projekt über die Bedeutung von Filmrequisiten, wie auch unserer Verortung inmitten von Gegenständen, die uns tagtäglich begleiten. Filmrequisiten sind, was sie sind nur in dem Film, in dem sie sind. Woanders sind sie etwas Anderes.

Die Ausstattung der Welt (2023)

Sie spielen in jedem Film eine entscheidende Rolle, ohne sie wären die Reisen in verschiedene Epochen und Milieus nicht möglich, trotzdem werden sie selten bewusst wahrgenommen – die vielen großen und kleinen Dinge der Ausstattung. In das Universum dieser verborgenen Welten reist der Film „Die Ausstattung der Welt“ von Robert Bramkamp und Susanne Weirich. Sie erkunden die drei großen Funden im Studio Babelsberg, im delikatessen Requisiten Fundus Berlinund bei FTA Props in Hamburg, jeder für sich ist eine eigene Welt mit einer ganz eigenen Ordnung der jeweils bis zu 100.000 Dinge. Lampen, Tassen, Sofas, (Missions-)Spardosen, Fahnen, Spielzeugfische, Plastikblumen, Uhren und Ölgemälde entfalten ihre Vielseitigkeit, wenn sie in neue Ordnungen wechseln. Sie werden verpackt, neu sortiert, fotografiert, „digitalisiert“ und online gestellt als Beschreibung, Suchbegriff oder Foto. Wir hören die leidenschaftlichen Berichte der Fundus-Experten über die richtige Auswahl der Requisiten und sehen die Ausflüge der Dinge in die „ausgestattete Welt“ — sie wirken mit in Filmen von „Kolberg“ bis „Großstadtrevier“, „Welt am Draht“ bis „Prüfstand 7“, „Finsterworld“ bis „Sonnenallee“, aber auch in „Verbotene Liebe“.

Gleichzeitig geht der Film der postkolonialen Geschichte der Dinge nach – verkörpert durch die BiPOC-Aktivistin Thelma Buabeng, die in die Rolle einer Doktorandin der Postcolonial Studies schlüpft, die im Fundus jobbt. Sie entdeckt einen parallelen Ding-Alltag von afrikanischen Objekten – koloniale Originale, Airport Art, rätselhafte oder rassistische Gegenstände und schließlich das Portrait einer „African Woman Holding a Clock“, das im Verlauf des Films in der Jetztzeit ankommt.

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Meinungen

Neele Neelen · 29.01.2024

Die Beschreibung hört sich sehr interessant an. Wann läuft der Film in Hannover, Braunschweig Oder Göttingen?
Danke für Antwort.